Kaiser und Galiläer. Henrik IbsenЧитать онлайн книгу.
Zweifel lauern über dieser Sache. Nur das weiß ich: in Athen ist nicht die Höhle des Löwen. Aber wo, wo? Gleich Saulus tappe ich im nächtlichen Dunkel. Will Christus etwas von mir, so mag er deutlich reden. Den Finger im Nägelmal –
Basilios. Und doch steht geschrieben –
Julian mit der Hand abweisend. Ich weiß alles, was da geschrieben steht. Geschriebenes – das ist nicht Wahrheit für das Fleisch. Fühlst Du nicht Ekel und Übelkeit, wie an Bord eines Schiffes bei Windstille, – so hin und her geworfen zwischen Leben, Schrift, heidnischer Weisheit und Schönheit? Es muß eine neue Offenbarung kommen. Oder eine Offenbarung von etwas Neuem. Es muß, sag' ich; – die Zeit ist erfüllet. Ja, eine Offenbarung! O, Basilios, könntest Du die auf mich herabflehen! Den Bluttod, wenn es sein müßte –! Den Bluttod –, ah, ich schwelge in seiner Wonne, die Dornenkrone um meine Schläfen –! Er greift mit beiden Händen nach dem Kopf, faßt den Rosenkranz, reißt ihn ab, besinnt sich lange und sagt: Schau – den hatte ich vergessen! Er wirft den Kranz weg. Nur Eins habe ich in Athen gelernt –
Basilios. Was, Julian?
Julian. Die alte Schönheit ist nicht länger schön, und die neue Wahrheit nicht länger wahr.
Libanios kommt eilig durch den Säulengang von rechts; schon von fern: Da haben wir ihn – da haben wir ihn!
Julian. Ihn? Ich dachte, Du hättest sie beide.
Libanios. Welche beiden?
Julian. Milons Söhne.
Libanios. Ah ja, die habe ich auch. Aber wir haben ihn, mein Julian!
Julian. Wen, teurer Bruder?
Libanios. Er hat sich in seinem eigenen Garn gefangen.
Julian. Aha, – also ein Weiser?
Libanios. Aller Weisheit Widersacher.
Julian. Wer, wer – frag' ich?
Libanios. Weißt Du es wirklich nicht? Hast Du nicht das Neueste über Maximos gehört?
Julian. Über Maximos? O, habe doch die Güte –
Libanios. So weit mußte es mit diesem unruhigen Schwärmer kommen – Schritt um Schritt, in den Wahnsinn hinein –
Julian. Mit andern Worten: in die höchste Weisheit hinein.
Libanios. Meinetwegen auch so. Aber jetzt gilt es zu handeln und den Augenblick zu ergreifen. Du, unser hochverehrter Julian, Du bist der Mann. Du bist des Kaisers naher Verwandter. Die Hoffnung aller wahren Weisheitsfreunde ist auf Dich gerichtet, hier wie in Nikomedia –
Julian. Höre, trefflicher Libanios, – dieweil ich nicht allwissend bin –
Libanios. So erfahre denn, daß Maximos jüngst offen mit dem Kern seiner Lehre hervorgetreten ist.
Julian. Und das wirfst du ihm vor?
Libanios. Er hat behauptet, er könnte Geistern und Schatten gebieten!
Julian faßt ihn am Mantel. Libanios!
Libanios. Alle auf dem Schiff erzählten sich eine Fülle der wunderlichsten Geschichten, und hier – zeigt einen Brief vor – hier schreibt mein Mitbruder Eusebios ausführlich darüber.
Julian. Geistern und Schatten –
Libanios. Zu Ephesos hat Maximos neulich, in einer großen Versammlung von Anhängern und Widersachern, verbotene Künste an Hekates Bildsäule getrieben. Es geschah im Tempel der Göttin. Eusebios schreibt, er wäre selbst zugegen und Zeuge von allem gewesen, von Anfang bis zu Ende. Es war rabenschwarze Nacht rings um sie her. Maximos sprach seltsame Beschwörungen – dann sang er eine Hymne, die keiner verstand. Da entzündete sich die Marmorfackel in der Hand der Statue –
Basilios. Welch gottloses Tun!
Julian atemlos. Und dann?
Libanios. Und in dem vollen bläulichen Licht sahen sie alle, daß das Antlitz der Statue Leben bekam und sie anlächelte.
Julian. Was weiter –?
Libanios. Entsetzen ergriff die meisten Gemüter. Alle stürzten nach dem Ausgang. Viele lagen danach krank oder irr danieder. Aber er selbst – kannst Du es glauben, Julian? – dem Los zum Trotze, das seine beiden Brüder in Konstantinopel getroffen hat, schreitet weiter auf seinem gefährlichen und anstößigen Wege.
Julian. Anstößig? Anstößig nennst Du diesen Weg? Läuft nicht aller Weisheit Ziel darauf hinaus? Verkehr von Geist zu Geist –
Basilios. Teurer, verirrter Freund –!
Libanios. Mehr als anstößig, sag' ich. Was ist Hekate? Was sind überhaupt die Götter für die Erkenntnis der Aufgeklärten? Glücklicherweise leben wir nicht mehr in der Zeit jenes alten blinden Sängers. Maximos sollte doch bessere Einsicht haben. Hat nicht Platon – und nach ihm wir andern – das Licht der Erklärung über das Ganze verbreitet? Ist es nicht anstößig, jetzt, in diesem unseren Zeitalter, jenes bewundernswerte, einleuchtende und ich darf wohl sagen: mühsam aufgerichtete Gebäude von Begriff und Deutung wieder hüllen zu wollen in Rätsel und neblichte Träume, die wir, die Jünger der Weisheit, die die Schule, die –
Julian stürmisch. Leb' wohl, Basilios! Ich sehe ein Licht auf meinem Pfad!
Basilios schlingt die Arme um ihn. Ich lasse Dich nicht – ich halte Dich fest!
Julian ringt sich los. Es hält mich keiner, – löcke nicht wider den Stachel –
Libanios. Welcher Anfall von Wahnwitz! Freund, Bruder, Gefährte, wo willst Du hin?
Julian. Dahin, dahin, wo Fackeln sich entzünden und Statuen lächeln.
Libanios. Und das könntest Du!? Du, Julian, unser Stolz, unsere Leuchte, unsere Hoffnung – Du wolltest nach diesem verblendeten Ephesos eilen, um Dich in die Gewalt eines Gauklers zu geben! Wisse, in demselben Augenblicke, da Du Dich so tief erniedrigst, in demselben Augenblick hast Du des herrlichen Rufes der Gelehrtheit und Beredsamkeit Dich entäußert, den Du in all diesen Jahren in Pergamon wie in Nikomedia und vornehmlich hier auf der hohen Schule Athens –
Julian. Schule, Schule! Bleib Du bei Deinen Büchern – jetzt hast Du mir den Mann gezeigt, den ich suchte! Er geht schnell durch den Säulengang links ab.
Libanios blickt ihm eine Weile nach. Dieser fürstliche Jüngling ist eine Gefahr für die Wissenschaft.
Basilios halb für sich. Nicht für sie allein ist Julian eine Gefahr.
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