Kaiser und Galiläer. Henrik IbsenЧитать онлайн книгу.
in seiner Kindheit in Kappadocien bei einem Wortgefecht mit seinem Bruder Gallos die Sache der Götter übernommen und sie gegen den Galiläer verteidigt hat?
Julian. Das war Scherz – Redeübung –
Der Weisheitslehrer. Was hat nicht Mardonios von ihm aufgezeichnet? Und dann Hekebolios? Welche Kunst lag nicht schon in der Rede des Knaben, – welche Schönheit, welche Anmut in der Gedanken leichtem Spiel!
Julian. Und Dich deucht –?
Der Weisheitslehrer. Ja, – wohl könnte er uns ein Gegner werden, den wir fürchten ebenso wie ersehnen müßten. Was fehlt ihm, um eine so ehrenvolle Höhe zu erreichen? Braucht er denn nicht bloß dieselbe Schule durchzugehen, die Paulus durchging, und zwar so unbeschadet, daß er sich später den Galiläern anschließen konnte, heller leuchtend als die andern Bekenner zusammengenommen, weil er Weisheit hatte und Beredsamkeit! Hekebolios fürchtet für den Glauben seines Schülers. O, ich weiß recht wohl: von ihm geht es aus. Aber vergißt er denn, dieser ungemein gewissenhafte Mann, daß er selbst in seiner Jugend aus den Quellen getrunken hat, die er jetzt seinem Schüler verstopfen will? Oder hat er nicht etwa bei uns gelernt, die Waffe der Sprache zu gebrauchen, die er mit so hochgepriesener Fertigkeit jetzt gegen uns schwingt?
Julian. Wahr, unstreitig wahr!
Der Weisheitslehrer. Und was für Gaben besitzt denn dieser Hekebolios im Vergleich zu den Fähigkeiten, die so wunderbar in jenem fürstlichen Knaben sich offenbarten, der, wie es heißt, in Kappadocien, auf den Gräbern der hingerichteten Galiläer eine Lehre verkündete, die ich für irrig halte, und die deshalb um so schwerer Eingang findet, die er aber doch mit solcher Verzücktheit des Geistes kündete, daß sich – wenn ich einem weit verbreiteten Gerüchte glauben darf – viele Knaben seines Alters ihm anschlossen und ihm als Lehrlinge folgten! Ah, Hekebolios ist wie Ihr andern – mehr selbstsüchtig als eifersüchtig. Darum hat Libanios vergebens gewartet.
Julian packt ihn am Arm. Was hat Libanios gesagt? Bei Gott, ich beschwöre Dich, laß es mich wissen!
Der Weisheitslehrer. Das alles, was Du eben gehört hast. Und er hat noch mehr gesagt. Er hat gesagt: Seht, jener fürstliche Galiläer – er ist der Achilleus des Geistes.
Julian. Achilleus! Leiser. Der Traum meiner Mutter!
Der Weisheitslehrer. Dort in den offenen Lehrsälen wogt der Kampf. Licht und Freude ist über dem Streit und den Streitenden. Des Wortes Pfeile schwirren; des Witzes scharfes Schwert zischt in der Schlacht; die seligen Götter sitzen lächelnd in der Wolke –
Julian. Weiche von mir mit Deinem Heidentum!
Der Weisheitslehrer. – und die Helden kehren heim in das Lager, Arm in Arm, ohne Groll, mit flammenden Wangen – das Blut rollt schwellend durch alle Adern – mit der Beute der Erkenntnis und mit Laub um die Stirn. Ha, wo ist Achilleus? Ich sehe ihn nicht. Achilleus ist zornig –
Julian. Achilleus ist unglücklich! – Aber kann ich es glauben! O, sag' mir – mir schwindelt – all das hat Libanios gesagt?
Der Weisheitslehrer. Warum ist Libanios nach Konstantinopel gekommen? Kam er aus einem anderen Grunde, als um die ehrende Freundschaft eines sicheren Jünglings zu suchen?
Julian gespannt. Sag' die Wahrheit! Nein, nein, das kann nicht wahr sein. Wie paßt das zu all dem Hohn und Spott, den –? Man verhöhnt doch nicht den, dessen Freundschaft man sucht.
Der Weisheitslehrer. Galiläerränke, um eine Mauer von Haß und Zorn zwischen den beiden Kämpen aufzutürmen!
Julian. Du willst doch nicht bestreiten, daß es Libanios war –?
Der Weisheitslehrer. Ich bestreite alles – vom ersten bis zum letzten Wort.
Julian. Die Spottlieder sollten nicht von ihm kommen?
Der Weisheitslehrer. Nicht ein einziges – sie sind alle zusammen im Kaiserschlosse entstanden und sind unter seinem Namen verbreitet worden –
Julian. Ah, was sagst Du da?
Der Weisheitslehrer. Was ich vertreten will vor jedermann. Du hast eine scharfe Zunge; – wer weiß, ob nicht Du selbst –
Julian. Ich! – Aber darf ich das glauben? Libanios sollte sie nicht geschrieben haben? Kein einziges?
Der Weisheitslehrer. Nein, nein!
Julian. Nicht einmal das schändliche Gedicht vom Atlas mit den schiefen Schultern?
Der Weisheitslehrer. Nein, nein, sag' ich Dir.
Julian. Auch nicht jenen albernen und höchst unverschämten Vers vom Affen im Hofgewand?
Der Weisheitslehrer. Haha – das ist in der Kirche und nicht im Lehrsaal geschrieben worden. Du glaubst es nicht? Ich sage Dir, es ist Hekebolios –
Julian. Hekebolios!
Der Weisheitslehrer. Ja, Hekebolios! Hekebolios selbst, um Böses zwischen seinen Feind und seinen Jünger zu säen. –
Julian mit geballten Händen. Ha, wenn dem so wäre!
Der Weisheitslehrer. Hätte der verblendete und betrogene Jüngling uns Weisheitsfreunde gekannt, so hätte er nicht so hart an uns gehandelt.
Julian. Wovon sprichst Du?
Der Weisheitslehrer. Jetzt ist es zu spät – Leb' wohl, Herr! Er will gehen.
Julian faßt seine Hand. Freund und Bruder – wer bist Du?
Der Weisheitslehrer. Ein Mann, der traurig ist, weil er das Gottgeborene sieht untergehen.
Julian. Was nennst Du das Gottgeborene?
Der Weisheitslehrer. Das Ungeschaffene im Wechselnden.
Julian. Mir ebenso dunkel.
Der Weisheitslehrer. Es gibt eine ganze herrliche Welt, für die Ihr Galiläer blind seid. Da ist das Dasein ein Fest inmitten Bildsäulen und unter Tempelgesängen, mit vollen schäumenden Schalen und mit Rosen im Haar. Zauberhafte Brücken spannen sich zwischen Geist und Geist, bis zu den fernsten Lichtern im Raum –. Ich kenne ihn, der Herrscher in diesem großen sonnigen Reiche sein könnte –
Julian bang. Ja, mit dem Verlust der Seligkeit!
Der Weisheitslehrer. Was ist Seligkeit? Wiedervereinigung mit dem Ursprung.
Julian. Ja, in der Bewußtheit des Lebens; Wiedervereinigung für mich, als den, der ich bin!
Der Weisheitslehrer. Wiedervereinigung wie die des Regentropfens mit dem Meere, wie die des welken Laubes mit der Erde, die es reifte.
Julian. O, hätte ich Wissen! Hätte ich Waffen, sie gegen Dich zu erheben!
Der Weisheitslehrer. Hol' Dir Waffen, junger Mann! Der Lehrsaal ist ein Fechtsaal der Gedanken und Gaben –
Julian zurückweichend. Ah!
Der Weisheitslehrer. Sieh die frohen Jünglinge dort! Es sind Galiläer unter ihnen. Irrtümer in den göttlichen Dingen verursachen keinen Zwist unter uns. – Leb' wohl! Ihr Galiläer habt die Wahrheit heimatlos gemacht. Schau' her, wie wir den Schicksalsschlag ertragen. Sieh uns, wir kränzten unsere erhobenen Stirnen mit Laub. So ziehen wir von dannen – die Nacht uns verkürzend mit Gesang und Helios erwartend.