Die Elixiere des Teufels. E.T.A. HoffmannЧитать онлайн книгу.
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E.T.A. Hoffmann
Die Elixiere des Teufels
Gern möchte ich dich unter jene dunkle Platanen führen, wo ich die seltsame Geschichte des Bruders Medardus las.
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Inhaltsverzeichnis
Erster Teil - Erster Abschnitt
Zweiter Teil - Erster Abschnitt
Nachtrag des Paters Spiridion, Bibliothekar des Kapuzinerklosters zu B.
Die Elixiere des Teufels
E.T.A. Hoffmann
Vorwort des Herausgebers
Gern möchte ich dich, günstiger Leser, unter jene dunkle Platanen führen, wo ich die seltsame Geschichte des Bruders Medardus
zum ersten Male las. Du würdest dich mit mir auf dieselbe, in duftige Stauden und bunt glühende Blumen halb versteckte,
steinerne Bank setzen; du würdest so wie ich recht sehnsüchtig nach den blauen Bergen schauen, die sich in wunderlichen
Gebilden hinter dem sonnichten Tal auftürmen, das am Ende des Laubganges sich vor uns ausbreitet. Aber nun wendest du dich
um und erblickest kaum zwanzig Schritte hinter uns ein gotisches Gebäude, dessen Portal reich mit Statüen verziert ist. – Durch
die dunklen Zweige der Platanen schauen dich Heiligenbilder recht mit klaren lebendigen Augen an; es sind die frischen
Freskogemälde, die auf der breiten Mauer prangen. – Die Sonne steht glutrot auf dem Gebirge, der Abendwind erhebt sich,
überall Leben und Bewegung. Flüsternd und rauschend gehen wunderbare Stimmen durch Baum und Gebüsch: als würden sie
steigend und steigend zu Gesang und Orgelklang, so tönt es von ferne herüber. Ernste Männer in weit gefalteten Gewändern
wandeln, den frommen Blick emporgerichtet, schweigend durch die Laubgänge des Gartens. Sind denn die Heiligenbilder
lebendig worden und herabgestiegen von den hohen Simsen? – Dich umwehen die geheimnisvollen Schauer der wunderbaren
Sagen und Legenden, die dort abgebildet, dir ist, als geschähe alles vor deinen Augen, und willig magst du daran glauben. In
dieser Stimmung liesest du die Geschichte des Medardus, und wohl magst du auch dann die sonderbaren Visionen des Mönchs
für mehr halten als für das regellose Spiel der erhitzten Einbildungskraft. –
Da du, günstiger Leser, soeben Heiligenbilder, ein Kloster und Mönche geschaut hast, so darf ich kaum hinzufügen, daß es der
herrliche Garten des Kapuzinerklosters in B. war, in den ich dich geführt hatte.
Als ich mich einst in diesem Kloster einige Tage aufhielt, zeigte mir der ehrwürdige Prior die von dem Bruder Medardus
nachgelassene, im Archiv aufbewahrte Papiere als eine Merkwürdigkeit, und nur mit Mühe überwand ich des Priors Bedenken,
sie mir mitzuteilen. Eigentlich, meinte der Alte, hätten diese Papiere verbrannt werden sollen. – Nicht ohne Furcht, du werdest des
Priors Meinung sein, gebe ich dir, günstiger Leser, nun das aus jenen Papieren geformte Buch in die Hände. Entschließest du
dich aber, mit dem Medardus, als seist du sein treuer Gefährte, durch finstre Kreuzgänge und Zellen – durch die bunte – bunteste
Welt zu ziehen und mit ihm das Schauerliche, Entsetzliche, Tolle, Possenhafte seines Lebens zu ertragen, so wirst du dich
vielleicht an den mannigfachen Bildern der Camera obscura, die sich dir aufgetan, ergötzen. – Es kann auch kommen, daß das
gestaltlos Scheinende, sowie du schärfer es ins Auge fassest, sich dir bald deutlich und rund darstellt. Du erkennst den
verborgenen Keim, den ein dunkles Verhängnis gebar, und der, zur üppigen Pflanze emporgeschossen, fort und fort wuchert, in
tausend Ranken, bis eine Blüte, zur Frucht reifend, allen Lebenssaft an sich zieht und den Keim selbst tötet. –
Nachdem ich die Papiere des Kapuziners Medardus recht emsig durchgelesen, welches mir schwer genug wurde, da der Selige
eine sehr kleine, unleserliche mönchische Handschrift geschrieben, war es mir auch, als könne das, was wir insgemein Traum
und Einbildung nennen, wohl die symbolische Erkenntnis des geheimen Fadens sein, der sich durch unser Leben zieht, es
festknüpfend in allen seinen Bedingungen, als sei der aber für verloren zu achten, der mit jener Erkenntnis die Kraft gewonnen
glaubt, jenen Faden gewaltsam zu zerreißen und es aufzunehmen mit der dunklen Macht, die über uns gebietet.
Vielleicht geht es dir, günstiger Leser, wie mir, und das wünschte ich denn aus erheblichen Gründen recht herzlich.
Erster Teil - Erster Abschnitt
Die Jahre der Kindheit und das Klosterleben
Nie hat mir meine Mutter gesagt, in welchen Verhältnissen mein Vater in der Welt lebte; rufe ich mir aber alles das ins Gedächtnis
zurück, was sie mir schon in meiner frühesten Jugend von ihm erzählte, so muß ich wohl glauben, daß es ein mit tiefen
Kenntnissen begabter lebenskluger Mann war. Eben aus diesen Erzählungen und einzelnen Äußerungen meiner Mutter über ihr
früheres Leben, die mir erst später verständlich worden, weiß ich, daß meine Eltern von einem bequemen Leben, welches sie im
Besitz vieles Reichtums führten, herabsanken in die drückendste bitterste Armut, und daß mein Vater, einst durch den Satan
verlockt zum verruchten Frevel, eine Todsünde beging, die er, als ihn in späten Jahren die Gnade Gottes erleuchtete, abbüßen
wollte auf einer Pilgerreise nach der heiligen Linde im weit entfernten kalten Preußen. – Auf der beschwerlichen Wanderung
dahin fühlte meine Mutter nach mehreren Jahren der Ehe zum erstenmal, daß diese nicht unfruchtbar bleiben würde, wie mein
Vater befürchtet, und seiner Dürftigkeit unerachtet war er hoch erfreut, weil nun eine Vision in Erfüllung gehen sollte, in welcher
ihm der heilige Bernardus Trost und Vergebung der Sünde durch