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Blau Wasser. Gerstäcker FriedrichЧитать онлайн книгу.

Blau Wasser - Gerstäcker Friedrich


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      Der Capitain hatte indessen mit vollkommener Ruhe die Wassertiefe um das Schiff her untersuchen lassen, und es blieb bald keinem Zweifel mehr unterworfen, daß sie auf einer weiten gleichhohen Sandbank aufsaßen, wo sie nicht hoffen durften, so bald wieder frei zu kommen. Ja, im Gegentheil schien die Bank in Lee höher, als zu windwärts, und jeder Stoß, den das unglückliche Schiff von den anprallenden Wogen bekam, setzte es höher und fester hinauf.

      Die Passagiere, die jetzt über Deck schwärmten, ließen endlich, da sich keiner weiter von ihnen im untern Raum befand, die Luken schließen, die untersuchten Pumpen ergaben aber gleich darauf sieben Fuß Wasser im Raum; das Schiff hatte jedenfalls bei den furchtbaren Stößen einen Leck möglich und Rettung schien nur jetzt in den Booten

      Aber guter Gott, wie waren die zu benutzen? Die kleine Jolle hing allerdings unter den eisernen Krahnen, aber Dollen und Ruder fehlten und konnten in der jetzt /92/herrschenden Verwirrung gar nicht gleich gefunden werden8, und das große Boot, die sogenannte Barkasse, stand mitten auf Deck und mußte erst mit Flaschenzügen über Bord gehoben werden.

      Die Verwirrung, die indessen unter den Passagieren herrschte, war furchtbar; ein Theil von ihnen riß die Luken wieder auf, hinunter zu klettern und das im ersten Schreck unten vergessene Geld heraufzuholen und zu retten; Andere lagen auf den Knieen und beteten und weinten. Die Frauen drängten, mit ihren Kindern auf dem Arm, der Kajüte zu, den Capitain anzuflehen, nur diese, nur die Kleinen zu retten, und wieder Andere standen, an irgend ein Tau oder Holz geklammert, in stumpfer, starrer Verzweiflung da, ließen die Sturzwellen über sich hinübergehen und sahen mit stierem Blick hinaus über die anstürmenden Wogen, die mit immer wachsender Kraft wieder und wieder gegen das Wrack anschmetterten und es wild und heftiger auf die Sandbank aufstießen. Konnten doch in jedem Augenblick seine Rippen brechen und in Trümmer auseinander bersten.

      „Heiliger Gott, Du wirst doch nicht wollen, daß wir hier so elend umkommen sollen!" schrie eine Frau, die, ihre zwei Kinder fest an sich gedrückt, auf den Knieen lag und mit einem umklammerten Tau sich vor dem Werfen des Schiffes zu schützen suchte. Da bäumte eine See, stärker als eine der vorigen, an dem Starbordbug des Fahrzeugs auf und riß, niederschlagend, die Kambüse und einen Theil der Wasserfässer, wie die ganze vordere Schanzkleidung des Larbordquater mit über Bord. Zehn oder zwölf Menschen, die sich dort angeklammert hatten, wurden ebenfalls mit in die See gewaschen, /93/und ihr Wehfgeschrei schlug dumpf und entsetzlich an das Ohr der noch Lebenden, denen sie vergebens die Arme nach Hülfe entgegenstreckten. Auch die Frau war von der Woge erfaßt und an die andere Seite des Schiffes geschleudert worden, wo sie sich wieder festklammerte - aber ein Kind fehlte ihr, und ihr gellender Hülfeschrei übertönte selbst den Sturm. Eine neue Woge brach mit solcher Kraft gegen die Seitenwand des Wracks an, daß sie das Schiff ganz auf die Seite warf, und nur die strenge Disciplin an Bord eines Schiffes konnte noch einen Theil der Matrosen zusammenhalten, den Befehl des Capitains Folge zu leisten und die Barkasse klar zu machen.

      „Hurrah, hurrah!" schrie in dem Augenblick der Koch, der - mit dem vollen Bewußtsein, nach der Flucht des Klabautermanns doch hier unterzugehen und zu ersaufen - in die ihm bekannte Vorrathskammer der Kajüte geschlichen war und jetzt mit einem kleinen Anker Rum unter dem Arm auf dem Larbordgangweg hin nach vorn sprang, um seine Beute mit den Matrosen und den Passagieren zu theilen - „hurrah, Jungens, hier ist der Stoff, der uns aus dem Wasser hilft; hier ist die richtige Mischung mit Salzwasser zu nehmen. Ein Spließeisen her, daß wir den Spund herauskriegen. Hol' der Teufel die Boote und den alten Kasten, der Klabautermann ist fort, und die Latten gehen doch in der nächsten Viertelstunde aus dem Leim - hurrah, der Rum soll leben!"

      „Her mit dem Rum!" schrieen die Matrosen, in wilder Verzweiflung zu dem letzten Mittel greifend, ihre Todesangst zu betäuben, und der Zimmermann hatte rasch mit einem Spließeisen den Korkspund hinein gestoßen, als der Capitain, ein Enterbeil in der gehobenen Rechten, zwischen sie sprang und aus voller Kraft einen mächtigen Hieb gegen den aufgedrehten und unter dem Schlag zusammenbrechenden Boden führte.

      „Wahnsinnige!" schrie er dabei, während er zu gleicher Zeit das Faß mit dem Fuße um- und in das dort strömende Seewasser stieß; „wollt Ihr Euch die letzte Möglichkeit rauben, unser Aller Leben zu retten, und wie feige Schufte, die sich vor dem Tode fürchten, in viehischem Trunk vor Euren Gott treten? An die Arbeit mit Euch, die Barkasse in See, /94/ und bei dem Himmel dort oben, der jetzt seine Schrecken über uns herabgießt, dem Ersten, der einen weiteren solchen Versuch macht, schlag' ich mit diesem Beil den Schädel ein, wie ich dem Faß den Boden ausgeschlagen habe. - In See mit dem Boot!"

      „Schade um den Rum!" brummte der Koch, der sich scheu vor der gehobenen Waffe hinter die Uebrigen zurückdrückte; aber die Besseren der Schaar sahen doch ein, daß der Capitain Recht hatte, und warfen sich, trotz der jetzt mit immer wilderer Wuth überschlagenden Wogen, in die Wanten hinauf, die Flaschenzüge oben an den Raaen zu befestigen und das Boot, das sie mit Armeskraft allein gar nicht hätten regieren können, empor zu heben und über zu lassen.

      Die Zwischendecks-Passagiere drängten indessen fast sämmtlich dem Quarterdeck zu, das gegen den Anprall der Wogen noch am meisten geschützt lag, und herzzerreißend war der Jammer, das Elend der Unglücklichen. Mütter schrieen nach ihren Kindern, Gatten nach ihren Weibern, und suchten die noch unter den Lebenden, die schon, von den wilden Sturzwellen erfaßt, über Bord in ihr Verderben gerissen waren. Gerade die Männer aber, die sonst mit keckem Wort die Gefahr herausgefordert, betrugen sich am muthlosesten, am verzagtesten von Allen. Der Lohgerber, ein großer, starker Mann, mit ein paar Fäusten wie ein Bär, lag, das Gangspill umklammernd, auf den Knieen und wimmerte zu Gott um Vergebung seiner Sünden und Rettung aus dieser Noth, und der Schneider hing mit beiden Armen in der Starbord- Besanwant und weinte und schluchzte wie ein Kind.

      Andere dagegen sahen dem Unvermeidlichen, das über sie hereinzubrechen drohte, mit stillem, entschlossenem Muth entgegen, und unter ihnen der Instrumentenmacher, der sein junges Weib und das zweijährige Kind fest umklammert hielt, sie gegen eine etwaige Sturzsee soviel als möglich zu schützen, während er der an seinem Halse weinenden Frau mit leiser Stimme Muth und Trost einsprach.

      Am wildesten geberdete sich einer der Kajüts-Passagiere - ein Kaufmann Wolf, der, in Unterkleidern aus der Kajüte gestürzt, in wirrer Todesangst kaum mehr wußte was er that. /95/

      Von einem Ende des Decks taumelte er schreiend zum andern, warf sich vor den Matrosen auf die Kniee und rief, er dürfe nicht sterben, er habe Geld, viel Geld, und sie sollten ihn retten - er würde sie reich, er würde sie steinreich machen. Die Seeleute stießen den Mann mit Ekel von sich, und winselnd lag er zuletzt lang ausgestreckt und mit dem Schwanken des Schiffs herüber und hinüber rollend auf dem Verdeck, kratzte sich die Nägel blutig an den Planken, raufte sich die Haare und fluchte und betete.

      Der Einzige von Allen, der kein Wort sprach, keinen Klageruf, keinen Fluch über die Lippen brachte, war Meier. So ängstlich und besorgt er gewesen, ehe das Unglück geschehen war, so ruhig betrug er sich jetzt und trat zwischen die Matrosen hinein, um die von dem Capitain gegebenen Befehle mit ausführen zu helfen. Er war auch der Erste, der nach oben lief, einen Block an der Raae zu befestigen, um die Barkasse überheben zu können, und wie das Tau hindurchgebracht und an Deck eingeholt war, stieg er wieder nieder, faßte es auf und sang vor, wie das an Bord Sitte ist, als ob gar nichts vorgefallen wäre und sie sich auf sicherem Schiff draußen in offener See, statt auf einem zertrümmerten, gestrandeten Wrack befänden.

      Sein Beispiel wirkte auch ermuthigend auf den Rest der Seeleute, die sich über ihren früheren Kleinmuth, wie daß sie jetzt ein Passagier beschämte, ärgerten, und unbekümmert um den heulenden Sturm, um die überstürzenden Seen, griffen sie wacker und unverdrossen zu.

      Das Aufwinden des Bootes brachte aber eine eigenthümliche Wirkung auf die Passagiere hervor. Da war Hoffnung; ein Mittel, eine Aussicht wurde ihnen geboten, das Land zu erreichen, die gefährdeten Planken, die in jedem Augenblick auseinander zu brechen drohten, zu verlassen, und ohne Verabredung, aber still und sicher, ja Jeder in der Angst, das ihm der Andere zuvorkommen könnte, drängten die Unglücklichen der Stelle zu, wo das Boot über Bord gelassen werden sollte. Nur einmal in dem kleinen Fahrzeug, und sie waren ihrer Meinung nach gerettet.

      „Ein Licht - dort ist


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