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Die Missionäre. Gerstäcker FriedrichЧитать онлайн книгу.

Die Missionäre - Gerstäcker Friedrich


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von ihnen hatten Söhne oder nahe Verwandte in Amerika, Andere trugen sich selber mit stillen Gedanken einer möglichen Auswanderung, wenn sie es auch noch gegen Niemanden eingestanden hatten. Sie wollten wenigstens einmal hören, wie es da drüben aussehe, und das konnte ihnen natürlich kein Mensch besser sagen, als ein solcher Mann, der /29/ lange selber in jenen Ländern gelebt und dann natürlich die Verhältnisse doch auch genau kannte.

      Sie zogen deshalb schaarenweise nach Rothenkirchen hinüber, und die ziemlich geräumige Kirche dort faßte kaum die Zahl der Zuhörer, die sich Kopf an Kopf in dem weiten Raum drängten.

      Und dahinein trat Johnson, in seinem schlichten schwarzen Rock, mit der hohen Stirn und den klugen Augen, die ganze Gestalt edel und von dem Gefühl getragen, ein Werk zu fördern, dem er sein ganzes Leben gewidmet, für das er Alles geopfert, was. er sein nannte. Konnte man es ihm gerade da verdenken, wenn er kleine, unbedeutende Opfer von Anderen forderte? Ja, konnte man solche Unterstützung selbst nur ein Opfer nennen?

      Als er mit seiner ruhigen, klangvollen Stimme, die den ganzen Raum vollständig ausfüllte, begann, herrschte Todtenstille in dem Gebäude. Er schilderte jene herrliche Welt der Südsee, jene stillen, von Korallenriffen umgürteten, von brandenden Wogen umschäumten Palmenhaine und Fruchtgärten, jenes blaue Meer und die mächtigen, bewaldeten Kuppen der Berge - ein Paradies auf Erden, aber mit der Hölle in ihrem Herzen und der Fluch blinden Heidenthums schwer und verderblich auf dem Paradiese lastend.

      Er beschrieb mit grellen, furchtbaren Farben die Menschenopfer, die man hölzernen Götzen schlachtete; er schilderte mit einer Wahrheit, die seine Zuhörer schaudern machte, die Kindes- morde, die von unnatürlichen Müttern verübt wurden, weil das heidnische Gesetz sie dazu zwang. Er sprach von den Tausenden und Tausenden unschuldiger Kinderseelen, die dort selbst jetzt noch in jenen unheilvollen Gebräuchen auferzogen würden,und selbst jetzt noch gerettet werden könnten, wenn eben christliche Prediger ihre Pflicht erfüllten und den Heiden das wahre Wort brächten. Und nun ging er auf die Missionen über, auf den kühnen Muth, mit dem sie in ein fernes, unbekanntes Meer, zwischen wilde, kriegerische, grausame Volksstämme ausgezogen wären, um nach des Heilands Vorschriften seine Lehre zu verkündigen. Mit welchen Gefahren und Entbehrungen sie dort zu kämpfen gehabt, wie sie oft allein, nur unter dem Schutz des Höchsten, dagestanden hätten zwischen /30/ erhobenen Opferbeilen und geschwungenen Keulen; wie Viele dabei auch den fremden Boden, dem sie ja nur den Frieden und das Heil bringen wollten, mit ihrem Blute gedüngt hätten. Ja selbst zu Opfern waren sie selber verwendet und ihre zerstückten Glieder von den Kannibalen gebraten und verzehrt worden. Aber dennoch folgten ihnen Andere; keine Schrecken konnten sie zurückhalten. Muthig gingen sie Allem entgegen, und wie die Wahrheit überall doch zuletzt siegen muß, so ruhten sie auch nicht eher, bis sie selbst auf jenem Boden Wurzel faßten.

      Nun ging er zu der Wirksamkeit der Missionäre über, wie sie nach und nach doch einen kleinen Theil der Wilden ihrem Glauben gewonnen und mit deren Hülfe sich weiter auszubreiten suchten; wie sie Kirchen bauten und Schulen errichteten, wie sie den Insulanern nützliche Gewerbe lehrten und die Thaten des Friedens verbreiteten. Aber ihre Kämpfe waren deshalb noch lange nicht vorüber. Feindliche und heidnische Horden, in der wahnsinnigen Meinung, ihre gestürzten Götzen zu rächen, überfielen die jetzt wehrlosen christlichen Stämme, so daß diese in ihrer Verzweiflung, und nur um ihr Leben und das ihrer Familien zu retten, zu den Waffen greifen mußten - aber die Wahrheit siegte dennoch. Der Glaube hatte Wurzeln gefaßt auf den Inseln und konnte nicht wieder ausgerottet werden, und jetzt lag es an Europa, an der alten Welt, die neue in ihren Bemühungen zu unterstützen und da nur hülfreich die Hand zu reichen, wo kühne und fromme Männer schon Leib und Leben gewagt hatten, um ihr schönes Ziel zu erreichen.

      Von jetzt ab schilderte er nur die stille Thätigkeit in den kleinen, von den Missionären angelegten Colonien, ihren Fleiß und ihr Streben, aber auch den Mangel, dem die Eingeborenen anheimgegeben wären. Auf nichts waren sie ja vorbereitet, um jetzt auf einmal in ein gesittetes Leben überzutreten. Ihre Tracht stand im Widerspruch mit den Gesetzen der Sittlichkeit; Kenntnisse besaßen sie gar keine; wie Kinder mußten sie herangezogen und gekleidet werden, wie hülflose Kinder, die sie, wenn auch nicht an Körper, doch sicher an Geist waren. Aber lernbegierig hatten sie sich gezeigt, und bei der Masse /31/ der Zuströmenden, die Belehrung verlangten, fehlte es noch immer an Lehrern, besonders an Lehrerinnen; waren ja doch auch fast nur junge Missionäre all' diesen Gefahren begegnet, da sie, wenn sie auch ihr eigenes Leben nicht achten wollten, doch nicht wagen durften, mit Frauen und Kindern in ein Land zu ziehen, wo jede Nacht das Schlachtgeheul der Wilden ihre Hütte umtoben und seine Opfer fordern konnte. Um aber Lehrer und Lehrerinnen dort hinüber zu senden, brauchte man Geld, denn diese mußten auch mit allem Nöthigen ausgestattet werden. Selbst das kleinste Scherflein war deshalb willkommen, und wo Einzelne nicht im Stande seien, wirklich baares Geld zu missen, da erbot sich die Missionsgesellschaft, auch andere Liebesgaben zu übernehmen und sicher an den Ort ihrer Bestimmung zu befördern. Wenn noch irgend Jemand nähere Auskunft über die Art dieser Sammlungen haben wolle, so sei er selber gern erbötig, sie ihnen heute Nachmittag in Rothenkirchen zu geben.

      Der Schluß der Predigt klang, gegen den glühenden Anfang und die begeisterte Schilderung der dortigen Zustände, da er fast nur von Geschäftssachen handelte, ein wenig nüchtern; aber es ließ sich das auch eben nicht vermeiden. Er konnte ja das nicht unerwähnt lassen, was der Hauptzweck seiner ganzen Reise und Wanderung war: Propaganda für die Mission zu machen und ihre Zwecke durch Sammlungen zu fördern.

      Wenn sich nun Johnson auch nicht gerade rühmen durfte, auf die Männer, die noch dazu größtentheils einen andern Inhalt der Predigt erwartet hatten, einen besonders tiefen Eindruck hervorgebracht zu haben, so war das dafür um so entschiedener mit den Frauen der Fall, die bei der ganzen Rede fast zu Thränen zerflossen und mit oft peinlicher Spannung gerade den Schilderungen folgten, die über das Familenleben der Indianer, über die armen und nur zu oft hingemordeten Kinder handelten. Ihre weichen Herzen faßten das Schreckliche solcher Zustände nicht allein auf das Lebendigste auf, sondern malten es sich auch vielleicht noch in übergrellen Farben aus, und oh wie gern hätten sie da geholfen, wenn es nur in ihrer Macht gestanden! Aber was sie thun konnten, /32/ - dazu waren sie fest entschlossen – wollten sie auch sicher thun, und als die Predigt zu Ende war, sammelten sich die Frauen (während die Männer in die Taschen griffen und manchen harten Thaler in das für die Mission ausgestellte Becken warfen) vor der Kirche auf dem freien Plan und besprachen in lebendigen Gruppen das eben Gehörte, ja warteten ungeduldig auf den Moment, wo sie den fremden Geistlichen sprechen und seinen Rath hören konnten, wie sie es am besten anfangen sollten, seinen Wunsch zu erfüllen und sich an der Mission zu betheiligen.

      In dem besonders abgetheilten „Stuhl“ in der Kirche – ein großer, logenartiger Raum, in welchem wohl zehn Personen Platz fanden und der nach Schloß Schölfenstein gehörte – hätte sich denn auch die Freiherrlich Schölfe’sche Familie eingefunden. Selbst Franz war mitgekommen, um den berühmten Missionsprediger zu hören, dessen Lob schon in den verschiedenen Zeitungen gestanden und von dessen Tüchtigkeit er sich selber gern überzeugen wollte. Und selbst Franz war von der Beredsamkeit des Mannes hingerissen worden, denn er schilderte wirklich mit einer Lebendigkeit, die das, wovon er sprach, wie vor den Augen der Hörer heraufzauberte.

      Als sie aus der Kirche traten, kam Johnson auf sie zu und bat sie, ihn heute zu entschuldigen, wenn er nicht oben beim Diner erschiene. Er habe jetzt so viel hier unten zu thun, so viel Fragen von oft weit hergekommenen Leuten zu beantworten, daß er nicht gut abkommen könne.

      Er mischte sich dann auch augenblicklich unter die Leute, die ihn von allen Seiten umdrängten, und freundlich mit ihnen redend, schritt er langsam dabei der großen Linde zu, unter welcher er den Sammelplatz bestimmt hatte.

      „Hör einmal, Berchta“, sagte Franz, als sie zusammen den Schloßberg hinaufschritten und er dabei der Base den Arm gereicht hatte, „weißt Du wohl, daß ich sehr froh darüber bin, daß Selma heute Morgen nicht bei uns war und die Predigt mit angehört hat?“

      „Und weshalb, Franz?“ fragte das junge Mädchen, indem sie ihre Augen voll zu ihm aufschlug. Berchta war über-/33/haupt sehr still geworden und schritt, eine lange Strecke sinnend und ihren eigenen Gedanken nachhängend, neben Franz her.

      „Das


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