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Walther Rathenau - Leben und Werk - Band 126 in der gelben Reihe bei Jürgen Ruiszkowski. Harry KesslerЧитать онлайн книгу.

Walther Rathenau - Leben und Werk - Band 126 in der gelben Reihe bei Jürgen Ruiszkowski - Harry  Kessler


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      Der Autor

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      Harry Graf Kessler

      Harry Clemens Ulrich Graf Kessler wurde am 23. Mai 1868 in Paris geboren und starb am 30. November 1937 in Lyon. Er war deutscher Kunstsammler, Museumsdirektor, Mäzen, Essayist, Literat, Publizist, Politiker, Diplomat und Pazifist.

      Harry Kessler war der Sohn des Hamburger Bankiers Adolf Wilhelm Kessler und der Irin Alice Harriet Blosse-Lynch. Kessler wuchs in Frankreich, England und in Deutschland auf. Er war in mehreren Kulturen erzogen worden, unternahm zahlreiche Reisen, war als Diplomat im Ausland tätig. Er selbst betrachtete sich auch zeit seines Lebens als Angehöriger einer europäischen Gesellschaft.

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      Vater und Sohn – Eltern – Großeltern

       Vater und Sohn – Eltern – Großeltern

      Walther Rathenau war in der Chausseestraße geboren, im Berliner Norden, mitten im Arbeiterviertel.

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       Emil und Mathilde Rathenau

       Sein Vater, Emil Rathenau, ebenfalls geborener Berliner, hatte dort nach einer Lehrzeit als Ingenieur in Schlesien, als Beamter in Berlin bei Borsig und als Volontär in England, für 75.000 Taler eine Eisengießerei gekauft, die er mit einem mitbeteiligten Freund selbst betrieb. Die Fabrik war zunächst klein, und die beiden Gesellschafter hatten wenig Kapital. Doch Emil Rathenau stammte von wohlhabenden Eltern. Sein Vater, ebenfalls Geschäftsmann, hatte sich schon in jungen Jahren, bald nach Emil Rathenaus Geburt 1838, vom „Geschäft“ zurückgezogen. „Er war“, wie dieser in einem hinterlassenen selbstbiographischen Fragment sagt, „streng und gewissenhaft und führte eine korrekte Ehe mit der klugen und geistreichen Mutter, die Ehrgeiz besaß und Eleganz in ihrer Erscheinung bis an ihr spätes Lebensende zu bewahren die Schwäche hatte.“ Elegant in diesem Sinne war auch die Haushaltung der beiden Eltern Emil Rathenaus, die den Mittelpunkt einer regen Geselligkeit schon im vormärzlichen Berlin bildeten, zunächst in ihrer Wohnung am Monbijouplatz, einem damals noch vornehmen Wohnviertel, und nachher, bis an ihr Lebensende, in ihrem Hause Viktoriastraße 3, das später auch Emil und Walther Rathenau bewohnt haben. Frau Rathenau, geborene Liebermann, die von einer negerhaften Hässlichkeit war, ging ganz im Gesellschaftlichen auf, lebte bis Mitte der neunziger Jahre und hinterließ ihren Kindern bei ihrem Tode als einziges Vermächtnis einen Tischkasten voll unbezahlter Rechnungen. Emil Rathenau berichtet, dass, „weil das gesellige und gesellschaftliche Leben ihnen die Muße nicht ließ“ die Eltern die Sorge für seine Erziehung und die seiner beiden Brüder der Schule und Privatlehrern anvertrauten. Dass das bei dem „wilden“ Temperament der Knaben zu Unzuträglichkeiten führte, wird belegt durch die Tatsache, dass sie von der Schule relegiert wurden, weil sie den Unterricht durch Schleudern von Knallerbsen störten. Weit abseits von solcher Rohheit war die Atmosphäre ihres Elternhauses. Hier herrschte in einer betriebsamen Geselligkeit der Ton der etwas superklugen, nicht ganz selbstverständlichen Bildung der Berliner guten jüdischen Gesellschaft der Heine-Zeit, die ein mystischer Abgrund von der Sonne der noch einfachen, patriarchalischen, aber völlig unzugänglichen Hofgesellschaft trennte – durch deren Zirkel aber zwischen frostigen Rosshaarmöbeln von Schinkel und Abgüssen nach Schadow wie feurige Kometen Rahel und Varnhagen, Lassalle und Helene von Dönniges, Bettina von Arnim und der junge Liszt zogen. Frostig, aber romantisch war die Note dieses bürgerlichen Altberlin. Walther Rathenau selbst berichtet über seine Vorfahren: „Meine vier Urgroßväter waren angesehen, zwei waren reich, der eine als Bankier eines kleinen Fürsten, der andere als preußischer Industrieller, zwei waren arm. Beide Großväter verloren ihr Vermögen, der eine beim Brande von Hamburg, der andere beim Ausbruch des Siebziger Krieges.“ Der eine von den beiden, Liebermann, der Großvater auch von Max Liebermann, war nicht ohne Selbstbewusstsein. Da er während der Kontinentalsperre den Kattundruck mit Maschinenbetrieb, der bis dahin englisches Monopol gewesen war, in Preußen eingeführt hatte, antwortete er bei der Vorstellung dem König Friedrich Wilhelm III. auf dessen Frage „welcher Liebermann?“ „Der Liebermann, der die Engländer vom Kontinent vertrieben hat.“

       Einen selbst für ein kleines Kind fühlbaren Kontrast zu der Welt der Bildung und Geselligkeit im Neuen Westen, wo die elegante Großmutter Hof hielt, bildete Walthers Elternhaus in der Chausseestraße. Für Emil Rathenau war, wie wir eben gesehen haben, Eleganz „eine Schwäche“. „Die Fabrik in der Chausseestraße war“, wie er in seiner Selbstbiographie berichtet, „sehr klein und beschäftigte höchstens 40 bis 50 Mann mit dem Bau von Dampfmaschinen und Einrichtungen für Gas- und Wasserwerke. Daneben führte sie sämtliche Apparate, die die Königlichen Theater brauchten, für diese aus ... Der wichtigste Gegenstand bei meinem Eintritt war die Herstellung des Schiffes für die Meyerbeersche Oper „Die Afrikanerin“, das für das Königliche Opernhaus in Ausführung sich befand ... Aus einem früheren Vergnügungslokal, „Bellavista“ war ein hübsches Wohnhaus mit Vorgarten stehen geblieben, das sich durch schmuckes Äußeres hervortat. Hinter diesem lag die Fabrik in dem früheren Tanzsaal, der sich mit einem Seitenflügel an das Wohnhaus anschloss. Dampfkessel, wie sie unter bewohnten Räumen in jener Zeit zulässig waren, und eine mittelgroße entsprechende Dampfmaschine trieben vermittels Wellentransmissionen die einfachen Werkzeugmaschinen, wie sie Chemnitzer und Berliner Fabriken herstellten.“ In den Räumlichkeiten über diesen ratternden Transmissionen wurde Walther Rathenau am 29. September 1867 geboren, in ihnen verbrachte er seine Kindheit und erste Jugend. Von dieser ersten Umgebung erzählt er in seiner Apologie: „Seit mehr als hundert Jahren lebten meine väterlichen Vorfahren in Berlin, und im Hause meiner Kindheit waren die Überlieferungen der märzlichen Preußenzeit lebendig, so wie sie mein Vater in seinen knappen Aufzeichnungen schildert. Das Haus lag aber nicht im damals stillen Westen, den man Geheimratsviertel nannte, sondern in der Arbeitergegend des Nordens, in der Chausseestraße. Und hinter dem Hause, längs des Kirchhofs, lagen zwischen alten Bäumen die Werkstatt, die kleine Montagehalle, die Gießerei und die dröhnende Kesselschmiede. Das war die Maschinenfabrik meines Vaters und seines Freundes, und die Arbeiter und Meister vom berühmten Schlage der alten Berliner Maschinenbauer waren freundlich zu dem kleinen Jungen, der sich unter ihnen herumtrieb, und erklärten ihm manches Werkzeug und Werkstück.“

      Die beiden Schauplätze von Walther Rathenaus Kindheit treten in den eben angeführten Erinnerungen deutlich hervor. Bei den Großeltern am Tiergarten der letzte Abglanz des alten, klassischen und romantischen, ganz auf „Welt“ und Bildung eingestellten Deutschlands der Goethe-Zeit; beim Vater in der Chausseestraße die kleinen Anfänge des neuen, vom Siegesrausch von Düppel, Königgrätz und Sedan emporgetragenen, auf Technik und Macht eingestellten, Bildung und Kunst als Nebensachen – und nicht einmal reizvolle Nebensachen – betrachtenden Deutschlands der Bismarck- und Krupp-Zeit. Charakteristisch ist die Äußerung von Emil Rathenau in Bezug auf die Apparate, die er für die Königlichen Theater herstellte: „Mein Interesse für diese Arbeiten war gering. Weder die Bühne noch die Balletteusen, für deren Gruppendarstellungen schmiedeeiserne Konstruktionen dienten, übten eine Anziehungskraft auf mich aus, und Sorgen um die Förderung des Unternehmens, in dem zumeist fremde Mittel angelegt waren, nahmen mich in Anspruch.“

       In der Tat, Emil Rathenau, einer von den Bahnbrechern und Organisatoren des neuen großindustriellen Deutschlands, gehörte nach Geist und Charakter zu einer anderen Welt als der seiner Eltern im Professorenviertel am Tiergarten. Und da er nicht nur ein großer Techniker und Wirtschaftsmann gewesen ist, sondern auch entscheidenden Einfluss auf die Persönlichkeit seines Sohnes geübt hat, muss hier kurz bei ihm verweilt werden.

      Sein Bild tritt aus der Monographie, die ihm sein langjähriger Vertrauter, Professor Riedler, gewidmet hat, und aus zahlreichen Äußerungen seines Sohnes lebendig hervor. Es sind die Züge eines genialen, doch im Verkehr sprunghaften und schwierigen, rücksichtslos einseitigen Menschen. „Er war gegen sich und andere hart“, schreibt sein Sohn, „und dennoch gut, rein und


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