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Die Tote. Heinrich MannЧитать онлайн книгу.

Die Tote - Heinrich Mann


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Augen zufielen. Er wartete darauf, wie auf das Zeichen, daß sie ihn ganz in Besitz nehme und ihm verbiete, noch fortzugehen, noch Schmerzen oder Genugtuungen zu suchen, die nicht von ihr kämen . . . Und eines Morgens beim Erwachen sah sie ihn an. Sie schien erwacht mit ihm.

      Da verließ er nicht mehr das Haus und den Garten. Die ersten Wochen ihres Zusammenlebens waren einst hier vergangen; — und die alten Stunden teilten ihm jetzt nachträglich mehr mit, als sie damals konnten. Unter den Augen der Toten hatten sie sich angefüllt mit Reiz, Süßigkeit und Kraft. Ja, in ihr Gesicht auch, in die vielsagende Hand am Vorhang schien eine neue Unruhe zu kommen: als wollte sie reden, als drängte sie zu ihm. In solchen Minuten wendete er sich ab, um das Geschehen des Rätselhaften nicht zu stören; — und kam er zurück, lag unter ihren Briefen ein neuer, einige Zeilen auf einem Blatt, das früher halb unbeschrieben war, oder ein Zettel, der herausfiel aus einem unscheinbaren Versteck. Das Erste, was er fand, fügte sich ein in ihre alten Äußerungen; noch vor kurzem würde Cromer geglaubt haben, es sei ihm solange einfach entgangen. Er glaubte es nicht mehr; jedesmal deutlicher sagte sie ihm Dinge, die sie früher verschwiegen hatte. Ihre wahre Natur, immer verkannt von ihm, eröffnete sie ihm nun, den Überdruß am Weltlichen, am Ruhm, an den kaltherzigen Erregungen, und ihre Sehnsucht nach Zärtlichkeit, die sich bekennt, nach Hingabe ohne Zurücknahme. Er las Sätze ihres Tonfalls und Wesens, unverkennbar, und doch vom Klang des Unwirklichen, längst Entrückten. Sie erwähnte die letzten Wirren ihres Lebens, aber von fern und nachträglich. Jener Mensch, der damals die Hand nach ihr ausgestreckt hatte, sie wußte jetzt, wozu sie ihm gefolgt war. »Es sollte zu Dir führen, Lieber. Er war nicht als ein Gleichnis der Macht, die mich und Dich überschattete, und die wir nicht anerkennen wollten. Ich bin überzeugt worden, Du weißt es, wie grausam; und Du? . . .« An dieser Stelle las er nicht weiter, trat vor sie hin und antwortete ihr. Das Winken ihrer Augen vor dem geschlossenen Vorhang ward dringlicher, sie sagte: »Gib dich hin! Glaube! Sei gewärtig, daß ich komme und endlich dein sei!« »Komm!« rief er.

      Mit der Ermüdung ergriff ihn wohl die Besinnung. »Was tue ich! Ich weiß, daß ich betrogen werde, — und ich selbst helfe dazu! Ach, mein Bedürfnis zu lieben, ist schon größer als das, die Wahrheit zu sagen. Diese Briefe sind untergeschoben von einem Schwindler, es steht zu vermuten, von welchem. Hier spricht er von sich, er droht. »Wenn er Dir begegnen würde, Du könntest noch tausendmal besser als ich verstehen, daß er Dich betrügt, und würdest doch nicht wollen, daß es aufhört. Er ist um Dich her, täuscht Dir Erscheinungen vor, fälscht Deine Eindrücke und Gedanken, wacht über Dir, lenkt Dich und weiß allein wohin. Aber überraschtest Du ihn selbst in dem Augenblick, wo er Dir eine neue Falle legt, Du hättest doch nicht den Mut, ihn zu entlarven.« . . . »Welche Herausforderung!« sagte Cromer laut. »Wie er seiner Sache gewiß sein muß! Er weiß wohl, ich werde seine gefälschten Briefe weder einem Sachverständigen noch dem Untersuchungsrichter bringen. Ich werde das Zimmer meines Dieners, der für ihn arbeitet, nicht durchsuchen lassen, werde mich gar nicht wehren, ihm nie in den Weg treten. Denn was wäre mir seine Entlarvung? Eine Befreiung? Leider nichts weniger als das. Oder ein Beweis? Daß er betrügt, beweist nichts gegen das Mysterium, auf das er sich beruft. Ich war ein zu sauberer Geist, ohne Falsch, und darum ohne Verzücktheit. Das Mysterium ergibt sich wohl in den Scharlatanen, die es ausnützen, aber empfinden. Mir bleibt nur übrig, dem Scharlatan zu folgen, wie sie selbst ihm gefolgt ist, — wenn ich denn reif bin für das, was er verspricht. Die Liebe einer Toten: wäre es denn das Äußerste? Das Wunder der Ankunft aus der Ewigkeit, des Sichfindens, Einswerdens und nicht mehr Zweifelns — wie? Sollte alles dies Unmögliche den Toten möglicher sein als den Lebenden? Sie komme, ich bin bereit.« Und wieder unter ihrem Bild: »Ich liebe dich, Lida, so sehr, daß du wahrhaftig wiederkehren solltest. Ich würde es dir glauben — und auch nicht glauben. Sieh! ich küsse dein Haar, und weiß doch, es ist gar nicht deins. Wenn es noch von deinem Nacken hinge und dein Atem noch warm wäre, würde ich dich wohl wieder sterben lassen, wie das erste Mal. Diese Sehnsucht ist ungeheuerlich, sie ist verworfen und lächerlich . . .« Er stieß einen Schrei aus; hinter dem Rahmen des Bildes hervor glitt ein Papier; in ihren Schriftzügen las er: »Niemals habe ich Dich betrogen.« Und er, der ihr Geständnis empfangen und ihren Tod gebilligt hatte, sagte: »Ich glaube dir! Verzeihe mir!«

      Er wartete, damit zwischen ihm und ihr der weite Raum geringer werde. Auch empfing er Zeichen, als sei sie schon nahe. »Halte Dich fertig, mit mir zu kommen; ich darf nicht bleiben.« Mit ihr? Wohin? Was näher kam in Wirklichkeit, war also der Schlußakt des Betruges, der ihn umkreiste, — und schloß der Plan mit seinem Tode? »Muß ich nun doch, mehr als ich möchte, auf meiner Hut sein? . . . Ich hoffe es nicht. Ich und der unbekannte Andere, wir haben viel seelische Kraft aneinander gewendet; ich bin sicher, er würde so ungern einen Revolver auf mich abdrücken wie ich auf ihn.« Übrigens war schon der nächste Brief deutlicher: »Bereite alles vor. Wir werden lange und weit fort sein; Du kannst nicht verstehen, wie weit und wie lange. Nimm mit, was wir brauchen.« Er nickte; man deckte das Spiel auf. Er sollte bestohlen werden, im großen Stil, wie es schien, aber doch nur bestohlen . . . An diesem Abend saß er ihr gegenüber und dachte: »Nun hast du den Vorhang fast schon gehoben. Eine letzte Anstrengung! . . . Denn sieh, dir glaub ich, unbeschadet dessen, daß ich das Spiel des anderen durchschaue.« Cromer lachte leise. »Er, der Ärmste, durchschaut mich keineswegs. Nur du hast schon längst begriffen, daß man glauben, den Abenteuern des Glaubens sich ergeben und doch klarsichtig bleiben kann; lieben, sehr lieben, und dabei noch wissen . . . Was ich morgen in der Stadt vorhabe, würde dich laut auflachen lassen — und nur dich!« Dabei lauschte er auf ein noch gedämpftes Lachen, das stolz, leichtsinnig und nach geheimer Trauer klang.

      In der Stadt blieb er einige Tage. Als er eines Abends heimkehrte, fuhr soeben durch das stille Welken des Sommers der erste Sturm. Die Blätter des Gartens sausten um ihn her, am Haus schlugen die Läden, Türen öffneten sich, und dahinter das Dunkel leuchtete manchmal fahl auf vom letzten Licht der fliegenden Wolken. Plötzlich stand vor ihm der Diener Philipp, weiß im Gesicht, so fassungslos, daß er es vergaß, seinen Eifer zu bekunden. Cromer beruhigte den jungen Menschen über die Gefahren einer Nacht wie diese und ging in sein Zimmer. Er machte Licht, legte ab — da hielt er ein: sie folgte ihm mit den Augen! Ihr Bild bewegte die Augen, ihre graublauen Augen, die sachlich blickten und doch voll Spiegelungen schönerer Himmel waren. Nie vergessen, da strahlten sie wieder; sie war da! Ein langer Schauer durchlief Cromer mehrmals. Der Betrug vollendete sich, dieser ungeheuerliche Selbstbetrug, der die tiefste Wahrheit seines Lebens war. Ohne ihre Augen loszulassen, mit befangenen Gebärden, nahm er aus seinem Rock die Brieftasche, öffnete sie, breitere die Wertpapiere, eigens mitgebracht, auf den Tisch, zählte sie den Augen vor, die allem folgten. Eine Minute stand er noch, atmete schwer und hielt angstvoll den Blick erhoben. Die Augen dort oben schlossen sich gewährend: und Leo Cromer ging leicht schwankend aus der Tür. Mit verhaltener Hast tastete er sich im Dunkeln zur Schwelle des Nebenzimmers, des Zimmers der Toten. Ein Lichtschein fiel heraus. Cromer zögerte lange, dann öffnete er wie im Traum. Da lag nun ihr Zimmer; selten seit ihrem Verschwinden und nur leichthin hatte er es betreten. Er hätte nicht gedacht, daß es aussähe, als habe sie es auf Augenblicke verlassen; das Licht brannte, gleich mußte sie zurück sein. Ihr Schritt? Nein, noch nicht; nur sein Herz fühlte er gehen. Die alten, leichten Tafeln von Rosenholz, deren zerbrechliche Schnitzereien diese Wände überzogen, nachdem sie hundert Jahre lang in einem unbekannten Haus ihre Glätte verloren hatten, sie bebten noch wie sonst bei jedem Windstoß, wie Kulissen, aufgestellt um die schöne, erfahrene Spielerin, die hier zu Gast war. Ein stärkerer Schlag des Sturmes, ein Ächzen im Holz — und ein aufgestörter Duft. Ihr Duft! Ihr Fächerschlag! Die Sinne so sehr gespannt, daß er zu schweben meinte, hörte Cromer dicht hinter der dünnen Wand das Rauschen ihres Kleides. Er wollte rufen; da ging das Licht aus — und mitten im schwarzen Sausen des Wetters unterschied er das trockene Klappen der Tür, der schwanken Kulissentür, durch die sie eintrat. Sie war im Zimmer.

      »Lida?« sagte er stimmlos, einen Arm ausgestreckt in das Unsichtbare. Und auch die Antwort kam geflüstert, wie aus einer tief erschütterten Brust.

      »Leo.«

      »Endlich«, sagte er. »Du bist zurück. Ich wäre sonst auch gestorben, wie du.«

      Da ward ihre Stimme vernehmbar, ja, ihre klare und süße Stimme hörte er wieder. »Lieber«, sagte sie, »ich war nicht tot. Nur wer nicht geliebt hat, stirbt.«


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