Reisen Band 2. Gerstäcker FriedrichЧитать онлайн книгу.
fliegt, und weshalb nicht die fliegende benutzen, noch dazu unter solchem Himmel? Darin sind aber auch die Indianer mit ihren neuen Herren vollkommen einverstanden, und die frommen Väter der protestantischen Mission mögen eifern und predigen so viel sie wollen gegen das Sabbathbrechen der Militärmusik zum Beispiel - geistliche Lieder ausgenommen -, die Franzosen und Indianer nehmen eben geistliche Lieder aus, und sind lästerlicher Weise auch in ihrem Gott vergnügt, während Walzer, Polkas und Märsche von einem tüchtigen Musikchor gespielt werden.
Wir konnten uns jetzt aber nicht so lange hier aufhalten. - An der Kirche der Eingeborenen vorüber, deren Glocke in einem stattlichen Orangenbusch dicht am Strande hing , passierten wir der Missionare Mr. Pritchard's und ich glaube auch Mr. Howe's schon ältere, stattliche Wohngebäude, an denen man recht sehen konnte, wie sauer es den armen Männern geworden sein muß, unter Strapazen und Entbehrungen auf dieser wunderschönen Insel auszuharren, und ließen so die Stadt mit ihren Bananen- und Brodfruchtgärten hinter uns, die einzelnen kleinen indianischen Wohnstellen jetzt betretend. /16/ Dicht am Strand, von hohen Bäumen überragt, aber auf dürrem, steinigem Boden, und mit der Aussicht zwischen den Stämmen und unter dem Laubdach hin nach der reizenden kleinen Insel Motuuta, dem eigentlichen königlichen Stammsitz der Pomares, stand eine der langen gewöhnlichen Bambushütten, in denen größere indianische Familien, zwei und drei zusammen gewöhnlich, ihren Aufenthalt haben - und hier residierte jetzt die Königin der Gesellschaftsinscln - hier wohnte Äimata - von den Pomaren die vierte1 - (Enkelin des ersten Pomare und Schwester des verstorbenen Königs), und als ich mich dem Hause näherte, fühlte ich ordentlich, daß ich classischen Boden betrat.
Es war gegen Abend, und einer der jungen Prinzen saß vor der Tür auf einem Stein und verzehrte seine Brodfrucht und rohen Fisch. Pomare's Tochter, ein junges Mädchen von etwa zwölf Jahren und die Zwillingsschwester des ältesten Sohnes, kam uns entgegen und betrachtete sehr neugierig das Instrument.
Die königliche Familie war gerade beim Souper, und wir lagerten uns indessen draußen unter dem Hofstaat zwischen den Steinen, und einige der Kammerherren und Hoffräulein, die „Einaas" des Mahora von Tahiti, mit Ihro Königl. Hoheit der jungen Prinzeß setzten sich dicht um uns her aus die Steine nieder und verlangten ziemlich bestimmt, die Musik zu hören. Allerdings setzten sie dabei jede Etikette hintan, nach der II. MM. (ich finde, die europäische Verdoppelung der Silben oder Buchstaben hat auch noch außerdem viel /17/ Ähnlichkeit mit dem Tahitischen) doch jedenfalls zuerst mussten etwas vorgespielt bekommen.
Die älteste Prinzeß waren ein wildes kleines Ding, sprangen nach Herzenslust um uns herum, schon im Voraus nach den in Gedanken heraufbeschworenen Tönen tanzend, und kauten indessen mit höchsteigenen Zähnen ein Stück geröstete Brodfrucht (es ist doch etwas Schönes um die Biegsamkeit unserer deutschen Sprache), und die Einaas prüften die Saiten, ließen ihre kleinen niedlichen Finger darüber hinstreichen und freuten sich kindisch, wenn sie das Wiederklingen hörten.
Endlich schien das Souper beendigt, der jüngste Prinz kam wenigstens in die Thür gesprungen, und gab uns ein Zeichen, näher zu treten. Der innere Raum des Hauses war in drei Abteilungen geschieden, entsprach aber sonst in seiner Einfachheit vollkommen den einfachsten Hütten der übrigen Eingeborenen. - Das erste dieser Zimmer - wenn ich Wände von Bambusstäben und den nackten Fußboden eben so nennen darf - schien zur Vorhalle wie zugleich zum Schlafcabinet der Einaas oder Hoffräulein zu dienen, das zweite den Kindern zugeheilt zu sein, und das dritte - das inwendig einfach mit Kattunvorhängen versehen war, um das königliche Paar den Blicken der Untertanen zu entziehen - diente der Königin und ihrem Gemahl zum Aufenthalt. Im zweiten blieben wir einen Augenblick, und der jüngste kleine Bursch, ein Lockenkopf von neun oder zehn Jahren, sprang voran, um uns zu melden; wenige Secunden später standen wir in Gegenwart der Königin. - Pomare saß hier allein auf einer Matte und nähte an einem Kleid - unser Gruß lautete: Joranna, Pomare! - und sie winkte uns freundlich, vor ihr niederzusetzen.
Mein Begleiter nahm dann das Wort und erzählte ihr, ich sei hier zu ihr gekommen, nicht gerade ganz direkt von Deutschland, aber doch von Califoli dem Lande, wo das viele Perù gefunden würde (und sie sah dabei eigentlich zum ersten Mal ordentlich von ihrer Arbeit auf; da ich ihr aber nicht wie Einer vorkommen mochte, der das viele Peru gefunden hätte, fuhr sie wieder zu nähen fort, bis die Rede auf das /18/ Instrument kam), um ihr diese neue deutsche Musik zu zeigen, die sie noch nicht kenne, und er hoffe, daß cs ihr gefallen würde. Ich stand dann auf und reichte ihr das Instrument, damit sie es in der Nähe genau besehen könne. Sie betrachtete es auch aufmerksam, aber mit weit weniger Neugierde, als ich erwartet hatte, und das, was ihr am meisten daran aufzufallen schien, war der oben als Knauf geschnitzte Bärenkopf.
Die Hofherren und Damen klemmten indessen draußen ihre Nase zwischen die Bambusstäbe der Hütte, um zu sehen, was inwendig vorging, und als ich ein paar Accorde auf dem Instrument griff, schienen sie die Bambuswand eindrücken zu wollen. Pomare lächelte, und sich wieder zu meinem Dolmetscher wendend, sagte sie ihm, ich möchte draußen im Freien spielen, daß ihre Leute es ebenfalls hören könnten, sie wolle zu uns hinauskommen.
Natürlich leisteten wir ihrem Wunsch augenblicklich Folge, und ich suchte mir jetzt vor dem Hause einen passenden Stein zum Niedersitzen, während die Schar draußen, die uns schon mit Ungeduld erwartet hatte, sich rasch um uns her lagerte. Die kleine Prinzeß lehnte sich mir höchsteigenarmig auf die Schulter, um ja keinen Ton der „deutschen Musik" zu verlieren, und die Königin setzte sich auf die Schwelle ihres Hauses, mir gerade gegenüber.
Hier muß ich die Königin Pomare gegen all' die vielen übertriebenen und lügenhaften Beschreibungen in Schutz nehmen, nach denen sie, bei einer ungeheuren Dicke, sich nach Tisch, um besser zu verdauen, von ihren Hofdamen walken lasse usw. Erstens leben alle diese Indianer sehr mäßig und essen wenig, also auch die Königin, und dann ist Pomare nicht allein nicht übertrieben, sondern gar nicht was man dick nennen kann. Sie hat eine nicht gerade schlanke, aber doch wohlproportionierte Gestalt, ist von mittler Größe, mit einem weit ernsteren und auch wohl etwas stolzeren Wesens, als es die Kanakafrauen sonst haben, was ihr aber ganz gut steht. Sie ist aus dem jugendlichen Alter heraus, hat aber doch noch immer viel Frische bewahrt, und ihr Anstand ist edel und frei - ihre Tracht dabei aber auch so einfach, wie die /19/ aller übrigen Kanakafrauen, von denen man sie, dem Äußern nach, nicht unterscheideu könnte. Sie trug an diesem Tag ein rotmusselinenes Kleid, das ihr, nach dem Schnitt der übrigen, von den Schultern bis aus die Knöchel herunterfiel, ein kleines Tuch um den Hals und einen Männerstrohhut - eine ziemlich allgemeine Sitte unter den Frauen; auch ging sie wie alle anderen Indianerinnen barfuß.
Während wir alle mitsammen vor der Tür saßen, kam auch ihr Gemahl herbei. Er war augenscheinlich jünger als Pomare und ein schlanker, hübscher Indianer mit ausdrucksvollen, aber etwas weichlichen Zügen. Er lehnte sich, neben der Königin, mit dem Ellbogen an den Türsims und blieb so stehen. Wir müssen, wie wir so dasaßen, ein ziemlich eigenthümliches Bild gegeben haben. Die Gruppe, die um mich her lagerte, war wirklich malerisch, und mag es sein, daß die Gegenwart der Fürstin die Zungen im Zaume hielt - kein Wort wurde gesprochen während ich spielte, und nur das Rauschen der Wipfel über uns und das ferne Donnern der Brandung begleitete die weichen Töne des Instruments.
Ich spielte ihnen teils deutsche, teils irische und schottische Melodien, die einfachsten schienen ihnen aber immer die liebsten, und wunderbarer Weise machte ein und dasselbe Lied, welchem Stamme, welcher Nation von Naturmenschen ich es auch vorspielte, stets denselben, und zwar den günstigsten Eindruck auf sie - unser einfaches Schweizerliedchen: „Steh nur auf, steh nur auf!" - Was sie auch dazwischen hörten, das mußte ich immer wiederholen, und sie hatten augenblicklich Worte dafür, die sie aus den Klängen des Instrumentes heraushorchten und nachsangen. Ja, aus Maiao summten sie schon am nächsten Tag die Melodie, wohin ich kam; überhaupt ist das Ohr dieser Stämme leicht empfänglich für Musik.
Dämmerung brach aber jetzt ein, und ich hielt es für Zeit mich zu empfehlen, stand also, zum Ärger der Kinder, die noch mehr zu hören wünschten, auf, gab Pomare und ihrem Gemahl die Hand und empfahl mich, freundlich von ihnen entlassen. – /20/ Lange schon war es mein Wunsch gewesen, die in der Bai unfern der Einfahrt des Hafens liegende und von weiten Korallenbänken umgebene kleine reizende Insel Motuuta einmal zu besuchen. Um das aber ganz ungestört tun zu können, borgte ich mir eins der gewöhnlichen