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Wilde Welt. Gerstäcker FriedrichЧитать онлайн книгу.

Wilde Welt - Gerstäcker Friedrich


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      Für das Nahen irgend einer der gefürchteten indianischen Schaaren gab es überhaupt bestimmte Anzeichen, die den Bedrohten Zeit genug gönnten, sich auf einen Angriff vorzubereiten, hätten sie den überhaupt bei ihrer Zahl und Stärke gescheut. Die wilden braunen Horden der Pampas sprengten gewöhnlich in breiten Zügen durch die Steppe, und vor ihnen flohen die Heerden, floh das gescheuchte Wild und wirbelte der Staub in Wolken auf. Auch konnten die Rothhäute nur von Süden herankommen, denn nördlich hinauf in das Land wagten sie sich schon nicht, weil ihnen dann der Rückweg durch die an der Mendozastraße stationirten Truppen leicht abzuschneiden war. So lange die im Süden sichtbaren Heerden noch ruhig und ungeschrcckt weideten, waren die Indianer auch noch fern, und die kleine Caravane konnte ihren Zug ohne besondere Vorsichtsmaßregeln fortsetzen.

      Kaum aus der Stadt hinaus, forderte übrigens Don Pasquale seinem Gefangenen, wie er ihm vorher verkündigt, die Waffen ab - Messer und Lasso nämlich, denn eine andere Waffe trug ein Gaucho selten oder nie. Das Messer schob er in den eigenen Gürtel, den Lasso gab er Einem seiner Leute, ihn hinter sich auf den Sattel zu schnallen, und eigentlich wäre die Wegnahme des Lasso allein schon genügend gewesen, den Gefangenen unschädlich und eine Flucht für ihn unmöglich zu machen. Was konnte er in der Steppe ohne Lasso beginnen!

      Don Diego dachte aber an nichts weniger als an Flucht, so lange er Josefen noch in der Gewalt des Soldaten wußte. Aengstlich schlug ihm dabei nur das Herz, wenn er der Folgen gedachte, die sein so schlau angelegter und jetzt völlig durchkreuzter Plan mit den Indianern für ihn haben konnte.

      Seine Absicht war gewesen, den Correo mit seinem Postillon, die nie mit Bedeckung ritten, in seinen Hinterhalt zu bekommen, ihm die Depeschen abzunehmen und das Geld, das er bei sich führte, den Indianern als Beuteantheil zu lassen. Zu diesem Zweck hatte er heute Morgen das besprochene Zeichen /53/ durch den aufsteigenden Rauch gegeben, und der Verabredung nach sollte Osantos mit Vier oder Fünf seiner Horde an eier ihm genau bezeichneten Stelle - der Furth eines kleinen Flusses die der Correo passiven mußte, im Hinterhalt liegen.

      Was aber konnten diese paar Wilden gegen die vortrefflich bewaffneten und eben so gut berittenen Soldaten ausrechten! Sie durften gar nicht einmal einen Angriff wagen, und zogen sich, sowie sie nur den starken Reitertrupp bemerkten, ohne sich zu zeigen, in ihre bahnlose Stcppenwildniß zurück. - Was jedoch dann? - Was wurde aus Josefen? Was aus ihm?

      Von Süden herauf kamen zwei einzelne Reiter gesprengt; da sie aber den Trupp in voller Bewegung sahen, und sehr wohl wußten, der Correo würde nicht aus sie warten, hielten sie eine weite Strecke vor, um der Cavalcade weiter oben zu begegnen. Es waren zwei der zurückgebliebenen Soldaten, die ihrem Officicr, als sie herankamen, meldeten, sie hätten in der Steppe Rauch bemerkt und, vorsichtig den Platz rccognoscirend, weiter nichts gefunden, als ein angezündetes Feuer, jedenfalls bestimmt, irgend ein Zeichen für Jemand zu geben. Nur die Spuren eines einzelnen Pferdes seien in der Nähe zu finden gewesen.

      Die Thatsache schien allerdings verdächtig; vor der Hand ließ sich aber nichts weiter damit beginnen, als daß Don Pasquale seinen Trupp mehr zusammenzog, eines Angriffes rascher gewärtig zu sein. Es blieb aber mehr als wahrscheinlich, daß irgend ein indianischer Spion seinen entfernter lagernden Kameraden ein Zeichen gegeben hatte, als die Abtheilung Altacruz verließ. Die Stadt wagten sie aber doch nicht anzugreifen, wo sie die Schußwaffen hinter den Wällen fürchteten, und gegen die Lehmmauern nichts mit ihren Lanzen, Bolas und Lassos ausrichten konnten, und dem gut bewaffneten Zuge, der sich schon eine lange Zeit vorher auf ihren Angriff vorbereiten konnte, hätten sie ebenfalls nicht ungestraft, selbst m großer Mehrzahl, nahen dürfen.

      Einige Leguas weit hielt sich die Schaar auch, dem Befehl ihres Officiers gehorchend, in ziemlich fester Drdnung, nur eben so weit links oder rechts abbiegend, als es der aus aufgewühlten Viscacho-Löchern12 oder Distel-Dickichten bestehende /54/ Boden gestattete. Je weiter sie aber vorwärts rückten, und je weniger sich sehen ließ, desto weniger aufmerksam und wachsam wurden sie, und bald durchstreiften sie wieder nach Gefallen den weiten Plan, um hier und da holzige Gräser zusammen zu lesen und später ihr Mittagsmahl - das unter der Satteldecke liegende Fleisch - damit zu kochen.

      Sie näherten sich jetzt einem jener kleinen Steppenströme, die ihr träges Wasser durch die Pampas theils dem La Pkata zutragen, theils auch in Sümpfen und kleinen Seen verlaufen, um in der trocknen Jahreszeit dort zu verdunsten. Meistentheils haben diese aber schlammige, schwer zu passirende Betten, denn ein Stein ist hier oft auf zwanzig Meilen weit nicht zu finden; Karren und Pferde können deshalb selten da hindurch, wo ihnen die kürzeste Bahn liegt, sondern müssen sich eben eine Furth, die freilich mit der Jahreszeit wechselt, suchen. Mit der Furth verändert sich denn auch die Straße, und in der Nähe solcher Wasser laufen die tief einschneidenden Wagengleise nach allen nur erdenklichen Richtungen aus - eine wirkliche Aufgabe für den Reisenden, die letzten darunter aufzusuchen und danach die Lage der Furth zu bestimmen.

      Der Officier selber war mit dieser Gegend wenig oder gar nicht bekannt, obgleich er sie schon mehrmals passirt haben mochte. Da aber die Furthplätze wechseln, so wußte sogar der Correo nicht genau Bescheid, kümmerte sich auch nicht im Geringsten darum, denn es war des Postillons Sache, der in solchem Fall als Führer zu dienen hat und immer nur von einer Station zur andern mitgenommen wird, die zuletzt erhaltenen Pferde wieder zurückzuführen.

      Der alte Gaucho, Felipe, wie ihn der Correo nannte, kannte nun allerdings den Weg vollkommen und hielt mit seinen Packthieren genau die Richtung ein, in der ein Trupp wilder Pferde, nahebei einem Weidengebüsch, graste. Der Correo folgte, mit seiner schweren kurzen Peitsche die armen gehetzten Thiere zu schärferem Galopp antreibend, und hatte eben einen mit höherem dichten Gras bewachsenen Fleck umritten, um dort oben nicht etwa mit dem Pferde in eins der zahllosen kleinen und durch das Gras versteckten Erdlöcher zu gerathen, als dicht vor der hinter ihm im vollen Trupp folgenden Cavallerie /55/ ein Kasuar aufstand und mit langen Schritten, wie ein von der Sehne geschnellter Pfeil, das Weite suchte.

      Der alte Bursche hatte hier jedenfalls, entweder in voller Sicherheit, oder auch vielleicht durch etwas erschreckt, seinen Platz in dem langen kühlen Gras genommen, das ihn vollständig verdeckte. Den Correo mit seinen Packthieren ließ er dabei in kaum sechs Schritt an sich vorüber; waren sie ihm doch ausgewichcn und wußte er aus Erfahrung, wie viel gerathener es sei, den Feinden keine Gelegenheit zur Verfolgung zu geben. Das wilde Getrampel der nachfolgenden Schaar aber, die rechts und links von ihm durch das Gras brauste und selbst den Platz nicht schonte, auf dem er lag, schreckte ihn empor. Er hob den Kopf so dicht vor dem einen Pferd, daß dieses über die plötzliche Erscheinung jäh zurückfuhr. Im nächsten Moment, von den zähen eisenharten Läufen emporgeschnellt, von den kurzen unbehülflichen Flügeln im Gleichgewicht erhalten, floh das scheue Thier wie mit Gedankenschnelle durch das hohe Gras.

      Unglückliches Thier, was half dir Flucht, wo du eine ganze Schaar deiner ärgsten und gefährlichsten Feinde so dicht auf den Fersen hattest! Der Correo hielt allerdings nicht in seinem Galopp ein, und er wie sein Postillon drehten nur, als sie das Geräusch des aufspringenden Vogels und den Lärm hinter sich hörten, die Köpfe danach um. Die Lust zum Hetzen stak wohl in ihnen, aber - sie durften ihre Zeit nicht damit versäumen.

      Nicht so rücksichtslos dachten dagegen die argentinischen Soldaten über die ihnen unverhofft gebotene Beute. Ein wilder, gellender Schrei von dem ganzen mit fliegenden Ponchos dahinjagenden Trupp zerriß die Luft, und im Nu flog jedes Pferd, ohne daß der Reiter auch nur nöthig gehabt hätte den Zügel zu berühren, hinter dem davoneilenden Vogel her. Jede rechte Hand suchte dabei den Lasso, und ein prachtvolleres, lebendigeres Bild wäre kaum zu denken gewesen, als das dieser wilden Jäger hinter dem flüchtigen Strauß.

      Nur drei Pferde behaupteten, wenn auch nicht aus eigenem Antrieb, ihre Stelle: das Don Pasquale's, Josefens und Don Diego's, und alle drei aus ganz verschiedenen Gründen. /56/

      Josefa griff ihrem Thier erschreckt in die Zügel, als diese wilden Gaucho-Soldaten, einer Heerde von Teufeln ähnlicher wie Menschen, mit kreischendem Aufschrei hinter dem Wilde herbrachen. Don Pasquale dagegen, der seinem Gefangenen nicht traute und nicht sicher war, ob Don Diego nicht einen Versuch machen könnte, solch' einen günstigen Moment zur Flucht zu benutzen, kümmerte sich nicht um den Strauß, sondern griff unwillkürlich nach seinem


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