Wilde Welt. Gerstäcker FriedrichЧитать онлайн книгу.
einzufangen und zu satteln, und hier und da jagten Einzelne, den Lasso um den Kopf schwingend, hinter den wildesten des Trupps her, sie entweder zurück zu treiben, oder mit der sichern Schlinge an ihre Pflicht in deutlicher Weise zu mahnen.
Müßig schlenderten die Gauchos dazwischen herum, und der einzige, wirklich thätige Mensch in Cruzalta trieb ein Pferd in einer wunderlichen Art von Mühle, und lag dabei auf einem von dem Schaft ausgehenden Baum auf dem Bauch, das eingeschirrte Pferd nur manchmal durch einen schrillen Ruf zur Thätigkeit aufschreckend. Die Mühle war dabei so eingerichtet, daß der Stein um jenen aufrecht stehenden Schaft fest saß - der davon ausgehende Baum, auf dem der kleine Bursch lag, diente aber zu gleicher Zeit als Deichsel, das Pferd daran zu befestigen, und während sich dieses im Kreis umherbewegtc und mit dem Schaft auch den Stein drehte, behielt es seinen Kutscher fortwährend hinter sich.
Ein anderer Junge, schmutzig und verwahrlost genug aussehend, mit Hemd, Cheripa und Gürtel, lag ebenfalls ausgestreckt neben der Stelle, wo das fertige Mehl durch einen Beutel von Rindshaut lief, nm das Verschütten dasselben zu überwachen.
Die ganze Arbeit gehörte übrigens zum Luxus des kleinen Ortes, ebenso wie das Mehl, das keineswegs zu Brod, sondern nur zu süßen Näschereien für die Seňoritas verarbeitet werden sollte. Wer von den Leuten dachte hier daran, Brod zu essen, wo sie Fleisch im größten Ueberfluß hatten! In der ganzen Nachbarschaft befand sich auch nicht ein einziges Feld, und der wenige Weizen, der hier und da neben den Häusern in einer ganz abgestreiften Rindshaut aufbewahrt wurde, war mit den Caravanen von dem fern gelegenen Mendoza gekommen.
Ueberall in den Häusern brodelte indessen das leckere Mahl: Fleischstücke auf ein Feuer von getrocknetem Kuhdünger und einigen holzigen Gräsern geworfen, denen der Mateh /32/ vorausgehen und folgen mußte. Die Cigarillen ersetzten danach alle weiteren Genüsse. Aber die rauhen Bewohner der Pampas waren an kein besseres Leben gewöhnt, noch verlangten sie es anders. Fleisch, Fleisch und Fleisch ihre Nahrung, der Sattel ihre Heimath, die Gefahren und Beschwerden der Steppe ihre Unterhaltung und Erholung - eine weitere Anforderung an das Dasein kannten und stellten sie nicht.
Don Diego war heut einer der Ersten mit auf, um draußen nach seinem wackern Thier zu sehen und sich dessen zu versichern. In der Pulperia traf er nachher eben zur rechten Zeit ein, das Frühmahl mit den übrigen Bewohnern zu theilen.
„Ihr wolltet mir Eure Adresse geben, Sektor," redete ihn der Wirth an, als er ihn einen Augenblick allein sprechen konnte, „falls Ihr den Correo verfehlen solltet."
„Allerdings," sagte der junge Mann. „Vor der Hand warte ich aber noch bis Mittag, ob er nicht kommt. Ihr glaubt, daß er bis dahin hier sein könnte!"
„Keine Gewißheit, Seňtor, keine Gewißheit," bemerkte achselzuckend der Wirth. „Jetzt, wo die Indios die Steppe unsicher machen, kann er eben so gut einen, wie acht Tage länger ausbleiben, darf er es doch nicht wagen, des Morgens, sein Nachtquartier zu verlassen, bis sich der Nebel vollständig von der Steppe verzogen hat. Ich - würde gar nicht auf ihn warten, wenn ich wie Ihr wäre," setzte er rasch und leise hinzu.
„Ihr meint wegen des Officiers?" lachte der Fremde. „Der kümmert mich weniger, als Ihr vielleicht denkt. Was kann er mir anhaben?"
„Was können die Soldaten Sr. Excellenz, unseres erhabenen Don Manuel, nicht thun!" erwiderte scheu der Wirth.
„So viel für seine Macht," gab Diego verächtlich zurück, indem er mit dem Finger schnalzte. „Er mag sich hüten, meinen Weg zu kreuzen, das ist Alles, was ich mit ihm noch zu schaffen habe. Aber über Eins könntet Ihr mir vielleicht Auskunft geben, und dabei ist weder Don Manuel, noch Euer Officier im Spiel. Seit wann ist jenes junge, schöne, in Trauer gekleidete Mädchen hier?" /33/
„Da seht Ihr wieder, wie wenig Ihr unsere Verhältnisse kennt," sagte der Wirth leise, „denn bei der jungen Dame sind gerade Don Manuel und jener Officier die Hauptpersonen."
„Der Officier?" rief Don Diego rasch und betroffen.
„Bst, um der heiligen Jungfrau willen, nicht so laut. Hier hat selbst die Luft Ohren und - Zunge. Ihr Vater und Bruder waren Verräther an - unserer Freiheit, und Se. Excellenz ließ sie unschädlich machen."
„Und hielt er die junge Dame ebenfalls für gefährlich?"
„Don Pasquale Herrero steht in hoher Gunst bei Sr. Excellenz," sagte ausweichend der Wirth. „Er selber, wenn ich nicht irre, führte den schwierigen und auch wohl gefährlichen Befehl aus, jene beiden Verräther zu - beseitigen. Zur Belohnung hat Se. Excellenz jetzt die junge Dame dem Schutz und der Bewachung Don Pasquale's übergeben."
„Zur Belohnung?" rief Diego erstaunt aus. „Ich, verstehe Euch nicht."
,,Ja, Seňor," sagte der Wirth bedeutungsvoll. „Es passiren manchmal Dinge in der Welt, die ich selber nicht verstehe, und ich lebe doch etwa schon noch einmal so lange darin, wie Ihr. Aber laßt Euch darüber keine grauen Haare wachsen," setzte er, noch leiser als vorher, hinzu. „Don Pasquale hat einmal das Täubchen in den Fängen, und wird es nicht wieder so leicht loslassen. Gutwillig giebt er es auch nicht her, nehmen kann man es ihm nicht, also muß man die Sache eben ihren Weg gehen lassen."
„Und die Seňorita wohnt nicht bei Euch? Sie wird auch nicht hier bleiben, wenn die Soldaten den Platz verlassen?"
„Ausgenommen Don Pasquale gäbe sie in meinen Schutz," versetzte der scheue Wirth, „und treueren Händen könnte er sie unmöglich anvertrauen."
„Glaubt Ihr, daß er sie, selbst gegen ihren Willen, mit fortnehmen würde?" frug Diego.
„Hat solch ein junges Ding schon einen Willen?" versetzte der Wirth. „Selbst wenn Se. Excellenz nicht schon vorher dafür gesorgt hätte? - Aber da kommen meine Leute. /34/ Ruhig, Seňor, wenn Euch Eure Sicherheit lieb ist und - habt ein wachsames Auge."
„Ich danke Euch, ich werde es befolgen."
„Und wollt Ihr mir einen Gefallen thun?"
„Euch? in welcher Art?"
„So gebt mir Eure Adresse," sagte der Wirth leise, „Don Pasquale verlangt sie von mir, und ich fürchte fast, er hat den Verdacht geschöpft, daß ich Euch freundlicher gesinnt sei, als es sich mit der - Sicherheit des Staates verträgt."
„Meine Adresse?" lachte Diego in sich hinein, „gut, die sollt Ihr haben, da Ihr mir so ehrlich die Ursache sagt," und ohne Zögern nahm er, während gerade die Frauen in das Zimmer traten und das Essen brachten, ein Stück Papier aus seinem Gürtel und schrieb den verlangten Namen darauf.
„Don Diego Matanzas?" sagte aber auch im nächsten Augenblick erstaunt der Wirth, wie er nur einen Blick darauf geworfen hatte. „Seid Ihr mit jenem Matanzas verwandt, der in Buenos Ayres jetzt, nach Don Manuel, der Erste ist?"
„Allerdings - ich bin sein Neffe," warf der Fremde leicht hin. „Nun, dünkt Euch der Name etwa gefährlich?"
„Nicht im Geringsten," entgegnete der Wirth rasch. Dann sich aber zu Don Diego überbiegend, flüsterte er diesem leise in das Ohr: „Wenn's eben Euer rechter wäre - bst - bitte Euch, seid ruhig. Mir genügt er," wehrte er ab, als sich Don Diego vertheidigen wollte, „und mögen sich Andere nicht damit beruhigen, gut, so können sie selber weiter forschen. Und jetzt, Seňor, theilt unser Mahl mit uns."
„Donna Josefa?"
„Läßt sich entschuldigen, Seňor," sprach die hinzutretende Beatriz. „Auf strengen Befehl wird sie vor der Hand ihr Zimmer nicht verlassen."
Diego fuhr auf, ein Blick des Wirthes aber mahnte ihn, auf seiner Hut zu sein, und im nächsten Augenblick erschien Don Pasquale, der argentinische Offerier, im Gemach, sein Frühstück ebenfalls zu verzehren.
Mit kurzem Gruß und ohne weitere Umstände, den Fremden von gestern Abend kaum eines Blickes würdigend, nahm er den Ehrenplatz am Tisch ein, suchte die besten Fleischstücke für
/35/ sich aus und winkte dann, als das Mahl beendet worden, dem Wirth, ihm vor die Thür zu folgen.
Don Diego war ebenfalls aufgestanden und an das Fenster getreten.