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Hüben und Drüben. Gerstäcker FriedrichЧитать онлайн книгу.

Hüben und Drüben - Gerstäcker Friedrich


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sprechen ist," meinte Brenner, „aber in letzter Zeit scheint er selten nüchtern zu werden; „er säuft."

      „Das ist ja ein hübsches Orts-Oberhaupt," lachte der Officier. /65/

      „Das weiß Gott," nickte Brenner, „mir gefällt er ebenfalls, - aber das hier ist das Grab, schon ein bischen eingesunken und verwachsen, aber lieber Himmel, wer sieht hier danach!"

      Der Fremde mußte wieder seine Waffe zu Hülfe nehmen, um ein wahres Strauchwerk von aufgeschossenen Brennesseln zu entfernen, damit er nur den Namen lesen konnte. Aber es stand auch weiter nichts darauf, als: „Valerie Edmund, gestorben den . . . .... 185." und als Nachsatz: „Sie ruhe in Gott."

      Der junge Officier schüttelte mit dem Kopf; der Name war ihm fremd, und da nicht einmal ein Geburtsjahr oder ein Ort der Abstammung angegeben war, konnte er ihm auch weiter nichts helfen. Er schob die schon herausgeholte Brieftafel in die Tasche zurück und fragte:

      „Leben denn noch Verwandte der Frau hier?"

      „Nein," erwiderte Brenner, mit dem Kopfe schüttelnd, denn die Frage war ihm unangenehm, „nicht hier; die Tochter ist - fortgezogen."

      „Dann helfen mir auch meine Nachforschungen nichts - also herzlichen Dank, lieber Freund, für die gegebene Auskunft; Sie wissen nicht, welchen großen Dienst Sie mir damit geleistet haben. Diese Kleinigkeit bitte ich Sie auch, für Ihre Mühe von mir anzunehmen. Wenn ich in einiger Zeit hierher zurückkehre, hoffe ich Sie wiederzusehen."

      Damit drückte er dem darüber auf's Aeußerste Erstaunten zwei harte Thaler in die Hand und schritt dann rasch dem Dorf wieder zu, um dort den Schulzen aufzusuchen. Aber Brenner hatte Recht gehabt; den Schulzen fand er wohl, aber in einem vollkommen unzurechnungsfähigen Zustand. Er taumelte, mit den Knechten, der eigenen Frau und selbst dem Kettenhund zankend, auf dem Hof herum und schwatzte lauter Unsinn, so daß ihn der Fremde mußte stehen lassen und weggehen. Allerdings wollte die Schulzin gerne aus ihm herausbekommen, was ihn hergeführt; er hielt es aber nicht für der Mühe werth, ihr das weitläufig auseinander zu setzen, sondern ließ sie, von der wüsten Wirthschaft angeekelt, stehen /66/ und verließ, kaum eine Viertelstunde später, wieder mit seinem Wagen das Dorf.

      8.

      Das Bekenntniß.

      Wieder mochten vier Monate nach den im letzten Capitel beschriebenen Vorgängen verflossen sein, und wenn die Welt auch indessen ihren ruhigen, ungestörten Gang fortzurollen schien, so hatte sich doch in Osterhagen Manches in der Zeit verändert, namentlich in des Schulzen Haus.

      Der Schulze selber war nämlich plötzlich gestorben - man sagte, an einem Herzschlag vom vielen Trinken, mit dem er die Zerrüttung seiner Vermögensverhältnisse betäuben wollte. Auch Anderes erzählte man sich im Dorfe; der Großknecht sollte es schon in letzter Zeit mit der Frau gehalten haben, und ein paar gute Freundinnen schüttelten immer sehr bedenklich mit dem Kopf, wenn die Rede auf den schnellen Tod des Mannes kam, und meinten auch wohl, man würde schon noch 'was erleben, und zwar die Heirath des früheren Knechtes mit der Wittwe - aber der Knecht war eines Morgens spurlos verschwunden und kam nicht wieder, und die Frau wüthete so im Haus herum, daß es kein Mensch bei ihr aushalten konnte und neue Mägde keine Woche in der Wirthschaft bleiben wollten.

      Wer sich nun wohl am meisten über den Verfall des ihm verhaßten Hauses gefreut haben würde, wäre der alte Bänkelsänger gewesen; aber mit dem ging es ebenfalls auf die Neige. Seine Gliederschmerzen hatte er allerdings seit jener Zeit nicht wieder bekommen, aber dafür peinigte ihn ein anderes Leiden, das einen viel ernsteren Charakter zu haben schien und ihn jetzt unbarmherzig an sein Lager fesselte. Was es war, konnte der Bader allerdings nicht herausbekommen, aber Brenner behauptete, er sei ein Esel und wisse nicht einmal /67/ den Unterschied zwischen Leibschneiden und Wassersucht; er solle ihn nur ruhig sterben lassen, wenn seine Zeit gekommen wäre, weiter verlange er nichts. Verschriebene Blutegel und Schröpfköpfe wies er mit Entrüstung von sich und schwur, er bräche dem Bader den Hals, wenn er ihm mit einem seiner Blutmittel zu nahe käme.

      Uebrigens hatte ihn sein früherer guter Humor ganz verlassen; dumpf vor sich hinbrütend lag er Tage lang auf seinem Bette, und es war sogar einmal, wo von der Kunzen der Name der „Falleri" erwähnt worden, geschehen, daß er nach dem Geistlichen verlangte, weil er ihm etwas mitzutheilen hätte. Als dieser aber kam, mußte er seinen Entschluß geändert haben, denn er that, als ob er schliefe, und es war nichts aus ihm heraus zu bekommen.

      Am andern Morgen war er noch unruhiger geworden. „Wenn ich die Falleri nur noch einmal sprechen könnte," sagte er in einem fort, „nur noch einmal eine Viertelstunde, und der Herr Assessor würde es erlauben - aber es gehr nicht mehr, es geht nicht. Ich fühl's, die alten Knochen wollen keinen Dienst mehr thun, und nicht einmal eins von meinen Liedern fällt mir bei. Blos das eine - das eine, und das bring' ich nimmer aus dem Sinn."

      Er klagte über heftige Schmerzen im Magen und genoß auch nur sehr wenig, schien aber von einer merkwürdigen Unruhe geplagt zu sein, und machte oft den freilich immer vergeblichen Versuch, aufzustehen - er brachte es nicht fertig. -

      In dieser Zeit kehrte der junge Officier zurück, aber diesmal nicht allein, sondern in Begleitung einer älteren, sehr vornehm aussehenden Dame, die er Tante nannte. Beide zogen aber bei Niemandem Erkundigungen ein, sondern, wie nur der junge Mann die ältere Dame aus dem Wagen gehoben hatte, befahl er dem Kutscher, auszuspannen, reichte ihr dann seinen Arm und führte sie durch das Dorf direct dem Kirchhof zu.

      Dort blieben sie eine ziemliche Weile. Eine Partie Dorfjungen war ihnen nachgelaufen, um sich die bunte Uniform des Husaren in der Nähe zu besehen, getraute sich aber nicht auf den Kirchhof selber, sondern blieb draußen an dem hölzernen Gitter stehen. Dort sahen sie, wie die Beiden zuerst nach der /68/ rechten Seite des Kirchhofs zwischen die alten Gräber gingen und die Dame mitten in das Gras und Unkraut hineinkniete.

      Dann stand sie wieder auf, und sie stiegen nach der andern Seite hinüber, wo sie erst eine kleine Weile umhersuchten, und dann neben einem Grab eine ganze Zeit lang verweilten. Jetzt schritten sie wieder dem Eingang zu, und die Jugend lief, was sie laufen konnte, in das Dorf zurück, damit sie der Officier nicht an der Kirchhofsthür erwischte.

      Die beiden Fremden folgten ihnen aber nicht dorthin, sondern bogen gleich vor dem Kirchhofe nach dem Gemeinde-Hause zu ab, das aber der Officier allein betrat und nach dem alten Manne frug, der ihn damals auf den Kirchhof geführt. Die Dame verfolgte indessen langsam und allein den Weg in's Dorf.

      Die alte Frau Kunze, die aber auch, seit wir sie zum letzten Mal gesehen, ordentlich eingeschrumpft und vertrocknet schien, stand gerade in der Thür, als der Fremde das Haus betrat.

      „Ja Du lieber Gott," sagte sie auf seine Frage nach dem alten Mann, „da ist er, so viel steht fest, und fort kann er nicht mehr, aber schlecht ist's ihm auch - hundeschlecht, und reden thut er auch nicht mehr, schon die letzten zwei Tage. Er kann's nicht mehr lange machen, und es wird wohl bald wieder eine Stube hier im Quartier frei werden."

      „Und kann ich ihn sehen?"

      „Ja, warum nicht, aber es ist nicht mehr viel an ihm zu sehen; ein Häufchen Unglück, weiter nichts; wenn Sie herein kommen wollen, ich will's ihm sagen, daß Jemand da ist, der ihn sprechen möchte."

      Brenner war nicht so eigen; er fühlte sich allerdings entsetzlich elend, aber er nahm trotzdem Besuche an, unterbrach es doch die furchtbare Monotonie seines Lebens und brachte ihn vielleicht für kurze Zeit auf andere Gedanken.

      Der junge Officier betrat übrigens kaum das Gemach, als er auch rasch den sehr verschlimmerten Zustand des Alten in seinen eingefallenen Wangen und hohlen Augen erkannte.

      „Lieber Freund," sagte er theilnehmend, „es thut mir wahrhaft leid, Sie so krank und matt zu finden, und ich will /69/ Sie nicht lange stören. Aber ich weiß auch Niemanden weiter hier im Ort, um eine bestimmte Auskunft zu erlangen, und um die wollte ich Sie bitten."

      „Des Grabes wegen?" sagte der Alte.

      „Nein, der Tochter jener Frau wegen, die von hier fortgezogen sein soll," lautete die Antwort. „Können Sie mir ihren genauen Namen und jetzigen Wohnort angeben?"

      „Und


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