Hüben und Drüben. Gerstäcker FriedrichЧитать онлайн книгу.
wieder erreichte. Daheim erzählte er aber nichts von dem fremden Mädchen, das er heute am Fuchsbau getroffen. Wer wußte denn, was sie sich nachher wieder für Geschichten daraus zusammengebaut hätten, von Erdweible oder Moorjungfern oder sonstigem Spuk. Vielleicht traf er sie einmal wieder in der nächsten Zeit, und dann sollte sie ihm nicht so leicht entschlüpfen wie diesmal, wo ihn der alberne Kreiser mit seinem Schuß so zur unrechten Stunde gestört und abgelenkt hatte. War ihm doch nicht einmal Zeit geblieben, sie nur zu fragen, wie sie hieß.
Und würde sie ihm das gesagt haben, wo sie ihm, auf seine Frage nach ihrer Heimath, die schnippische Antwort gab ,,im Bau"? Sonderbar - er brachte das Mädel nicht aus dem Kopf und war den ganzen Abend still und einsilbig. Der alte Förster aber lachte, denn er glaubte, der verfehlte Bock ärgere ihn, meinte auch, da würde er sich noch manchen Abend Gedanken drüber machen können, denn das sei ein alter schlauer Patron und nicht sogleich auf den ersten Bürschgang abzufassen. Sie wollten sich in vier Wochen einmal wieder sprechen, ob er ihn vielleicht bis dahin erlauert hätte - er glaube es aber nicht.
3.
Der Fuchs.
Der Forstgehülfe Raischbach bekam übrigens in den nächsten Tagen keine Zeit, viel an den Bock oder selbst an die fremde /109/ Maid zu denken, denn noch in der nämlichen Nacht hatte der Kreiser Metzler, der in einer der im Wald zerstreut gebauten Bürschhütten geschlafen, einen Schuß gehört und am nächsten Morgen erst, obgleich er, wie er sagte, augenblicklich der Richtung zugeeilt sei und Alles abgesucht habe, den Aufbruch und Kopf eines Altthiers gefunden, das ein paar Wilderer dort in der Nacht erlegt und dann fortgeschleppt haben mußten. Im Anfang hätte er zwar noch eine Strecke auf dem Schweiß (Blut) nachgehen können, dann aber waren die Wilddiebe an die große Straße gekommen, die durch den Wald lief, und keine Spur weiter von ihnen zu finden. Ein paar frische Wagengleise führten allerdings vorbei, eins nach Norden, eins nach Süden, und welches von diesen sie wahrscheinlich benutzt hatten, um ihre Beute in Sicherheit zu bringen, wer konnte es sagen?
Nachforschungen wurden allerdings gehalten, aber ohne Erfolg. Die Burschen mußten gute Helfershelfer haben, denn das Stück Wild blieb verschwunden, und wenn man auch ein paar Leute aus dem nächsten Dorf in starkem Verdacht hatte und bei ihnen sogar Haussuchung hielt, fand sich doch nichts Verdächtiges gegen sie vor. Die Beamten und Forstleute mußten, noch dazu von dem spöttischen Lächeln der Bauern begleitet, unverrichteter Sache wieder abziehen.
Förster Buschmann war außer sich. Jetzt hatte er nun den erbetenen Forstschutz erhalten und auch einen jungen Forstgehülfen, und trotzdem holten sie ihm fast das Wild unter der Nase weg. Und was würde die oberste Forstbehörde, an die er doch jedenfalls Bericht erstatten mußte, dazu sagen - natürlich bekam er eine furchtbare Nase.
Auch dem Forstgehülfen war das gar nicht recht, denn allem Anschein nach hatten sie es hier nicht mit einem einzelnen Wilderer, sondern mit einer ganzen Bande derselben zu thun, die einander in die Hände arbeitete, und wo er schon geglaubt, daß sie ihnen das Handwerk gründlich gelegt, trieben sie es ärger, als je zuvor, und trotzten der ganzen Försterei
Von da an war er fast keine Nacht mehr zu Hause, ja selbst der alte Förster ließ sich nicht mehr halten und begleitete ihn manchmal, oder nahm auch zu Zeiten einen Strich allein /110/
und dann nur einen Kreiser oder einen Forstschutz mit sich, denn es war eben nicht gerathen, sich unter solchen Umständen ganz allein in den Wald zu wagen, wo man nicht wissen tonnte, was passirte.
Die nächsten Tage blieb übrigens Alles ruhig, denn die Wilderer konnten sich wohl denken, daß die Forstleute jetzt wachsam sein würden. Nach vier oder fünf Tagen aber, wo sie glauben mochten, daß sie in ihrem Aufpassen etwas nachgelassen hätten, und gerade bei recht hellem Mondschein, knallte es wieder, und diesmal hatten sie sich einen unglücklichen Fleck dazu ausersehen. Raischbach nämlich befand sich selber mit einem der Kreiser ganz in der Nähe und ertappte sie auf frischer That.
Allerdings gaben sie sich nicht gutwillig, und der eine Bursche feuerte und traf den Forstgehülfen mit der Kugel in den Oberschenkel; der aber schoß ihn, wie er noch die Büchse am Backen hatte, in seinen Fährten nieder und jagte auch noch einem der Anderen, mit dem zweiten Lauf seiner Büchsflinte, eine Ladung Schrot nach, die ihn in die Beine traf. Hinter dem Dritten feuerte der Kreiser her, auch mit Schrot. Der entkam aber, für den Augenblick wenigstens. Der Eine dagegen war, als sie zu ihm traten, todt, und der Andere hatte sich nur noch eine Strecke in den Busch hineingeschleppt, wo er lag und nicht weiter konnte.
Der Kreiser, da Raischbach mit seinem Bein nicht recht vorwärts konnte, mußte jetzt nach dem Forsthaus zurück und Hülfe holen. Dicht daneben war eine Anzahl Holzhauer beschäftigt, die Nachts in der einen Scheuer schliefen, und diese eilten jetzt herbei, um die Verwundeten und den Todten zum Haus zu schaffen. Ein Bote mußte augenblicklich zur nächsten Stadt, und schon am Nachmittag waren die Gerichte da, um den Thatbestand zu untersuchen.
Förster Buschmann hatte indessen in der Nähe des gestrigen Kampfes ein angeschossenes Stück Wild gefunden, das nicht weit von der Stelle verendet lag, und es dauerte auch nicht lange, so spürten die Gensdarmen den dritten Wilderer heraus, der, die Haut voller Schrote, im Dorf krank lag und sich erst gar nicht wollte untersuchen lassen. /111/ Jetzt begann ein langes Verhör, aber die beiden ertappten Wilderer fanden bald, daß ihnen Leugnen nichts mehr half, ja der eine von ihnen gab sogar seine übrigen Helfershelfer an, wonach sich dann herausstellte, daß die ganze Bande aus sieben Mann bestanden hatte, die den Wilddiebstahl, von den großen Dickungen begünstigt, schon lange geschäftsmäßig betrieben haben mußten. Sie wurden alle zu ziemlich schwerer Strafe verurtheilt und der Wald bekam jetzt Ruhe. Wenn auch vielleicht noch manch Einer in der Nachbarschaft lebte, der seiner Zeit ebenfalls kein Kostverächter gewesen, so schien ihm doch die Sache, im Verhältniß zu dem Nutzen, den sie brachte, ein wenig zu gefährlich geworden zu sein, um gleich Hals und Kragen daran zu setzen, und sie ließen's lieber bis auf ruhigere Zeiten.
Raischbach hatte übrigens in der Nacht einen tüchtigen Denkzettel bekommen, der ihn für ein paar Wochen an sein Lager fesselte; denn wenn die Kugel auch glücklicher Weise keinen Knochen getroffen, war es doch ein häßlicher Fleischriß, der seine Zeit zum Heilen verlangte.
Indessen pflegten ihn die Frau Försterin und die alte Lisel nach besten Kräften, und die Letztere besonders wachte in der ersten Zeit, wo er ein tüchtiges Wundfieber bekam, ganze Nächte bei ihm. Seine kräftige Natur erholte sich aber doch bald wieder und es heilte rasch; nur schonen mußte er das Bein noch und durfte nicht hinaus in den Wald, bis die Wunde vollständig verharscht war, und das bekümmerte ihn dabei am meisten.
Ein Jäger im Bett - es giebt nichts Trostloseres - und das noch dazu in der besten Jagdzeit; aber es half nichts, er mußte aushalten, und die Frau Försterin litt schon selber gar nicht, daß er sich vor der Zeit wieder anstrengte.
Und was für Muße hatte er jetzt wieder, über alte Geschichten nachzugrübeln - er wollte zuletzt gar nichts mehr denken, und wenn dann die alte Lisel kam, forderte er sie auf, ihm etwas zu erzählen - und selten umsonst. Die Alte hatte schon lange den Mann lieb gewonnen, weil er ganz anders war als das übrige junge Volk, und nie über ihre Erzählungen lachte oder gar darüber spottete. Sie erfüllte /112/ deshalb auch gern seinen Wunsch; aber das Einzige, über was sie sprechen konnte, war eben das, was sie nicht begriff - das Übernatürliche, Uebersinnliche, und darin besaß sie entweder eine reiche Phantasie oder ein vortreffliches Gedächtniß, denn sie konnte ihm Stunden lang von all' dem Geisterhaften berichten, was den Wald belebte, und Bernhard lag dann mit halbgeschlossenen Augen auf seinem Bett, hörte ihr zu und dachte an seine fremde Maid, die er selber da draußen getroffen.
Endlich war die Wunde geheilt, und der Dorfchirurg, der ihn manchmal besuchte, gestattete ihm, daß er wieder hinaus dürfe, wenn er sich auch noch tüchtig schonen müsse. Vor allen Dingen verbot er ihm anstrengende Touren und erlaubte nur höchstens einen ruhigen Bürschgang, bei dem er sich manchmal eine Stunde ansetzen oder rasten konnte.
Das war dem jungen Jäger gerade recht - weiter verlangte er nichts, und schon der nächste Morgen sah ihn wieder mit seiner Büchse im Wald; denn jetzt hatte er die beste Zeit, um sich auf den alten Bock anzusetzen und ihm seinen Wechsel abzulauschen - aber es war nichts , und der Bursche