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Gold!. Gerstäcker FriedrichЧитать онлайн книгу.

Gold! - Gerstäcker Friedrich


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Philosoph, Baron."

      „Bitte um Verzeihung, ich bin Kellner," lachte der junge Mann, „und wenn Sie nicht bald etwas bestellen, werde ich von meinem französischen Vorgesetzten dahinten - ich nenne ihn immer mon capitain - wahrscheinlich eine Nase bekommen."

      „Aber ich kann mich doch, weiß es Gott, nicht von Ihnen bedienen lassen?" rief der Doctor ordentlich verlegen aus.

      „Sie werden Ihre Freude an mir haben," unterbrach ihn der Kellner, indem er ihm mit einer leichten Verbeugung den Speisezettel vorschob - „bitte, befehlen Sie: beefsteal. roastbeef, mutton chops - Eier, Kartoffeln, Bohnen - mehr Auswahl können Sie nicht verlangen; nur unsere Weine sind vortrefflich, und alle geschmuggelt." /48/

      Der Doctor nahm den Speisezettel, schob ihn aber wieder von sich und rief:

      „Nein wahrhaftig, Baron, die ganze Geschichte hier kommt mir wie ein toller Spuk vor. Sie, den ich zuletzt in der Soirée des Fürsten Lichtenstein, mit Orden geschmückt, mit der Fürstin selber tanzend, verlassen, finde ich jetzt mit der Serviette unter dem Arm, mit dem Speisezettel in der Hand - oh gehen Sie - Sie haben mich zum Besten."

      „Da ich sehe," lächelte der junge Mann, „daß Sie Ihre, in Californien höchst kostbare Zeit nur mit vollkommen nutzlosen Ausrufungen verschwenden, werde ich mich Ihrer annehmen und Ihnen selber etwas zu essen bestellen - ich hoffe, Sie sollen damit zufrieden sein. Wenn Sie nachher die Preise erfahren, werden Sie merken, daß wir hier keineswegs spaßen, sondern bittern Ernst machen."

      Der junge Mann ging lachend zum Buffet zurück und ließ den Doctor, noch immer stumm und starr vor Staunen, an seinem Tische, denn so hatte er sich Californien doch eigentlich nicht gedacht.

      Baron Lanzot - oder vielmehr Emil mit seinem Kellnernamen, kam indessen bald zurück, servirte äußerst geschickt und blieb dann an der andern Seite des Tisches vor dem Gaste stehen.

      „Aber, bester Baron -"

      „Emil, wenn ich bitten darf -"

      „Es geht nicht, Baron, es geht wahrhaftig nicht," rief aber der alte Mann in Verzweiflung aus - „bedenken Sie, ich bin noch kein Californier."

      „Das entschuldigt allerdings Vieles," erwiderte Emil. „Seien Sie übrigens versichert, daß Ihnen da noch Manches zu erleben bevorsteht, von dem Sie sich im Augenblick nichts träumen lassen. Hier in Californien sind alle Bande des gesellschaftlichen Lebens, die wir im alten Vaterlande nur zu oft als unumgänglich nothwendig für jede Existenz halten, gelöst. Jeder lebt für sich, so gut oder so schlecht er kann der Nebenmann kennt ihn nicht, oder bekümmert sich nicht um ihn, und wenn er oben schwimmt, hat er's nur allein sich selber zu verdanken. Wir leben allerdings unter Gesetzen /49/ einer civilisirten Nation, aber auch nur dem Namen nach, denn keine Kraft ist genügend, sie aufrecht zu erhalten, und das Faustrecht blüht deshalb so wunderbar und herrlich wieder hier, wie je im Mittelalter daheim im lieben Vaterlande."

      „Aber weshalb sind Sie nach Californien gegangen?"

      „Fragen Sie das Jahr 48," sagte achselzuckend der junge Mann. „Es giebt nichts Entsetzlicheres als einen Bürgerkrieg, und da ich die Wahl hatte, zog ich diese Verhältnisse vor. Ob sie mir auch auf die Länge der Zeit zusagen werden, ist eine andere Sache, mit der ich mir aber vor der Hand den Kopf noch nicht zerbreche. Jetzt bin ich einmal in Californien, und mit den Wölfen - Sie kennen wohl das Sprüch-wort. Wohnen Sie hier im Hause?"

      Der Doctor nickte nur und arbeitete in die ihm vorgesetzten Speisen hinein, schüttelte aber fortwährend dabei mit dem Kopfe und schmeckte in der That gar nicht, was er aß. Emil wurde aber in diesem Augenblick abgerufen, und das Gespräch war für jetzt unterbrochen.

      Hetson ging indessen unten in den Spielsalon, wohin ihn Siftly beschicken hatte, und vergaß im ersten Augenblick, als er den wunderlichen Raum betrat, wirklich ganz, was ihn da hergebracht.

      Es war ein nicht sehr hoher, aber wohl fünfzig bis sechzig Schritt langer und vierzig Schritt breiter Saal; die Wände noch ziemlich kahl und nur hier und da mit schlechten Oelgemälden - schlecht sowohl was Ausführung als Vorwurf betraf - bedeckt, denn ich darf nicht sagen „geschmückt". Nicht dem Schönheitssinn der Besucher sollten sie aber auch genügen, sondern nur ihre Sinne reizen und sie eine Zeit lang fesseln, und das bezweckten sie denn allerdings.

      Rechts war ein Buffet angebracht für geistige Getränke, und im Hintergrund ein hohes, noch ziemlich rohes Gerüst aufgebaut, auf dem eine Anzahl von Musik machenden Individuen - Musici konnte man sie nicht gut nennen - saßen. Sie bildeten zusammen allerdings eine Art Orchester, und dazu nöthigen Instrumente schienen vertreten. In ihrem Zusammenspiel blieb aber immer mehr guter Wille als wirkliche Kunst erkennbar, und wenn man ihnen nur /50/ wenige Minuten zuhörte, fand man bald, daß sie sich zusammen einzig und allein über ein zu spielendes Stück gütlich vereinigt hatten und nun nach Gehör einander accompagnirten. Wer dann einmal zufällig aus dem Tact kam, wartete nur einen Augenblick, bis er die Anderen wieder „erwischen" konnte, und nachdem sie die verschiedenen Stücke solcher Art drei- oder viermal durchgearbeitet, ließ sich recht gut unterscheiden, was sie eigentlich spielen wollten.

      Es kam aber auch wirklich nicht darauf an, hier ordentlich zu musiciren, es sollte nur „Musik" gemacht werden, und die wenigen amerikanischen Lieblingslieder und Nationalmelodien, die im Lande überall bekannt waren, lernte das Orchester auch bald spielen. Dazu gehörte vor allen der „Yankee Doodle", dann „Washingtons Marsch", das „Sternenbanner" und ein sehr mittelmäßiger Marsch, den sie wunderbarer Weise „Napoleon's Rückzug" nennen. Diese Melodien sang und stampfte das Publikum hier und da mit, und war in seinen Ansprüchen bescheiden genug, sie wieder und wieder anzuhören, ob sie nun auf einem wirklich kunstvollen Instrument oder auf einer Maultrommel vorgetragen wurden. Die Musik aber hatte denselben Zweck mit den Bildern, denen sie gewissermaßen vorarbeitete. Die Musik lockte die Vorbeigehenden in den Saal; die Bilder hielten sie dort, damit sie ihr Geld an dem Trinkstand ausgaben und an den Spieltischen versuchten. Einmal das eigentliche Hazardspiel dann gekostet, war Musik und Bild nicht mehr nöthig, sie zu halten. Diese Spieltische bildeten deshalb auch das Centrum des Saales, und Hetson blieb wirklich überrascht auf der Schwelle stehen, denn in dieser Ausdehnung hatte er sich die „Spielhöllen", von denen er früher schon so viel gehört und gelesen, doch nicht gedacht.

      Etwa dreißig verschiedene Tische standen nämlich, nicht geordnet, sondern wie es gerade der Raum zwischen den Säulen gestattete, bunt durcheinander, nur überall den nöthigen Platz für die hindurchführenden Passagen lassend, und jeder Tisch verfolgte dabei seine eigenen Interessen, hatte sein eigenes Capital und spielte auch oft sein eigenes Spiel.

      Zwischen den Tischen durch drängten sich aber die Müßig/51/gänger der Stadt, deren es auch selbst in San Francisco zur Genüge gab, bis sie an einem von ihnen und den daraus angehäuften Goldstücken und Silberdollarn hängen blieben. Amerikaner und Deutsche, Franzosen und Engländer, Mexikaner und Californier, Alles in buntem Gemisch, Einzelne elegant gekleidet, Andere in zerlumpter, abgerissener Minertracht, mit zerknickten Hüten, und schiefgetretenen Schuhen. Wer aber sah auf die Tracht; das Gold, das auf den Tischen lag, ebnete Alles, und wenn die abgerissenen Burschen - was sehr häufig der Fall war - nur tüchtige Lederbeutel mit Goldstaub unter den zerrissenen Kitteln trugen, war wahrlich hier Niemand, der ihre Gemeinschaft beanstandet hätte. Karten, Würfel, Roulette und Alles, was nur sonst Glücksspiel heißt, fand sich hier vertreten, und bedeutende Summen wechselten fortwährend von einer Hand in die andere, ohne eine Äußerung der Leidenschaft hervorzurufen - einen leise gemurmelten Fluch manchmal ausgenommen. -

      Hetson wäre vielleicht noch eine Stunde dort stehen geblieben, denn zu viel des Neuen bot sich, wohin er auch immer schaute, seinem Blick, hätte ihn nicht Siftly selber aus seinen Träumen geweckt.

      „Nun, bist Du da?" lachte dieser, „das ist recht, und hier kannst Du nun auch gleich die Quintessenz californischen Lebens und Treibens kennen lernen. Hier concentrirt sich das ganze wunderbare Schaffen in den Bergen draußen, und diese Tische hier sind unser Barometer in San Francisco, wie der Reichthum im Lande drinnen steigt und fällt. Sind die Tische schlecht besetzt, dann darfst Du auch sicher sein, daß die Ausbeute in den Minen, durch was auch immer für Umstände nicht so günstig ausgefallen. Drängt sich dagegen, selbst


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