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Nach Amerika! Bd. 1. Gerstäcker FriedrichЧитать онлайн книгу.

Nach Amerika! Bd. 1 - Gerstäcker Friedrich


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das Zimmer meiner Töchter; dort der Sekretär ist erbrochen.»

       «Hm – mit einem breiten, meißelartigen Instrument», sagte der Aktuar nach kurzer Besichtigung der offenen, arg beschädigten Mahagoniplatte, «und die Tür ebenfalls eingebrochen?»

       «Nein – die Tür ist unbeschädigt und muß jedenfalls mit einem Nachschlüssel geöffnet sein.»

       «Und was vermissen Sie in dem Sekretär?»

       «Eine Summe Geldes, die ich erst vor wenigen Stunden, und im Beisein meiner Familie und eines zuverlässigen Komptoirdieners, im Paket wie ich sie von der Post erhalten, hier eingeschlossen hatte, und von welcher der Dieb auf eine mir unbegreifliche Weise muß Kenntnis erhalten haben.»

       «Wer ist dieser Komptoirdiener?»

       «Oh, Loßenwerder; Sie kennen ihn ja wohl?»

       «Loßenwerder», sagte der Aktuar nachdenkend, «ist wohl schon eine ganze Weile in Ihrem Geschäft?»

       «Schon zwölf Jahre; mit keinem Schatten irgendeines Verdachts. Ich nahm ihn als einen ganz jungen Burschen in mein Haus; er muß aber gegen irgendjemand davon gesprochen haben.»

       «Hm, hm, wollen ihn doch einmal nachher besehen; also hier hinein hatten Sie das Geld gelegt?»

       «Es ist ein Sekretär, den meine Töchter gemeinschaftlich benutzen, und zu dem jede von ihnen ihren Schlüssel hat. Bitte, lieber Henkel, lassen Sie doch einmal Sophie oder Clara einen Augenblick zu uns herüberrufen.»

       «Ich habe schon das Mädchen geschickt, eine der jungen Damen ersuchen zu lassen», entgegnete der junge Henkel, der indessen im Zimmer umhergegangen war und sich überall umgesehen hatte, ob nicht vielleicht der Dieb doch irgendeine Spur, irgendein Zeichen hinterlassen habe, an das man sich später einmal halten könne.

       «Und vermissen Sie weiter nichts als das Geld?» frug der Aktuar.

       «Auch ein Schmuck meiner ältesten Tochter scheint mit geraubt zu sein», sagte Herr Dollinger. «Aber da kommt Clara, die Ihnen das Nähere davon selber angeben wird.»

       Clara betrat in diesem Augenblick das Gemach; sie sah totenbleich und angegriffen aus, und Henkel eilte ihr entgegen, sie zu unterstützen.

       «Clara, mein liebes armes Kind», sagte Herr Dollinger, auf sie zugehend und die Hand nach ihr ausstreckend, «fehlt Dir etwas? – Der Schreck hat Dich wohl so angegriffen. Mach’ Dir doch nur keine Sorge, mein Herz; vielleicht bekommen wir alles wieder, und wenn nicht – nun ein U n g l ü c k ist es dann auch nicht. Wenn Ihr mir nur alle gesund bleibt, können wir die paar tausend Taler schon verschmerzen.»

       «Es ist nicht der Verlust, lieber Vater», sagte aber das junge Mädchen, sich gewaltsam zusammennehmend und des Vaters Hand ergreifend, «nur die Überraschung, der Schreck wahrscheinlich, und das – das Unheimliche dabei, als ich mein Zimmer vorhin betrat und die Spuren des verübten Verbrechens entdeckte. Ich fürchtete die entsetzlichen Menschen noch irgendwo zu sehen, die vielleicht hinter einer Gardine stehen, unter einem der Divans liegen, hinter einem Ofen kauern konnten und, wenn entdeckt, zu verzweifelter Gegenwehr getrieben mich anfallen würden, und all’ solch’ kindische Gedanken mehr. Dort der auf den Tisch geworfene Regenschirm dabei, die heruntergeworfene Stickerei von dem Sekretär selber, am meisten aber der Tabaksgeruch im Zimmer und die verlöschte, angerauchte Zigarre dort auf dem Fensterbrett erfüllten mir das Herz mit einem unbeschreiblichen Grausen.»

       «Eine Zigarre?» sagte Ledermann, sich vergebens nach dem bezeichneten Gegenstand umschauend. «Wo lag sie?»

       «Dort im Fenster, als ich zurückkam.»

       «Die alte angerauchte Zigarre?» sagte Henkel rasch. «Die hab’ ich zum Fenster hinausgeworfen; ich glaubte einer der Dienerschaft hätte sie in der Aufregung mit hereingebracht und dort abgelegt – sie muß unten auf der Straße liegen.»

       «Bitte, schicken Sie doch einmal einen Burschen danach, daß er sie heraufholt», sagte der Aktuar. «Man darf auch das Unbedeutendste nicht unbeachtet lassen, und wir wollen indessen die vermißten Gegenstände aufnehmen. Das Geld?»

       «Davon gibt Ihnen dieser Brief das genaue Verzeichnis», sagte Herr Dollinger. «Aber ich fürchte fast, daß wir durch das Geld selber nicht auf die Spur kommen werden, indem das Paket fast nur Gold und kleinere Banknoten enthielt, die leicht umzusetzen und schwer zu kontrollieren sind. Eher hoffe ich durch den Schmuck den Dieb verraten zu sehen, da, wie ich höre, einige sehr auffällige Stücke dabei gewesen sind.»

       «Dürfte ich Sie um eine genaue Angabe derselben, heute Abend noch, wenn irgend möglich, s c h r i f t l i c h bitten?» erwiderte, nach einigem Besinnen, der Aktuar. «Diese Einzelheiten würden mich jetzt zu lange aufhalten.»

       «Kannst Du das geben, Clara?»

       «Bis auf die kleinste Nadel hinunter», sagte das junge Mädchen rasch, «besonders auffällig war eine kleine, rundum mit Brillanten besäte Brosche, ein Erbstück unserer Großmutter, und ausgezeichnet vor jedem anderen Schmuck, den ich noch in meinem ganzen Leben gesehen, durch einen in der Mitte gefaßten, genau dreieckigen, hellblauen und wundervollen Türkis. Mein Schmuck lag gleich dicht dahinter, den aber muß der Dieb in der Eile übersehen haben; er ist unangerührt geblieben.»

       «Das ist allerdings glücklich», sagte der Aktuar, «wäre wohl auch des Mitnehmens wert gewesen. Lag gleich dabei?»

       «Hier in dem roten Kästchen.»

       «Aber das ist auch geöffnet worden.»

       «Das? – Nein, das hab’ ich wohl selbst geöffnet, nachzusehen, ob auch alles darin sei, und nicht wieder ordentlich geschlossen. Die Haken waren allerdings auf, wenn ich mich nicht ganz irre, aber der Dieb hat keinesfalls eine Ahnung gehabt, welchen Wert das kleine, unscheinbare Kästchen enthalte, oder es stände jetzt nicht mehr da.»

       «Sehr wahrscheinlich, hm – aber Sie vergessen wohl nicht, mein Fräulein, alle diese Einzelheiten besonders zu notieren; wer weiß, ob sie nicht noch einmal wichtig werden. Ah, da kommt auch Herr Henkel wieder; haben Sie die Zigarre gefunden?»

       «Gott weiß wo sie ist!» lachte dieser. «Irgendjemand muß es doch noch der Mühe wert gehalten haben sie aufzuheben und in einer Pfeife vielleicht zu verrauchen – ich bin selber hinunter gegangen, kann sie aber nirgends mehr entdecken. Übrigens ist es auch fast dunkel geworden, und ich werde morgen ganz früh nachsuchen lassen. Der Stummel wird Ihnen freilich nicht viel helfen.»

       «Man weiß nicht», sagte der Aktuar kopfschüttelnd, «je nach der Güte des Tabaks ließe sich vielleicht auf die Schicht der menschlichen Gesellschaft schließen, in der sich unser heimlicher Besuch herumtriebe. Aber das ist allerdings Nebensache; wo also ist der Dieb hereingekommen? – Hier durch diese Tür?»

       «Doch wohl vom Garten her durch das Fenster Eures Schlafzimmers», sagte Herr Dollinger, «denn durch das Haus würde er sich am hellen Tage im Leben nicht getraut haben.»

       «Aber ich möchte meine Seligkeit zum Pfande setzen, daß ich den Schlüssel, der nach unserer Schlafkammer führt, ehe wir fortgingen, herumgedreht und stecken gelassen hätte, so daß von innen ein Öffnen unmöglich war.»

       «Und war die Tür noch verschlossen, wie wir zurückkamen?»

       «Nein, nur ins Schloß gedrückt, aber der Schlüssel stak darin.»

       «Hm, hm, hm – dann ist der Bursche wahrscheinlich dort hinaus», sagte der Aktuar, «zur Tür hier hereingekommen und dort zur Notröhre hinaus – hm, muß aber genau mit der Gelegenheit bekannt sein. Mein lieber Herr Dollinger, wir werden Ihre Leute doch ein wenig scharf ins Gebet nehmen müssen, denn ein g a n z Fremder kann sich die Zeit nicht so abgepaßt haben.»

       «Wo kommt der Blumenstock her?» sagte da plötzlich Clara rasch und erstaunt, auf einen sehr schönen Rosenstock deutend, der in ihrem Fenster zunächst der Tür stand. «Wer hat den jetzt hier heraufgestellt?»

       «So lange wir hier sind, niemand»,


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