Buntes Treiben. Gerstäcker FriedrichЧитать онлайн книгу.
ob Keins von ihnen schon verheiratet sei, und da sie die Worte nicht verstanden und mit dem Kopfe schüttelten, reichte ihnen Tom die Bibel hin, die sie zur Bekräftigung des eben Gesagten küssen sollten.
Pechtels hatte nun schon einmal, bald nach seiner Ankunft in New-York, bei einem deutschen Friedensrichter gesehen, daß diese Formel jedesmal abgenommen wurde - Frau Roßberg wußte allerdings nichts davon, aber die Kathrina hatte ebenfalls schon als Zeugin vor Gericht gestanden, und da diese ihr jetzt zuflüsterte, das bedeute weiter nichts, als daß sie beschwöre, sie wolle bei ihrer Aussage nur die blanke Wahrheit angeben, nickte sie befriedigt mit dem Kopfe. Das wollte sie in der That; nicht ein Wort weiter, als die blanke reine Wahrheit, und mit der größten Bereitwilligkeit küßte sie ebenfalls das ihr dargereichte heilige Buch.
Frau Roßberg überlegte sich nun eben, daß es doch ganz außerordentliche Schwierigkeiten haben würde, dem Friedensrichter ihr Anliegen klar zu machen, denn sie fing an zu zweifeln, daß er den Unterschied zwischen einem goldenen Löwen und goldenen Affen mit ganz gleichen Bildern auch richtig verstehen würde.
„Hätten wir nur den Franz mitgenommen," sagte sie leise zur Kathrine. Der Franz war nämlich eine Art Hausknecht bei ihr, ein junger Bursche von kaum vierzehn Jahren, der aber schon vollkommen gut Englisch sprach, „oder wenn wir ihn nur könnten holen lassen. Ich dachte doch, wir würden hier Jemand finden, der Deutsch spräche."
„Das ginge ja noch am Ende," nickte die Kathrine, die jetzt auch merkte, daß sie mit ihren paar englischen Worten nicht auskam, „wenn wir nun gleich den Wagen zurückschickten. In anderthalb Stunden könnte er wieder hier sein, und da sind wir nun doch einmal."
„Wenn er uns micht versteht, sag' ich's ihm," erwiderte fest entschlossen die Frau, „und der Pechtels muß es sich eben-/53/falls gefallen lassen, daß er ein paar Stunden wartet. So geht's aber nicht, das merk' ich schon."
„Well," sagte der Friedensrichter jetzt, der die ganze Sache soviel als möglich abzukürzen wünschte, denn der nöthigen Form war genügt. Tom, der kleine bucklige Schreiber, hatte schon mit geschickter Hand die gewöhnlichen Notizen in ein großes, dazu gehaltenes Buch gemacht, und er wandte sich zuerst an Pechtels.
„Sind Sie willens, Sir, die Lady, die da neben Ihnen steht, zu Ihrem rechtmäßigen Weib zu nehmen?"
„Yes," sagte Pechtels, „die Lady hier will mich eben verklagen. Lassen Sie es sich von ihr auseinander setzen."
„Und sind Sie willens, Ma'm," wandte sich jetzt der Richter, der die Zwischenworte gar nicht verstand oder beachtete, wieder an die Frau, „diesen Herrn, der da neben Ihnen steht, zu Ihrem rechtmäßigen Gatten anzunehmen?"
„Ja wohl, Sir," nickte die Frau, „der ist's, den ich verklagen will, denn er hat mir in den letzten Monaten -"
Der Friedensrichter, der vielleicht glauben mochte, daß bei den Deutschen so viele Worte auf eine einfache Frage nöthig wären, konnte sich aber selber natürlich nicht damit aufhalten, und mit der Hand abwehrend, unterbrach er sie und sagte dabei:
„Bitte, Madame, lassen Sie das Alles bis nachher. Für jetzt erkläre ich dieser Licenz nach, von dem Secretär unseres Gerichtshofes ausgestellt," und er deutete damit auf das Buch, „Sie Beide als verheirathet, als Mann und Frau. Niemand hat ein Recht, Ihre gültig geschlossene Ehe wieder zu trennen, und der liebe Gott gebe Ihnen seinen Segen."
Dabei reichte er zuerst der Dame dir Hand und schüttelte sie herzhaft, und dann ebenso Pechtels, und dieser, der von alledem nichts begriff, wurde endlich ungeduldig und sagte:
„Nun, Madame Roßberg, denk' ich, haben wir all' die üblichen und höchst langweiligen Formalitäten durchgemacht. Wollten Sie jetzt vielleicht so freundlich sein und Ihre Klage vorbringen, denn ich habe wirklich nicht lange Zeit." Er freute sich dabei schon im Voraus darauf, daß der Richter natürlich kein Wort davon verstehen würde. /54/ Der kleine Bucklige war indessen außerordentlich thätig gewesen, jede Spur der beendeten Feier wieder zu verwischen. Er sprang auf einen Stuhl und legte die Bibel zurück auf das Bücherbrett, schob das Register in die Tischschublade, rückte das Papier zusammen und öffnete dann mit einem all right, wieder die Thür.
„Fee is five dollars," sagte Boyles, indem er Pechtels die offene Hand entgegenstreckte, und five dollars verstand der Wirth vom goldenen Affen gut genug; daß er die aber schon im Voraus bezahlen sollte, wo die Klage, und zwar von seinem Gegenpart, noch nicht einmal anhängig gemacht worden, war ihm doch außer dem Spaß.
„Von mir?" sagte er und deutete auf sich. Der Friedensrichter nickte ihm vergnügt zu und sagte: „Sie wollen sich die doch nicht von Ihrer Frau bezahlen lasten?"
„Kann nicht aufgeführt werden," schüttelte Pechtels auf das Entschiedenste mit dem Kopfe, „ich klage gar nicht, und wer klagt, mag auch die Kosten bezahlen. Nicht fünf Cents geb' ich. Das fehlte auch noch."
„Confound it“, brummte der Richter, „es ist doch eine ganz verzweifelte Geschichte, wenn man es mit Leuten zu thun hat, die keine menschliche Sprache reden."
„Holla!" rief da sein kleiner Schreiber, der die Thür geöffnet hatte und auf den Hof hinaus sah, „da kommt Hülfe. Da ist der deutsche Pedlar (Krämer) wieder mit seinem kleinen Wagen, der spricht Amerikanisch. Heh Rosedale, Rosedale! oh Rosedale! kommt einmal einen Augenblick hierher, Mann, und helft uns mit Eurem Gibberisch aus; der Henker soll's verstehen, wir aber nicht."
Rosenthal, wie der kleine Mann mit entschieden israelitischer Physiognomie hieß, schlenderte langsam quer über den Hof herüber, wo er eben sein mageres Thier angebunden und ihm etwas Futter gegeben hatte, und Frau Roßberg selber rief, als sie ihn erkannte, erfreut aus:
„Gott sei Dank, da ist der Rosenthal, der Jud, der kann uns aushelfen, denn er spricht Englisch wie ein Amerikaner."
Pechtels ärgerte sich eigentlich, denn der Spaß war ihm zum Theil dadurch verdorben, aber was that's! Dadurch be-/55/kamen sie die Sache auch zu einem raschen Ende, und daß seine Widersacherin mit ihrer Klage nichts ausrichten konnte, verstand sich doch ohnedies von selbst.
Rosenthal, etwas erstaunt, den Wirth vom goldenen Affen und die Wirthin vom goldenen Löwen hier friedlich zusammen zu finden, denn er kannte die Verhältnisse in der Ansiedelung genau, kam langsam heran und begrüßte Beide, und Madame Roßberg wollte ihm jetzt vor allen Dingen auseinander setzen, was sie hierher geführt, als der Friedensrichter aber mit einem „I say, Rosedale, macht doch einmal Eurem Landsmann klar, daß er mir fünf Dollars fee (Gebühren) zu zahlen hat. Man kann in ihn hineinreden, was man will, er versteht's nicht."
„Was sagte er?" frug Pechtels, denn er sah wohl, daß der Friedensrichter auf ihn zeigte.
„Fünf Thaler sollen Sie ihm zahlen, Herr Pechtels," antwortete Rosenthal.
„Aber wofür?" frug der Wirth, „ich habe ja gar nicht geklagt, und wir müssen doch erst abwarten, wie Alles ausfällt."
„Der Herr fragt," wandte sich jetzt Rosenthal an den Richter, „wofür er die fünf Dollars zu zahlen hätte."
„Wofür?" rief der Richter wieder, „bless your soul, man, das sind die regelrechten Gebühren für jede Trauung, und daß die jedesmal der Ehemann bezahlt, versteht sich doch von selbst."
Rosenthal sah erst den Richter und dann Pechtels und die Witiwe erstaunt an, und dann wieder den Richter.
„Was sagt er?" frug Pechtels.
„Haben sich denn die Beiden trauen lassen?" frug aber der Krämer in vollem Erstaunen, denn vor kaum acht Tagen war er durch die Ansiedelung gekommen und wußte, wie grimmig feind sie da noch einander gewesen.
„Nun versteht sich," nickte Boyles, „sind nach allen Regeln zusammengegeben, und meine fee beträgt fünf Dollars; kann's auch gar nicht billiger thun und möcht's nicht."
Rosenthal zuckte die Achseln und sagte:
„Ja, lieber Herr Pechtels, das ist Alles in Ordnung, die fünf Dollars müssen Sie zahlen. Er kriegt das von jeder /56/ Trauung. Da kann man ja also wohl gratuliren, Madame Roßberg."
„Von