Kleiner Mann was nun?. Ханс ФалладаЧитать онлайн книгу.
»Daß sie ganz draußen liegt, hab ich schon gesagt. Ganz im Grünen.«
»Das finde ich grade so fein.«
»Aber es ist ein richtiger Mietskasten. Maurermeister Mothes hat ihn da draußen hingesetzt, hat gedacht, da kommen noch mehr. Aber keiner kommt und baut da.«
»Warum nicht?«
»Weiß ich nicht. Ist den Leuten zu einsam, zwanzig Minuten von der Stadt. Kein gepflasterter Weg.«
»Also die Wohnung«, erinnert sie ihn.
»Ja, also, wir wohnen ganz oben, bei der Witwe Scharrenhöfer.«
»Wie ist sie denn?«
»Gott, was soll ich sagen. Sie tat ja sehr fein, sie hat auch mal bessere Tage gesehen, aber die Inflation ... Na, sie hat mir tüchtig was vorgeweint.«
»Oh Gott!«
»Sie wird ja nicht immer weinen. Und überhaupt, das ist ausgemacht, nicht wahr, wir sind schrecklich reserviert! Wir wollen keinen Verkehr mit anderen Leuten haben. Wir sind für uns genug.«
»Natürlich. Aber wenn sie aufdringlich ist?«
»Glaub ich nicht. Ist 'ne richtige feine alte Dame mit ganz weißen Haaren. Und sie hat schreckliche Angst um ihre Sachen, es sind doch noch die guten Sachen von ihrer Mutter selig, und wir sollen uns immer langsam auf das Sofa setzen, weil das noch die gute alte Federung hat, die verträgt keine plötzliche Belastung.«
»Wenn ich da man nur immer dran denke«, sagt Lämmchen bedenklich. »Wenn ich mich freue oder wenn ich schrecklich traurig bin und rasch mal heulen möchte, und ich setz mich hin, dann kann ich doch nicht an die gute alte Federung denken.«
»Mußt du«, sagt Pinneberg streng. »Mußt du eben. Und die Uhr unter dem Glassturz auf dem Vertiko, die sollst du nicht aufziehen und ich auch nicht, das kann sie allein.«
»Soll sie sich ihre olle eklige Uhr rausholen. Ich will in meiner Wohnung keine Uhr, die ich nicht aufziehen darf.«
»Es wird schon alles nicht so schlimm werden. Schließlich sagen wir, das Schlagen stört uns.«
»Aber gleich heute Abend! Ich weiß ja nicht, solche vornehme Uhren, vielleicht müssen die nachts aufgezogen werden. – Also, sag endlich, wie ist es: man kommt die Treppe rauf und da ist die Flurtür. Und dann ...«
»Dann kommt der Vorplatz, den haben wir gemeinsam. Und links gleich die erste Tür, das ist unsere Küche. Das heißt, 'ne ganz richtige Küche ist es nicht, früher ist es wohl nur so 'ne Dachkammer gewesen unter dem schrägen Dach, aber ein Gaskocher ist da ...«
»Mit zwei Flammen«, ergänzt Lämmchen traurig. »Wie ich das machen soll, das ist mir noch schleierhaft. Auf zwei Flammen kann doch kein Mensch ein Essen kochen. Mutter hat vier Flammen.«
»Aber natürlich geht es mit zweien.«
»Nun paß doch mal auf, Junge!«
»Wir wollen ganz einfach essen, da reichen zwei Flammen vollkommen.«
»Wollen wir auch. Aber 'ne Suppe willst du doch haben: erster Topf. Und dann Fleisch: zweiter Topf. Und Gemüse: dritter Topf. Und Kartoffeln: vierter Topf. Wenn ich dann zwei Töpfe auf den beiden Flammen warm habe, sind unterdes die beiden andern kalt geworden. Bitte –!«
»Ja«, sagt er gedankenvoll. »Ich weiß doch auch nicht ...«
Und plötzlich, ganz erschrocken: »Aber dann brauchst du ja vier Kochtöpfe!«
»Brauch ich auch«, sagt sie stolz. »Damit komm ich noch nicht einmal aus. Einen Schmortopf muß ich auch haben.«
»Oh Gott, und ich hab nur einen gekauft!«
Lämmchen ist unerbittlich: »Dann müssen wir eben noch vier dazu kaufen.«
»Aber das geht doch nicht vom Gehalt, das geht doch schon wieder vom Ersparten!«
»Das hilft aber nichts, Junge, sei schon vernünftig. Was sein muß, muß doch sein, wir brauchen doch die Töpfe.«
»Das habe ich mir ganz anders gedacht«, sagt er traurig. »Ich denke, wir kommen vorwärts und sparen, und nun fangen wir gleich mit Geldausgaben an.«
»Aber wenn es sein muß!«
»Der Schmortopf ist ganz überflüssig«, sagt er erregt. »Ich ess nie Geschmortes. Nie! Nie! Wegen so ein bißchen Schmorbraten einen ganzen Topf kaufen! Nie!«
»Und Rouladen?« fragt Lämmchen. »Und Braten?«
»Also die Wasserleitung ist auch nicht in der Küche«, sagt er verzweifelt. »Wegen Wasser mußt du immer in die Küche von Frau Scharrenhöfer gehen.«
»Oh Gott!« sagt sie wieder einmal. –
Von weitem sieht eine Ehe außerordentlich einfach aus: zwei heiraten, bekommen Kinder. Das lebt zusammen, ist möglichst nett zueinander und sucht, vorwärts zu kommen. Kameradschaft, Liebe, Freundlichkeit, Essen, Trinken, Schlafen, das Geschäft, der Haushalt, sonntags ein Ausflug, abends mal Kino! Fertig.
Aber in der Nähe löst sich die ganze Geschichte in tausend Einzelprobleme auf. Die Ehe, die tritt gewissermaßen in den Hintergrund, die versteht sich von selbst, ist die Voraussetzung, aber beispielsweise: wie wird das nun mit dem Schmortopf? Und soll er gleich heute Abend noch Frau Scharrenhöfer sagen, daß sie die Uhr aus dem Zimmer nimmt? Das ist es.
Dunkel fühlen es die beiden. Aber das sind noch keine dringenden Probleme, jeder Schmortopf wird über der Feststellung vergessen, daß sie jetzt allein im Abteil sind. Der Grämliche ist irgendwo ausgestiegen. Sie haben es gar nicht gemerkt. Schmortopf und Stutzuhr bleiben hinten, sie nehmen sich in die Arme, der Zug rattert. Ab und an holen sie einmal Atem, und dann küssen sie sich wieder, bis der langsamer fahrende Zug verrät: Ducherow.
»Oh Gott, schon!« sagen beide.
Pinneberg wird mystisch und Lämmchen bekommt Rätsel zu raten
Ich hab ein Auto bestellt«, sagt Pinneberg hastig, »der Weg zu uns raus wäre doch zu viel geworden für dich.«
»Aber wieso denn? Wo wir sparen wollen! In Platz sind wir doch erst vorigen Sonntag zwei Stunden gelaufen!«
»Aber deine Sachen ...«
»Die hätte uns auch ein Dienstmann bringen können. Oder jemand aus deinem Geschäft. Ihr habt doch Arbeiter ...«
»Nein, nein, das mag ich nicht, das sieht dann so aus ...«
»Na schön«, sagt Lämmchen ergeben, »wie du meinst.«
»Und noch eins«, sagt er eilig, während schon die Bremsen angezogen werden. »Wir wollen nicht so verheiratet tun. Wir wollen so tun, wie wenn wir uns nur ganz flüchtig kennen.«
»Aber warum denn?« fragt Lämmchen erstaunt. »Wir sind doch ganz richtig verheiratet!«
»Weißt du«, erklärt er verlegen, »es ist wegen der Leute. Wir haben doch keine Karten verschickt, überhaupt nichts angezeigt. Und wenn sie uns nun so sehen, sie könnten doch beleidigt sein, nicht wahr?«
»Das versteh ich nicht«, sagt Lämmchen verblüfft. »Das mußt du mir noch mal erklären. Wieso können die Leute beleidigt sein, wenn wir verheiratet sind?«
»Ja, ich erzähl dir das alles noch. Aber jetzt nicht. Jetzt müssen wir ... Nimmst du deinen Stadtkoffer? Also bitte, tu so ein bißchen fremd.«
Lämmchen sagt nichts mehr, sondern sieht ihren Jungen nur zweifelhaft von der Seite an. Der entwickelt eine vollendete Höflichkeit, hilft seiner Dame aus dem Wagen, sagt verlegen lächelnd: »Also dies ist der Hauptbahnhof Ducherow. Wir haben nämlich auch noch die Kleinbahn nach Maxfelde. Bitte, hier.« Und er geht voran, die Treppe vorn Bahnsteig hinunter, wirklich ein bißchen zu rasch für einen so besorgten Ehemann, der sogar ein Auto bestellt hat, damit seiner