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Jeder stirbt für sich allein. Ханс ФалладаЧитать онлайн книгу.

Jeder stirbt für sich allein - Ханс Фаллада


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Versammlungsort. Wir sind fast der einzige nur mit Zivil besetzte Tisch hier im Saal. Wir fallen auf.«

      Der Kavalier des jungen Mädchens sagte lächelnd zu diesem, seine Worte waren aber für den Mann mit der hohen Stirn bestimmt: »Im Gegenteil, Grigoleit, wir werden überhaupt nicht beachtet, höchstens verachtet. Die Herrschaften denken nur daran, daß ihnen dieser sogenannte Sieg über Frankreich für ein paar Wochen Tanzerlaubnis gebracht hat.«

      »Keine Namen! Unter keinen Umständen!« sagte der Mann mit der hohen Stirn scharf.

      Einen Augenblick schwiegen alle. Das Mädchen malte mit dem Zeigefinger etwas auf den Tisch, es sah nicht auf, obwohl es fühlte, daß alle es ansahen.

      »Jedenfalls, Trudel«, sagte der dritte Mann mit dem Unschuldsgesicht eines großgewordenen Säuglings, »ist jetzt der richtige Augenblick für deine Mitteilung. Was gibt's? Die Nebentische sind fast unbesetzt, alles tanzt. Los!«

      Das Schweigen der beiden anderen Männer konnte nur Zustimmung bedeuten. Trudel Baumann sagte stockend, ohne hochzusehen: »Ich habe, glaube ich, einen Fehler begangen. Jedenfalls habe ich mein Wort nicht gehalten. In meinen Augen ist es freilich kein Fehler ...«

      »Oh, hör auf!« rief der Mann mit der hohen Stirn verächtlich. »Willst du jetzt auch in die Gewohnheiten der Gänse verfallen? Schnattere nicht, sage geradeheraus, was ist!«

      Das Mädchen sah hoch. Es sah langsam einen nach dem andern die drei Männer an, die sie, wie es ihr schien, mit grausamer Kälte anblickten. In ihren Augen standen zwei Tränen. Sie wollte sprechen, sie konnte es nicht. Sie suchte nach ihrem Taschentuch ...

      Der mit der hohen Stirn lehnte sich zurück. Er ließ einen leisen, gedehnten Pfiff ertönen. »Sie soll nicht schnattern? Sie hat ja schon geschnattert! Seht sie bloß an!«

      Der Kavalier an Trudels Seite widersprach rasch: »Unmöglich! Die Trudel ist goldecht. Sage ihnen, daß du nicht geschwatzt hast, Trudel!« Und er drückte ihr aufmunternd die Hand.

      Der Säugling richtete seine runden, sehr blauen Augen abwartend, fast ausdruckslos auf das Mädchen. Der Lange mit der hohen Stirn lächelte verächtlich. Er drückte seine Zigarette im Aschenbecher aus und sagte höhnisch: »Nun, mein Fräulein?«

      Trudel hatte sich gefaßt, sie flüsterte mutig: »Doch, er hat recht. Ich habe geschwatzt. Mein Schwiegervater brachte mir die Nachricht vom Tode meines Otto. Das hat mich irgendwie umgeworfen. Ich habe ihm gesagt, daß ich in einer Zelle arbeite.«

      »Namen genannt?« Niemand hätte geahnt, daß der harmlose Säugling so scharf fragen könnte.

      »Natürlich nicht. Ich habe überhaupt nichts weiter gesagt. Und mein Schwiegervater ist ein alter Arbeiter, der wird nie ein Wort sagen.«

      »Dein Schwiegervater ist ein anderes Kapitel, du bist das erste! Du sagst, du hast keine Namen genannt ...«

      »Und du wirst mir das glauben, Grigoleit! Ich lüge nicht. Ich habe freiwillig gestanden.«

      »Sie haben eben schon wieder einen Namen genannt, Fräulein Baumann!«

      Der Säugling sagte: »Aber seht ihr denn nicht ein, daß es ganz egal ist, ob sie jetzt Namen genannt hat oder nicht? Sie hat gesagt, daß sie in einer Zelle arbeitet, sie hat einmal geschnattert, sie wird wieder schnattern. Legen die bewußten Herren ihre Hand auf sie, quälen sie sie ein bißchen, so wird sie reden, gleichgültig, wieviel sie bisher verraten hat.«

      »Ich werde nie zu denen reden, und wenn ich sterben müßte!« rief Trudel mit flammenden Wangen.

      »Oh!« sagte der Hochstirnige. »Sterben ist sehr einfach, Fräulein Baumann, aber manchmal kommen vor dem Sterben noch recht unangenehme Dinge!«

      »Ihr seid unbarmherzig«, sagte das junge Mädchen. »Ich habe einen Fehler begangen, aber ...«

      »Ich finde auch«, ließ sich der auf dem Sofa neben ihr vernehmen. »Wir werden uns Ihren Schwiegervater ansehen, und wenn er verläßlich ist ...«

      »Unter den Händen von denen gibt's keine Verlässlichkeit«, sagte Grigoleit.

      »Trudel«, sagte der Säugling sanft lächelnd, »Trudel, du sagtest eben, du hättest noch keine Namen genannt?«

      »Ich habe es auch nicht getan!«

      »Und du hast behauptet, du wärest zum Sterben bereit, ehe du so was tätest?«

      »Ja! Ja! Ja!« rief sie leidenschaftlich.

      »Nun«, sagte der Säugling und lächelte gewinnend, »nun, Trudel, wie wäre es, wenn du heute Abend noch stürbest, ehe du weitergeplappert hast? Das würde uns eine gewisse Sicherheit geben und eine Masse Arbeit ersparen ...«

      Eine Totenstille entstand zwischen den vieren. Das Gesicht des Mädchens war kalkig weiß. Ihr Kavalier sagte einmal »Nein« und legte seine Hand leicht auf die ihre. Aber er nahm sie gleich wieder fort.

      Dann kamen die Tanzenden zurück an ihre Tische und machten für den Augenblick eine Fortsetzung dieser Unterhaltung unmöglich.

      Der mit der hohen Stirn brannte sich wieder eine Zigarette an, der Säugling lächelte unmerklich, als er sah, wie dem andern die Hand zitterte. Dann sagte er zu dem Dunklen neben dem schweigenden, bleichen Mädchen: »Sie sagen nein. Aber warum eigentlich? Es ist eine fast befriedigende Lösung der Aufgabe und eine Lösung, die, soviel ich verstanden habe, von Ihrer Nachbarin selbst vorgeschlagen wurde.«

      »Die Lösung ist unbefriedigend«, sagte der Dunkle langsam. »Es wird schon zu viel gestorben. Wir sind nicht dafür da, daß die Zahl der Toten sich erhöht.«

      »Ich hoffe«, sagte der Hochstirnige, »Sie denken an diesen Satz, wenn der Volksgerichtshof Sie und mich und diese da ...«

      »Still!« sagte der Säugling. »Gehen Sie doch einen Augenblick tanzen. Das scheint ein sehr netter Tanz. Sie können sich unterdes besprechen, und wir beide besprechen uns hier ...«

      Widerstrebend war der junge Dunkle aufgestanden und hatte seiner Dame eine leichte Verbeugung gemacht. Widerstrebend hatte sie die Hand auf seinen Arm gelegt, bleich gingen sie beide im Strom der andern zur Tanzfläche. Sie tanzten ernst, schweigend, ihm war es, als tanze er mit einer Toten. Ihn schauderte es. Die Uniformen um ihn, die Hakenkreuzbinden, die blutroten Fahnen an den Wänden mit dem verhaßten Zeichen, das mit Grün geschmückte Führerbild, die rhythmischen Geräusche des Swings: »Du wirst es nicht tun, Trudel«, sagte er. »Er ist wahnsinnig, so etwas zu verlangen. Versprich mir ...«

      Sie bewegten sich fast auf der Stelle in dem immer dichter werdenden Gewühl. Vielleicht weil sie in ständiger Berührung mit anderen Paaren waren, vielleicht sprach sie darum nicht.

      »Trudel!« bat er noch einmal. »Versprich es mir! Du kannst ja in einen andern Betrieb gehen, dort arbeiten, damit du denen aus den Augen bist. Versprich mir ...«

      Er versuchte sie dazu zu bringen, daß sie ihn ansah, aber ihre Augen sahen hartnäckig über seine Schulter fort.

      »Du bist die Beste von uns«, sagte er plötzlich. »Du bist die Menschlichkeit, er ist bloß das Dogma. Du mußt weiterleben, gib ihm nicht nach!«

      Sie schüttelte den Kopf, mochte es nun ein Ja oder ein Nein bedeuten. »Ich möchte zurück«, sagte sie. »Ich mag nicht mehr tanzen.«

      »Trudel«, sagte Karl Hergesell hastig, als sie sich aus den Tanzenden gelöst hatten, »dein Otto ist erst gestern gestorben, erst gestern hast du die Nachricht bekommen. Es ist zu früh. Aber du weißt es ja auch so, ich habe dich immer geliebt. Ich habe nie etwas von dir erwartet, aber nun erwarte ich, daß du wenigstens lebst. Nicht für mich, nein, daß du lebst!«

      Aber wieder bewegte sie nur den Kopf, wieder blieb es ungewiß, was sie zu seiner Liebe, was sie zu seinem Wunsche, sie am Leben zu sehen, meinte. Sie waren am Tisch der andern angelangt. »Nun?« fragte Grigoleit mit der hohen Stirn. »Wie tanzt es sich? Ein bißchen voll, wie?«

      Das Mädchen hatte sich nicht wieder gesetzt. Es sagte: »Ich gehe dann jetzt. Macht's gut. Ich hätte


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