Verloren und Gefunden. Мэри Элизабет БрэддонЧитать онлайн книгу.
ruhige kleine Stadt.
Es war ein schmucker, altertümlicher Platz, und es hatte, wie Mr. Cadgers gesagt, ganz den Anschein, daß er keine wesentlichen Veränderungen erlitten habe, seit die gute Königin Beß mit ihrem Gefolge durch die Straßen ritt, während loyale Stimmen ihr Willkommen zuriefen und die Kinder vor den Hufen ihres Rosses Blumen streuten.
In dem dunkeln Sommerzwielicht schritt Gervoise Gilbert durch die enge Hauptstraße nach dem Marktplatz, wo da und dort Gruppen von Einwohnern standen und sich über den Jahrmarkt unterhielten, der morgen stattfinden sollte.
Sie hatten indeß noch von etwas mehr als von dem Markte zu sprechen. Es sollte auch ein Wettrennen stattfinden und für das große Ereigniß galt ein Rennen mit Hindernissen, von Gentleman ausgeführt, dessen Haupttheilnehmer der junge Graf von Haughton war. Gervoise trat unter andern zu einer Gruppe, wo die Tagesfrage mit besonderer Lebhaftigkeit besprochen wurde.
»Man sagt, die Gräfin sei Mylord zu Füßen gefallen und habe ihn angefleht, nicht zu reiten,« sagte eine alte Frau, »aber er ist so eigensinnig, daß man eher die eiserne Streitaxt in der großen Halle zu Palgrave-Chase als ihn biegen könnte.«
»Das ist sehr hart für die Gräfin,« sagte eine andere Frau, »denn sie ist ein liebliches junges Wesen und Mylord erwartete, wie ich gehört, sehr bald einen Erben der Güter.«
»Ja, und dann wird es wahrscheinlich Feste in Avondale geben, denn was auch Lord Haughtons Fehler sein mögen, das kann man wenigstens nicht sagen, daß er knauserig ist.«
Gervoise hörte auch, daß nur drei Gentlemen an dem Wettrennen teilnehmen und daß die Hindernisse in einem doppelten Bann und einem doppelten Graben bestehen würden. Der Graf von Haughton sollte beim Rennen sein berühmtes Rennpferd »Teufelshuf« reiten.
Der junge Mann war im Begriff, sich zu entfernen, als eine Hand sich plötzlich auf feine Schulter legte.
Er wandte sich schnell um und fand sich einem Manne von seinem Alter — einem keck aussehenden Burschen mit dunklem, sonnenverbrannten Gesicht und glänzenden schwarzen Augen gegenüber. Derselbe sah halb wie ein-Zigeuner, halb wie ein Brigant aus. Seine Kleidung bestand aus einem kurzen sammtnen Rock mit versilberten Knöpfen aus einer bunten Kaschmirweste, aus dunkelgrünen Tuchbeinkleidern und ledernen Gamaschen.
Es war Gervoise Gilberts Milchbruder, Humphrey Melwood, früher Wilderer, jetzt Jagdaufseher.
»Ich habe mich in Ihnen nicht täuschen können« Mr. Gervoise,« sagte er, seine breite muskulöse Hand ausstreckend.
Er war um einen halben Kopf größer als Gervoise Gilbert, stark und breitschultrig, ein wahrer junger Herkules mit einem wilden Feuer in feinen schwarzen Augen, das Denjenigen, die seinen Zorn erregten, nichts Gutes verhieß.
Gervoise schüttelte ihm die Hand.
»Ich hatte geglaubt, Du hättest das Land verlassen, Humphrey,« sagte er.
»Ich hatte allerdings die Absicht, nach Australien zu gehen, Mr. Gervoise; aber die Mutter führte sich schrecklich auf, als sie es hörte, und gerade um diese Zeit starb der alte Graf und der junge Lord sagte, er wollte es noch einmal mit mir versuchen. So bin ich jetzt Unter-Jagdaufseher und es geht uns, der Mutter und mir, seitdem ich wieder solid geworden, ganz gut — besser als seit vielen Jahren. Und es giebt nur eine Sache, die ich in dieser gesegneten Welt noch wünsche, und das ist, daß Sie mein Gebieter sein möchten, statt Desjenigen, der jetzt Graf von Haughton ist. Zwar zeigt er sich gütig und freundlich gegen mich, aber zwischen Ihnen und mir, Mr. Gervoise, giebt es etwas, das wie ich zuweilen denke, mehr als Blut ist.«
Der junge Mann sah ihn mit einem traurigen Lächeln an.
»Ja« Humphrey,« sagte er, »wir haben an derselben Brust geschlafen, als wir Kinder waren. Vielleicht würde es besser für Einen von uns gewesen sein, wenn er damals gestorben wäre.«
»Nicht für Sie, Mr. Gervoise; sagen Sie das nicht,« antwortete der Jagdaufseher in flehendem Tone. »So lange Leben in uns ist, geht auch die Hoffnung nicht aus. Ich bin, wie Sie wissen, nur ein armer Taugenichts, der in seinem Leben für nichts recht gut war; aber ich glaube, Sie wissen es, Mr. Gervoise, daß ich dieses Leben freudig hingeben würde, wenn der Verlust desselben Ihnen von irgend einem Nutzen sein könnte.«
Die beiden Männer verließen den Marktplatz und gingen hinaus auf die graue steinerne Brücke. Sie lehnten sich, während sie mit einander sprachen, über die moosbewachsene Brüstung. Das rieselnde Wasser glänzte wie Silber im Mondlicht, ausgenommen da, wo die großen Thürme des alten Castells ihre breitete schwarzen Schatten auf den Fluß warfen.
»Ich würde mein Leben für Sie hingeben und es für nichts halten, Mr. Gervoise,« sagte Humphrey Melwood, »und die Mutter und ich haben zuweilen gedacht, daß es nur gütig von Ihnen gewesen wäre, wenn Sie uns einmal geschrieben hätten, um uns zu melden, wie es Ihnen in London ergangen ist. Ich reiste einmal selbst hin, um mich nach Ihnen umzusehen, aber ich bin ein roher unwissender Bursche, und Alles dort kam mir so fremd vor. Ich lief in den Straßen herum, bis mir die Füße wehe thaten, und ich habe mich immer verirrt und es kam mir vor, als sollte ich eine Nabel in einem Heuschober suchen, deshalb gab ich es auf; aber Sie hätten uns schreiben sollen, Mr. Gervoise. Wenn auch die Mutter und ich nicht lesen können, so hätten wir doch Jemand gefunden, der uns Ihren Brief gelesen hätte.«
»Gerade deshalb schrieb ich Euch nicht, Humphrey,« antwortete Gervoise. »Ich wünschte nicht, daß Jemand bei Euch etwas davon erfahren sollte, wie tief ich gesunken war.«
»Sie sind also unglücklich gewesen, Mr. Gervoise ?«
»Ich habe, wie ich glaube, alles mögliche Unglück gehabt, das einen Mann treffen kann. Nach dem Tode meines Vaters legte ich den Namen Palgrave ab und nannte mich Gervoise Gilbert. Gilbert war, wie Du weißt, der Name meiner Mutter. Von jener Zeit an bis seht habe ich meinen Unterhalt durch Malen zu gewinnen gesucht. Der Himmel helfe mir! Es ist mir dies wie alles Andere mißlungen. Ich ziehe jetzt mit einer Bande wandernder Komödianten durch’s Land. Ich bin ein Vagabund und ein Auswürfling, den mein Cousin von seiner Schwelle jagen würde.«
»Wann hörten Sie von dem Tode Ihres Onkels, Mr. Gervoise?«
»Erst vorgestern. Wie lange ist er todt?«
»Zwei Jahre. Der gegenwärtige Graf heirathete sechs Monate nach seines Vaters Tod und es wird in dem Schloß ein Erbe oder eine Erbin erwartet. Sind Sie verheirathet, Mr. Gervoise ?«
»Ja,« antwortete Gervoise, »ich bin verheirathet und habe einen Sohn, einen Knaben von drei Jahren; ohne ihn würde ich längst auf dem Grunde eines Flusses Iiegen.«
»Sagen Sie das nicht, Mr. Gervoise.«
»Was sollte ich sonst sagen?« rief der Maler ungeduldig. »Welche Aussichten habe ich, daß ich den Wunsch haben sollte, zu leben?«
Humphrey Melwood schüttelte den Kopf.
»Die Sache sieht allerdings schlimm genug aus,« sagte er, »aber Sie dürfen nicht verzweifeln, Sir, Sie dürfen nicht verzweifeln.«
»Wie sollte ich nicht verzweifeln?« antwortete Gervoise. »Mein Vater erzog mich mit der Aussicht aus die Erlangung des Titels und Vermögens meines Onkels, obschon er wissen mußte, daß diese Hoffnung fehlschlagen würde. Er ließ mich ohne Beruf aufwachsen und keine nützlichen Kenntnisse erwerben. »Der Balg Deines Onkels kann sterben« sagte er, »und dann wirst Du der Gebieter von Palgrave-Chase sein.« Nach dem Tode meines Vaters ging ich in die Welt und trat ihr kühn entgegen; aber sie war zu stark für mich und zuweilen, wenn der Tag am dunkelsten war, habe ich eine sonderbare wilde Hoffnung gefühlt, daß mein Sohn einst doch noch Rang und Vermögen erben werde, aber ich weiß, daß diese Hoffnung Wahnsinn ist.«
»Gedenken Sie lange zu Avondale zu verweilen« Mr. Gervoise?« fragte Humphrey Melwood.
»Lange verweilen? Der Himmel verhüte es! Ich werde nur so lange verweilen, als meine Gefährten hier bleiben, und ich werde Sorge tragen, mich, während ich hier verweile, vor Jedermann zu verbergen. Ich bin heute Abend nach Eintritt der Dunkelheit hierher gekommen, um den alten Platz zu