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Mein Orient-Tagebuch: Der Löwe von Aššur. Tomos ForrestЧитать онлайн книгу.

Mein Orient-Tagebuch: Der Löwe von Aššur - Tomos Forrest


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Kräutern angedickt.

      Ich bestellte mir sicherheitshalber einen Schweinebraten Thüringer Art mit Klößen und Rotkohl und war gespannt, wie Sir David auf das Essen reagieren würde. Zu meiner Überraschung verzehrte er es klaglos und ohne die Miene zu verziehen. Da es für ihn selbstverständlich war, die Rechnung zu übernehmen, gab er ein großzügiges Trinkgeld und wollte dann mit mir in ein Café wechseln, damit wir uns ungestört unterhalten konnten.

      Kaum wieder auf der Straße, sagte er laut zu mir:

      „Scheußliches Essen, kann mich nicht erinnern, jemals so eine Soße gegessen zu haben.“

      Aber damit war die Sache für ihn auch abgeschlossen, er bemerkte mein Grinsen nicht und stiefelte wieder schweigend neben mir her, bis wir an den Brühlschen Terrassen angekommen waren, wo wir einen Fensterplatz mit Blick auf die Elbe in einem der zahlreichen Cafés fanden.

      Hier nun schien mein englischer Bekannter förmlich aufzutauen. Die Karte lag wieder auf dem Tisch, wenn auch nicht aufgefaltet, dazu ein paar handschriftliche Aufzeichnungen sowie ein kleines Büchlein.

      „Well, Master!“, begann er und benutzte dabei seine übliche Anrede. „Werden also wieder gemeinsam reisen. Marseille, Tunis, Bagdad. Aššur. Habe starke Partner in Tunis und in Bagdad, yes!“

      Ich antwortete ihm nicht, sondern betrachtete ihn nur belustigt.

      Sein hageres, aber noch immer gebräuntes Gesicht hatte ein paar scharfe Linien mehr erhalten als bei unserem letzten Treffen. Und die Narbe seiner Aleppo-Beule auf der ohnehin großen Nase fiel als besonderes Merkmal auf.

      „Ich habe doch gesagt, dass ich weder Zeit noch Lust zu einer weiteren Orient-Reise habe.“

      Lindsay warf mir einen vorwurfsvollen Blick zu.

      „Diesmal alles anders. Habe geheime Informationen. Werden prächtige Abenteuer erleben. Hadschi Halef Omar treffen. Und Fowling Bulls ausgraben, yes!“

      Bei so viel Zuversicht, mich doch noch umstimmen zu können, musste ich fast schon wieder lachen, aber ich schüttelte den Kopf.

      „Ich habe zu tun. Meine letzten Reiseerlebnisse müssen noch einmal vor dem Druck durchgesehen werden, und dann …“

      „Alles kein Problem, Master. Wir reisen, Ihr lest unterwegs. Zahle alles, well.“

      Damit schien die Sache für ihn erledigt zu sein, er gab dem Kellner ein Zeichen und ließ sich die Rechnung bringen.

      „Hört mal, Sir David, aber ich …“

      Er musterte mich höchst erstaunt und unterbrach mich:

      „Mache Vorschlag, Master. Treffen uns heute in einer Woche auf dem Hauptbahnhof. Da geht – Moment …“ Rasch kramte er in seiner Tasche, dann zog er einen weiteren Zettel hervor. „Da geht um neun Uhr dreißig unser Zug. Ich werde alles reservieren. Wir treffen uns am Zug. Bis dahin habt Ihr Eure Schreibereien fertig und wir fahren los. Diesen Umschlag nehmt an Euch und beschäftigt Euch mit dem Inhalt. Es wird interessant, Master. Viele Abenteuer!“

      „Aber – ich muss den Abendzug nehmen, weil mich mein Verleger erwartet! Das ist mir von der Zeit her alles zu knapp, und ich kann nicht …“

      „Well!“, antwortete Lindsay und nickte mir knapp zu. „In einer Woche auf dem Bahnhof. Neun Uhr dreißig.“

      Damit griff er seinen Zylinder auf und stolzierte davon, ohne sich noch ein einziges Mal nach mir umzusehen. Fast hätte ich ihm wütend etwas nachgerufen, aber dann beruhigte ich mich wieder.

      Warum sollte ich seiner Einladung nicht folgen? Natürlich, es war zeitlich etwas eng, aber ich konnte mit meinem Verleger alles in zwei Tagen klären, wäre danach wieder zurück und hätte noch Zeit genug, meine Ausrüstung zu vervollständigen und mein ohnehin nicht umfangreiches Gepäck zu packen.

      Schon halb entschlossen, stand ich auf und – stieß mit einem Mann zusammen, der am Nebentisch gesessen hatte und sich ebenfalls erhob.

      „Verzeihung!“, sagte der Fremde, als mir mein Umschlag aus der Hand fiel, eine Karte herausrutschte und auch noch ein Foto daneben lag. Rasch bückte sich der Mann, griff nach meinen Dingen und hob sie für mich auf. „Wie ungeschickt von mir, bitte nochmals um Verzeihung!“

      Damit drückte er mir alles wieder in die Hand, nickte mir zu und war aus dem Café, noch bevor ich richtig reagiert hatte.

      Seltsam, irgendwie kam mir der Mann bekannt vor!, dachte ich, während ich ebenfalls auf die Straße trat. Aber ich konnte mir nicht erklären, wo ich ihn bereits gesehen hatte. War der Zusammenstoß vielleicht absichtlich erfolgt und hatte der Fremde unser Gespräch am Nebentisch mit angehört? Irritiert sah ich mich auf der Straße nach ihm um, konnte ihn aber nirgendwo mehr entdecken. Er war groß und breitschultrig, ein dichter, schwarzer Bart bedeckte seine Züge fast vollständig, und die Augen, mit denen er mich rasch gemustert hatte, zeigten einen verschlagenen Ausdruck.

      Etwas beunruhigt griff ich nach meiner Brieftasche, fand sie aber am gewohnten Ort und dachte mir nun nichts weiter. Es war meine Absicht, direkt vom Vortrag zum Bahnhof zu gehen, wo ich bereits meine Reisetasche aufgegeben hatte. Noch war genügend Zeit bis zur Abfahrt, und ich schlenderte langsam in die Richtung des Dresdner Bahnhofs. Manchmal blieb ich an einer Schaufensterauslage stehen, und einmal war es mir so, als würde mich der Unbekannte aus dem Café verfolgen. Rasch drehte ich mich nach der Gestalt um, musste aber feststellen, dass ich mich geirrt hatte.

      Na, Charly, da schneit der englische Hobbyforscher unverhofft in meinen Vortrag, und schon beginnst du, überall Gespenster zu sehen. Warum sollte der Unbekannte mich überhaupt verfolgen?

      Trotzdem sah ich mich jetzt häufiger mal um und beobachtete die Menschen, die mit mir in die gleiche Richtung strebten, in den Schaufensterscheiben. Doch nichts konnte meinen Verdacht bestätigen, und schließlich betrat ich den vor Menschen wimmelnden Bahnhof, ging zur Gepäckausgabe und ließ mir meine Reisetasche wieder aushändigen.

      Laute Rufe, Pfiffe, dazu die ein- und auslaufenden Lokomotiven – das alles vermischte sich zu einem starken Crescendo und machte mich nahezu taub für Geräusche in meiner unmittelbaren Nähe. Gerade stand ich vor der Auslage einer Buchhandlung, als ich eine leise Stimme vernahm und zugleich am Rock gezupft wurde:

      „Einen Groschen, Herr, nur einen Groschen für eine warme Mahlzeit!“

      Erstaunt blickte ich den schiefen Menschen in seinen erbärmlichen Lumpen an, der vor mir stand und einen fast zahnlosen Mund zu einem seltsamen Lächeln verzerrte.

      Er streckte mir eine unglaublich dreckige Hand flehend entgegen, und ich konnte nicht umhin, zog meine Geldbörse und drückte dem Bettler mehrere Münzen in die Hand.

      „Danke Herr, Sie sind ein feiner Mensch! Der liebe Gott möge Sie auf Ihren Wegen beschützen und alles Böse von Ihnen fernhalten!“

      Damit bewegte sich der Bettler auf eine unglaubliche Weise weiter. Seine Beine schienen so verkrüppelt zu sein, dass er nur seitwärts laufen konnte und sich wie ein Krebs zwischen der Menge bewegte, immer wieder seine klägliche Stimme erhebend und die Menschen anbettelnd.

      Ich verlor ihn bald aus den Augen, kaufte mir eine Zeitung für die Reise und stieg wenig später in den bereits wartenden Zug. Glücklicherweise hatte ich das Abteil allein für mich und konnte mich entsprechend ausbreiten. Der Zug stand noch, als ich mich bereits in den Inhalt des Umschlages vertieft hatte. Da war zunächst einmal die Fotografie, die mir eine unbekannte Gegend zeigte, die von zahlreichen Trümmern übersät war. Ein paar hell gekleidete Personen waren dazwischen zu erkennen, und ich folgerte daraus, dass mir Lindsay das Foto einer Ausgrabungsstätte in den Umschlag gelegt hatte.

      Die ebenfalls enthaltene Karte war identisch mit der, die er aus seiner Jackentasche gezogen hatte, und dann ärgerlich zusammenfaltete, als der Direktor der Geografischen Gesellschaft einen neugierigen Blick darauf geworfen hatte. Die Karte zeigte auf der einen Seite einen Überblick über das Zweistromland zwischen Euphrat und Tigris, auf der anderen Seite Details um die Städte Ninive und Aššur. Bei der zweiten Stadt fand ich ein Kreuz auf der Karte


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