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Die Kaiserreich Trilogie, 3. Der Kopf. Heinrich MannЧитать онлайн книгу.

Die Kaiserreich Trilogie, 3. Der Kopf - Heinrich Mann


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ihr und mir. Wir alle sind eins.«

      Sie fragte: »Wovon ist Dein Gesicht so schön?« denn es war schwärmend, war selig aufgelöst.

      »Von Dir ein Kind!« sagte er glühend; und wie sehr sie ihn auslachte, sich empörte und ihm ihren unversehrten Leib zeigte: »Von Dir ein Kind!« – bis sie an ihm hing, bittend und ergeben.

      Endlich nochmals: »So soll ich ohne Dich hinausgehen.« Darauf sagte sie: es klinge schlimm und sei doch nur das Leben. Man gewöhne sich, allein zu sein und dennoch überall abzuhängen. Dieses Beides sei es. »Mir kann es nichts anhaben.«

      »Ist denn das Leben nur geschaffen, um uns nichts anzuhaben? Welchen Zweck hat es?«

      »Diesen!« sagte sie im Kuß.

      Nach einigen Semestern an Universitäten, deren absichtsvoll erhaltene Romantik ihn in seiner modernen Geistesverfassung nur bestärkt hatte, ging Wolf Mangolf, um seine Studien abzuschließen, 1894 nach München. Dieser junge Doktor verkehrte bald bei mehreren Professoren und mit ihrer Hilfe noch weiter oben. Er glänzte nicht weniger auf Faschings- oder Sommerfesten, als bei den ernsteren Veranstaltungen der kunst- und bildungsbeflissenen Jugend.

      Aber in seinen beiden elegant möblierten Parterrezimmern, wo der Lebenskämpfer unbeachtet nur die bescheidenste kalte Mahlzeit aß, streifte er sogleich seinen gutgeschnittenen Rock ab, und in alten, engen Schülerkleidern, die Stirn in Falten, rechnete er und zog die Bilanz. Die glühenden Wangen der Mädchen, die sich hatten küssen lassen, wurden genau so hoch veranschlagt, wie der Einfluß ihrer Väter reichte. Der kalte Händedruck eines jungen Adeligen wog schwerer. Der Beifall, nachdem wir »Tristan« gespielt hatten, ward auf seinen praktischen Gehalt untersucht. Wie viele Beziehungen hatte der Sommer uns eingetragen, wohin führte jene Einladung auf das Land, welche Aussichten auf offizielle Beachtung eröffnete solch' eine rechtzeitige Heuchelei?

      Graf Lannas, »mein Kollege Graf Lannas«, hatte wörtlich gesagt: »Jeder junge Mann, der unsere tatsächlichen Zustände heute richtig beurteilt, darf annehmen, daß irgendwo gewisse Personen, die hierzu in der Lage sind, ein Auge auf ihn haben.«

      Langsam und deutlich, vorigen Dienstag sieben Uhr, auf der Toilette. War es dennoch nur so hingesagt? »Am Mittwoch nahm er meine Einladung zum Frühstück an, am Donnerstag kam er. Er schien nicht verwundert, daß es Kaviar gab. Die Bürgschaft auf dem Wechsel verlangte er wahrhaftig von gleich zu gleich. Ich bin felsenfest überzeugt, daß er mich nicht mit ihr hängen läßt. Ein Graf Lannas, Sohn des Botschafters! Früher oder später erfährt es der Vater. Man hat ein Auge auf mich.«

      Was nicht hinderte, daß die Bürgschaft den Hals kosten konnte! »Ich bin harmlos wie ein Kind. Was machen sich jene Leute noch aus dem Plebejer, der ihnen gedient hat.« Heiß emporsteigend der Haß gegen die Mächtigen, – aber selbst den Haß übertäubte der durchbohrende Schmerz: Du bist klein, bist abhängig von Wesen, die nach dem Recht der Natur Dir untergeben wären. Du mußt Dich in ihre Art einfühlen, Dein besseres Wissen hat sich auszugleichen mit ihrer Gesinnung, Du verleugnest Dich täglich. Wie lebst Du!

      Den Brechreiz aufhalten, sich hinstrecken und die Augen schließen. Da erschien hinter den Lidern der Freund, verloren, ausgemerzt seit Jahren, von fern wie sehr verachtet, – aber träte er jetzt ein, Du fielest auf die Knie. Er würde sein maskenloses Gesicht haben, das die wahren Gefühle furchten, und es würde Reinheit fordern, auch von Dir. »Von mir! Was weiß er von mir. So einer fährt wie ein Tor durch die Welt, er will nichts, ihn brennt nichts, ihn reißt nichts hinab. Den Zwiespalt, worin Verzweiflung und Tod lauern, er sieht ihn garnicht. Der hat es leicht, der ist kein Ehrgeiziger!«

      Und der Ehrgeizige neigte sich gegen sein Spiegelbild, diese bestgekannten Züge. Zu solcher Stunde waren sie von Selbstqual vertieft und zurückgesunken unter der breiten gelben Stirn, einer erschlafften Greisenstirn. Die Augen begegneten sich selbst mit bangem Haß. So saß er, und sein Geist durchmaß nun glühend, nun mit Schaudern, Erfolg, Macht und Tod, – bis endlich von allem Irdischen das Beste kam, der Schlaf, so heißgeliebt von einem süchtigen Ich, das sich vergessen darf.

      Am Morgen erinnerte er sich dann: »Ich war noch immer nicht bei Lea. Die Bahnfahrt ist kurz, und sie wartet.« Er brach ab. Liebte man denn eine erfolglose Schauspielerin?

      Dann also hinaus unter Menschen, heiter und nützlich sein, und gefallen. Schön gelenkig, auf den Händen durch das Zimmer! Einem so gewandten jungen Mann sieht niemand das Gesicht an, das er gestern zur Nacht hatte. Fratzen vor dem Spiegel! Das stimmt gelassen. Ist der Anzug einwandfrei in den Augen des Gecken wie des Spießers?

      Schon war er unterwegs und in Gang gesetzt, der unbefangene junge Mann namens Wolf Mangolf; – da kreuzte seinen beschwingten Weg der Gedanke an eine unpassend gewählte Kravatte, und nichts half, er mußte nochmals umkehren.

      An solchem schönen Septembertag begegnete er einem gewissen Kurschmied, einem unbeträchtlichen Bekannten. Mangolf wußte zuerst nicht einmal, wo er den geringelten Blondkopf schon gesehen habe. In der Umgebung eines Stadttheaters offenbar. Ganz recht, bei Lea. Ein Kollege, der ihr seine Verse vorlas. Aussichtsloses Mittel, ihr die Besinnung zu rauben.

      Dieser Kurschmied überbrachte Grüße von ihr, und zwar in einer betretenen und anzüglichen Art. Es sollte bedeuten: »Sie ruft nach Dir, warum kommst Du nicht. Ich, der ich sie ehrlicher liebe als Du, habe von ihr den Auftrag, Dich zu holen. Da bin ich mit meinem tragischen Weh, was sagst Du.«

      Mangolf nahm ihn einfach auf die Oktoberwiese mit, zur Erheiterung im Glanz der Buden, Karussells und Bierhallen. Zwei launige Maler waren noch dabei, ein reicher Junge, und dann Graf Lannas. Frauen fehlten, der Reiche bemerkte es schmerzlich, indes er um zwei Köpfe höher als Andere, dort oben sein Monokel einklemmte. Da stürmte er langbeinig in das Gedränge. Die Musik, von allen Seiten zusammendröhnend, verschlang seinen Schlachtruf, aber es war klar, er hatte ein Weib gesichtet. Die Übrigen folgten, Kurschmied immer bei Mangolf, immer beflissen für den Bevorzugten, als sei es ein Vorgesetzter.

      Endlich zeigte es sich, was der Reiche vorhatte. An einem großen, wild flirrenden und brüllenden Karussell vorbei stürzte er sich hinter eine Budenreihe und auf ein nichts ahnendes Geschöpf. Es stand in kurzen Flitterröckchen, hielt frierend ein armes Tuch am Hals zusammen und erwartete irgendwen, zwischen Latten und flatterndem Sackleinen, an der Kehrseite des Festglanzes.

      Die Freunde des Reichen ließen ihn gewähren, von drüben aber nahte schnell und sicher eine gedrungene Gestalt, befreite kurzer Hand das Flitterröckchen und ging mit ihm ab. Unter einer Lampe waren sie zu sehen, sie hatte viel rotes Haar, er aber ein überaus entschlossenes Profil. Hiebei ließen die Herren es bewenden, nur Mangolf nicht. Er verlor absichtlich die Anderen. Kurschmied freilich war unverlierbar, Mangolf mußte sich ihm halbwegs anvertrauen. Jener Mann – es beunruhigte ihn, ob es wirklich ein alter Bekannter sei. Nicht, daß er, unter solchen Umständen, die Bekanntschaft zu erneuern wünschte. Kurschmied werde es verstehen. Kurschmied verstand noch mehr. Sein schonender Ton besagte, er ahne Hintergründe. So suchten sie gemeinsam rund um das große, wild flirrende Karussell und auf den dunklen Rückseiten nach Claudius Terra.

      Aber einmal, in der Helligkeit der größten Budengasse, begegnete der Freund ihm wirklich. Während Kurschmied in der Menge suchte, sah Mangolf den Freund dort hinten durch einen freien Kreis schreiten. Halstuch und helles Jäckchen, die Hand in der Tasche der schwarzen Hose, heruntergekommen, aber den Kopf im Nacken. Mangolf wußte, der ablehnende Blick des Freundes habe ihn schon gestreift, er werde nicht mehr hersehen, so konnte er ihn lange betrachten. Im Betrachten aber ward sein Ausdruck demütig, – und als er dessen bewußt ward, war es zu spät; Kurschmied stand da und nickte, als wisse er alles.

      Worauf Mangolf ihn kurz entließ und seiner Wege ging. Wer wollte sich zwischen ihn und Terra drängen! Er suchte den Rest des Tages nach ihm, wo er hinkam, gespannt, wie zum Zweikampf. Er lehnte es ab, Auskünfte einzuholen; von ihm selbst, aus eigenem Mund, wollte er wissen, auf welcher schiefen Bahn der Freund begriffen sei, wohin das ungebundene, ehrgeizlose Leben führte. Terra hatte ihn erblickt; er war nicht der Verräter, ihm dauernd auszuweichen.

      Am


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