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Kleine Erzählungen und Nachgelassene Schriften 1. Gerstäcker FriedrichЧитать онлайн книгу.

Kleine Erzählungen und Nachgelassene Schriften 1 - Gerstäcker Friedrich


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Eine eigene Angst überkommt mich in Deiner Nähe – fort und laß mich allein sterben!“

      Ein Lächeln flog über die Züge des Fremden.

      „Es ist sehr freundlich von Ihnen,“ sagte er, „daß Sie mich mit dem vertraulichen Du anreden, und wenn Sie nicht in solcher entsetzlichen Eile wären, die mondbeschienene Erdoberfläche zu verlassen, so könnte es vielleicht zu einer näheren Bekanntschaft führen – doch die Menschen sagen: des Menschen Wille ist sein Himmelreich, und wer sich aus diesem Himmelreich selber eine Hölle machen will, dem,“ setzte er achselzuckend hinzu, „kann man es natürlich nicht wehren. Ich störe außerdem nie ein Vergnügen – also à revoir mon cher, denn – wenn Sie Ihren Vorsatz ausführen, soupiren wir vielleicht heut Abend noch zusammen.“

      Damit lüftete er leicht den Hut, drehte sich ab und wollte den Platz eben verlassen, als der junge Verbrecher, vielleicht durch die Verzögerung und das Zusammentreffen mit einem Fremden – möglicher Weise auch durch die furchtbare Bereit /15/ willigkeit wankend gemacht, mit der dieser ihn in seinem Vorsatz zu bestärken schien, ihn noch einmal anrief:

      „Und ist das alle Hülfe, die Sie mir leisten wollten?“

      Der Fremde drehte sich lachend um und sagte:

      „Wünschen Sie vielleicht Geld von mir zu borgen?“

      „Teufel!“ knirschte der junge Verbrecher zwischen den Zähnen, wandte sich ab und ergriff jetzt entschlossen die Leiter – was auch hatte er auf Erden noch zu suchen – aber der Fremde schien sich anders besonnen zu haben. Er ging nicht, sondern kehrte um, kam bis auf fünf Schritt etwa, wo der junge Mann schon die Schlinge befestigte, heran und sagte:

      „Hören Sie einmal, lieber Freund. Sie scheinen mir ein nicht unbedeutendes Ahnungsvermögen zu besitzen. Warten Sie noch einen Augenblick mit Ihrer Abreise, es wär’ doch möglich, daß ich auch hier auf Erden noch eine Beschäftigung für Sie fände.“

      „Sie? für mich?“ sagte der junge Selbstmörder mit finsterem Blick. „Wer sind Sie denn überhaupt?“

      „Der Teufel,“ sagte der Fremde ruhig – und nur mit einem leisen spöttischen Zug um die Lippen. „Sie nannten ja vorhin meinen Namen.“

      „Der Teufel?“ rief der Unglückliche, und ein eigenthümliches Zittern flog über seinen Leib – die stille Nacht – der fahle Mondschein, der einsame Ort, ja die unheilige Absicht selbst, in der er sich hier befand, das alles mochte zusammenwirken, um sein Herz mit einem unbestimmten Schauder zu erfüllen – aber das konnte doch nur Momente dauern, und mit heiserer Stimme lachte er wild auf:

      „Das wäre in der That ein vortrefflicher Gesellschafter für meine Reise – wenn es überhaupt einen Teufel gäbe. – Nur so viel ist sicher, ein Herz haben Sie nicht, oder Sie könnten nicht mit einem Menschen in meiner Lage Ihren Scherz noch treiben. Fort! Sie sind nicht im Stande, mir zu helfen.“

      „Das käme auf einen Versuch an,“ sagte der Fremde. „Sie brauchen jedenfalls Geld, weiter nichts.“

      „Und selbst eine kleine Summe könnte mir nichts nützen,“ sagte der junge Spieler finster, „mein Unglück liegt tiefer – /16/ ich habe meinen Beruf verfehlt, und jede Hülfe jetzt würde nur dazu dienen, mein Schicksal um Monate – ja vielleicht Wochen hinaus zu zögern.“

      „Ihren Beruf verfehlt? Caramba!“ sagte der Fremde (und der Teufel soll allerdings immer nur spanisch, aber dabei anständig fluchen) „an solchen Leuten habe ich eigentlich von jeher ein Interesse genommen. Ich verkehre am allerliebsten mit Menschen, die ihren Beruf verfehlt haben. Kommen Sie herunter und lassen Sie uns ein halbes Stündchen mit einander plaudern; wollen Sie sich nachher noch absolut hängen, so haben Sie die ganze Nacht vor sich, und kein Mensch wird Sie daran verhindern. Was sind Sie eigentlich?“

      „Zuerst beantworten Sie mir die nämliche Frage, die ich vorhin an Sie gerichtet,“ sagte da der junge Mann, der jetzt von der Leiter wieder herabstieg, aber trotzdem noch mit einem heimlichen Grausen in das bleiche Antlitz des Fremden sah.

      „Und habe ich das nicht schon gethan?“ sagte dieser ruhig. „Ich bin wirklich der Teufel.“

      „Sie treiben Ihren Spott mit mir,“ rief der junge Mann, indem er aber doch die Gestalt des Fremden mit einem scheuen Blick überflog.

      „Wie soll ich mich legitimiren?“ erwiderte achselzuckend der Fremde; „glauben Sie etwa, daß ich mit Hörnern und Pferdefuß herumlaufe, wie mich einzelne alberne Menschen schildern, um Kinder und Schafsköpfe damit fürchten zu machen? Mit einer solchen Gestalt könnte ich mich natürlich vor Niemandem blicken lassen. Am Tag aber von Geschäften überladen, besuche ich gern Abends im Mondenschein die Erde und gehe dann eben mit dem Monde; denn irgendwo scheint er doch die ganze Nacht.“

      „Und was wollen Sie von mir?“ sagte der junge Mann scheu, und fühlte wie ein Zittern durch seine Glieder lief – „meine Seele?“

      Der Fremde lachte laut auf. „Glauben Sie wirklich, daß ich mich einer einzigen lumpigen Seele wegen hier eine Stunde zu Ihnen gesellt hätte? Das wäre der Mühe werth! Ich habe meine Freude an ganz anderen Dingen und, wie gesagt, viel mehr Vergnügen daran, Leute, die ihren Beruf /17/ verfehlt haben, in die richtige und passende Bahn zu bringen, als sie abfahren zu sehen, ohne daß sie der Welt – und mir etwas genützt hätten. Wie heißen Sie?“

      „Guido Lerche.“

      „Und Ihr bisheriger Beruf?“

      Guido Lerche schwieg und sah düster nach dem Fremden hinüber, endlich sagte er: „Schriftsteller – Dichter – aber wenn Sie der wirklich wären, für den Sie sich ausgeben, so müßten Sie doch auch mich und meinen Beruf kennen.“

      Achselzuckend erwiderte der Fremde: „Die Menschen sagen allerdings häufig: „Der Teufel soll alle Schriftsteller und Schriftstellerinnen Deutschlands kennen“; es ist das aber nur eine ganz gemeine Schmeichelei – ich bin es nicht im Stande. Sie müssen mich deshalb entschuldigen. – Wahrscheinlich schreiben Sie anonym?“

      Guido Lerche biß sich auf die Unterlippe; er stand schon gewissermaßen mit einem Fuß in einer andern Welt, aber die kleine Eitelkeit dieser hatte ihn trotzdem noch nicht ganz verlassen; der Fremde aber, der es bemerken mochte, sagte etwas freundlicher:

      „Kommen Sie, lieber Herr Lerche – lassen Sie vor der Hand noch den Strick los und uns Beide einmal vernünftig mit einander sprechen. Ich gebe Ihnen mein Wort, daß ich schon vielen Leuten geholfen habe, und sobald Sie sich nur ein klein wenig anstellig zeigen, ist die Sache auch gar nicht etwa so schwer. Nur mit dummen Menschen mag ich nichts zu thun haben, oder die brauchen mich vielmehr nicht. Sie arbeiten mir auch sehr häufig durch ihre Dummheit in die Hände, und anfangen läßt sich doch nichts mit ihnen – man muß sie eben einfach gehen lassen.“

      „Und Sie wollen mir helfen?“ sagte Lerche, ohne aber bis jetzt noch seine Stellung zu verändern – „und wie das anfangen? Soll etwa meine unsterbliche Seele der Preis sein?“

      „Seien Sie nicht kindisch,“ erwiderte der Fremde; „wenn mir etwas an Ihrer ‚unsterblichen Seele‘ läge, so brauchte ich Sie ja nur nicht zu stören. Sie machen sich überhaupt von Ihrer Seele und meinem Verlangen danach einen total falschen Begriff und beurtheilen die Sache einfach wie /18/ der große Haufe nach den verschiedenen Märchen, die sie darüber hören, und die gewöhnlich geradezu abgeschmackt sind.“

      In Guido Lerche’s Herzen dämmerte in dem Moment zuerst wieder eine Hoffnung. War es denn nicht möglich, daß er hier einen reichen – und dann natürlich verrückten Engländer gefunden hatte, der zufällig Zeuge seines beabsichtigten Selbstmordversuchs gewesen, und nun in seiner barocken Weise ihm zu helfen wünschte? Er mußte wenigstens wissen, was der Fremde, der sich für den Teufel ausgab, eigentlich von ihm wolle und ob er in ihm einen Retter gefunden – der letzte Ausweg blieb ihm ja dann noch immer unverwehrt. Er ließ den Strick los, trat von den untersten Sprossen der Leiter herunter und die Arme verschränkt auf den Fremden zu, der ihn ruhig, wo er stand, erwartete. Jetzt sagte er freundlich:

      „Kommen Sie, Herr Lerche,


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