Fiammetta. Джованни БоккаччоЧитать онлайн книгу.
können, was mir nicht sogleich im vollen Maß gewährt worden wäre!
Mein junger Gemahl fand in mir sein einziges Gut, seine höchste Glückseligkeit, und so wie er von mir geliebt ward, liebte er mich auch wieder.
O! wie weit glücklicher als andere hätte ich mich preisen können, wenn das Gefühl solcher Liebe mir stets treu geblieben wäre! Ich war zufrieden, und mein Leben schien ein immerwährendes Fest, als das Glück, welches schnell die irdischen Dinge verkehrt und die mir geschenkten Güter selbst zu beneiden schien, auf einmal seine Hand von mir abzog und mit schlauer Überlegung, auf welche Art es meine Ruhe am besten vergiften könne, mich durch meine eigenen Augen den Weg ins Verderben finden ließ. Und gewiß, kräftiger hätte das Gift auf keine andere Weise wirken können als auf diese.
Aber die Götter, die mich damals noch liebten und wegen meines Geschickes besorgt waren, sahen, wie das Glück mir heimlich nachstellte, und wollten meine Brust bewaffnen, wenn ich anders ihren Willen verstanden hätte; nicht unbewehrt sollte ich in den Kampf gehen, in dem ich fallen sollte.
Deshalb ward ich in der Nacht vor dem Tage, da mein Verderben begann, durch ein deutliches Gesicht über die künftigen Begebenheiten erleuchtet, und zwar auf folgende Weise: Mir, die ich auf dem weichsten Lager, alle Glieder waren in tiefem Schlaf aufgelöst, ruhete, kam es vor, als wäre es Tag, aber heiterer und strahlender wie noch je, und ich selbst fröhlicher und leichter als jemals.
Und weiter schien es mir, als säße ich in meinem fröhlichen Mut ganz allein auf dem zarten Grün einer Wiese, wo die Schatten jung blühender Bäume mich vor den sengenden Strahlen der Sonne schirmten. Der ganze Grund war mit Blumen übersäet; ich hatte verschiedene gepflückt und mit meinen weißen Händen in eine Falte meines Gewandes gesammelt: jetzt zog ich jede Blume einzeln hervor, und aus den schönsten und gewähltesten wand ich mir einen Kranz, womit ich meine Locken schmückte. So Proserpinen gleich geziert, als Pluto sie ihrer Mutter raubte, stand ich auf und ging mit fröhlichem Gesang durch den neuen Frühling dahin, bis ich ermüdet mich in das weiche, dichte Gras ausstreckte und ruhete. Aber ebenso wie damals ein verborgenes Tier Eurydicens zarten Fuß verletzte, so kam es mir im Traum auch vor, als schliche sich aus dem Gras eine Schlange zu mir heran, die mich unter der linken Brust verwundete. Anfangs schien es mir, als fühlte ich bei dem ersten Biß ihrer scharfen Zähne ein leichtes Brennen. Und da ich nichts Schlimmeres besorgte und kühner ward, verbarg ich die kalte Schlange an meinem Busen, weil ich durch die Güte, sie an meinem Busen zu wärmen, sie zu bewegen hoffte, auch mir freundlicher zu sein. Aber durch meine Milde nur stolzer geworden und sicherer, nahte sie mit ihrem verruchten Mund wiederum der mir gegebenen Wunde, und nachdem sie lange mein Blut getrunken hatte, dünkte es mir, als schlüpfte sie von meinem Busen hinweg und schliche mit neuem Leben unter die Blumen, wo sie zuerst gelegen hatte.
Und wie sie verschwand, trübte sich der fröhliche Tag, sein Schatten kam hinter mir her und bedeckte mich ganz. Und so wie die Schlange sich entfernte, folgte die Dunkelheit, als würde sie von ihr angezogen. Eine Menge dunkler Wolken drangen herab und folgten ihr.
Und so wie ein weißer Stein, in tiefes Wasser geworfen, nach und nach vor den Blicken des Zuschauers undeutlich wird und verschwindet, so verlor auch ich sie endlich ganz aus dem Gesicht. Jetzt sah ich den Himmel gänzlich eingehüllt, die Sonne war hinweggegangen, und ich glaubte, eine Nacht sei angebrochen, wie sie einst bei den Griechen dem Verbrechen des Atreus folgte. Blitze zuckten in wilder Verworrenheit durch den Himmel, und mein Herz bebte gleich der Erde vor der furchtbaren Stimme des Donners.
Meine Wunde, die mich bis jetzt nur an einer Stelle geschmerzt hatte, verbreitete sich mit giftiger Glut, und ohne rettende Heilmittel ward der ganze Körper von einer häßlichen Geschwulst bedeckt.
Mit der Flucht der Schlange schien auf eine unbeschreibliche Art mir auch die Seele entflohen zu sein. Ich fühlte, wie die Macht des Giftes auf den feinsten Zugängen nach dem Herzen drang, und ich streckte mich auf die frischen Rosen hin, um den Tod zu erwarten. Schon schien der Augenblick gekommen zu sein, wo ich sterben sollte, als mein Herz, noch von Schrecken über den furchtbaren Sturm pochend und den Tod erwartend, einen so heftigen Schmerz empfand, daß der ganze Körper auch im Schlummer erzitterte und die Bande seines tiefen Schlafes zerrissen. Kaum war ich erwacht, so fuhr ich, noch voll Furcht über mein Traumgesicht, schnell mit der rechten Hand nach der verwundeten Stelle. Ach! ich suchte in der Gegenwart die Wunde, welche erst in Zukunft meiner harrte!
Als ich mich gesund und unverletzt sah, da kehrten schnell mein fröhlicher Mut und meine Sicherheit zurück; ich verhöhnte die Torheiten meines Traumes und vereitelte so die Bemühung der Götter. Ach weh mir, daß ich diese damals verachteten Winke, zu meinem tiefen Schmerz, in der Folge für wahr anerkennen mußte! –
Was half es mir, meine Blindheit zu beweinen und die Götter anzuklagen, daß sie ihre Geheimnisse dem groben Sinn des Menschen so dunkel und unverständlich kundtun und ihre Warnungen nicht eher begreiflich werden, bis die Begebenheiten selbst sie erklären!
So war ich denn erwacht und richtete das schlaftrunkene Haupt in die Höhe. Da fiel durch einen kleinen Spalt ein Strahl der neuen Sonne in meine Kammer; mit ihm entwich mir jeder andere Gedanke, und fröhlich stand ich auf.
Dieser Tag war höchst feierlich für jedermann. Deshalb wandte auch ich die größte Sorgfalt an, mich festlich zu schmücken. Mein Gewand leuchtete von Gold, und mit Meisterhand wußte ich mich, gleich einer der Göttinnen, als sie sich in Idas Tal dem Paris zeigen wollten, zu zieren, um an der großen Festlichkeit würdig teilnehmen zu können. Als ich mich jetzt im Spiegel sah und wie der Pfau seine schimmernden Federn von allen Seiten betrachtete, als ich in süßer Selbstbewunderung den andern ebenso zu gefallen hoffte wie mir selbst, da weiß ich nicht, wie es geschah, daß eine Blume meines Hauptschmuckes sich in den Vorhang meines Lagers verwickelte und zur Erde fiel. Vielleicht auch, daß eine himmlische Hand, von mir ungesehen, sie mir entführte. Ich aber, auch dieses geheimen Winkes der Götter nicht achtend, hob sie wieder auf, befestigte sie von neuem in meine Locken und ging hinweg, als wenn nichts geschehen wäre.
Ach! konnten die Himmlischen mir ein deutlicheres Zeichen von dem, was mir bevorstand, geben? Gewiß, sie konnten es nicht. Hätte ich es recht verstanden, so war dies hinreichend, mir zu sagen, daß an diesem Tage meine Seele, die bis dahin eine freie Herrin ihrer selbst gewesen war, ihr Fürstentum verlieren und eine Sklavin werden sollte – und es ward! O! wenn damals mein Gemüt gesund gewesen wäre, so hätte ich leicht erkennen müssen, welch ein schwarzes Verhängnis an diesem Tag über mir waltete, und im stillen, in meine Wohnung eingeschlossen, hätte ich ihn verlebt! Aber es berauben die himmlischen Mächte die, gegen welche sie erzürnt sind, der wahren Einsicht, obgleich sie ihnen die heilsamen Winke über ihr Heil nicht vorenthalten. Und so scheint es, daß sie mit einem Male beides, ihrer Schuldigkeit Genüge leisten und ihren Zorn sättigen, wollen.
Mein Schicksal also wollte, daß ich glänzend und mit sorglosem Mut mein Haus verließ. Von mehreren begleitet, gelangte ich mit abgemessenen Schritten in den geheiligten Tempel, wo die an solchen Tagen üblichen, feierlichen Gebräuche bereits begonnen hatten. Mir aber hatten ein alter Gebrauch und mein Rang unter den andern Frauen eine sehr ausgezeichnete Stelle aufbewahrt, und sobald ich Platz genommen hatte, unterließ ich nicht, meiner Gewohnheit nach die Augen nach allen Seiten hin zu wenden und die vielen Männer und Frauen zu betrachten, welche in verschiedenen Gruppen den Tempel erfüllten.
Die heiligen Gebräuche huben an, und sobald man mich im Tempel wahrnahm, geschah es, wie ich schon gewohnt war, daß nicht allein die Männer, sondern auch die Frauen ihre Blicke bewundernd auf mich hefteten, nicht anders, als wäre eine Göttin sichtbar zu ihnen herabgestiegen. O! wie oft hatte ich bei mir selbst diesen Wahn belächelt, der mich jedoch sehr ergötzte und mich in meinen Gedanken wirklich zu einer Göttin erhob. Alle die Kreise von Jünglingen hörten nun auf, sich um andere zu drehen, und bildeten, dicht um mich versammelt, gleichsam einen Kranz, indes sie abwechselnd über meine Schönheit sprachen und mich fast einstimmig erhoben und rühmten. Und ich, indes meine Augen mit andern Gegenständen beschäftigt schienen, lauschte ihren Worten mit der süßesten Wollust und gönnte ihnen dann wohl, als wäre ich ihnen deshalb verpflichtet, einige günstigere Blicke. O! nicht einmal, sondern oft bemerkte ich dann, wie einer oder der andere sich deshalb mit leerer Hoffnung schmeichelte und