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Die schönsten Gedichte. Rainer Maria RilkeЧитать онлайн книгу.

Die schönsten Gedichte - Rainer Maria Rilke


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      II

       Der König saß und sann den leeren Tag

       getaner Taten, ungefühlter Lüste

       und seiner Lieblingshündin, der er pflag-,

       Aber am Abend wölbte Abisag

       sich über ihm. Sein wirres Leben lag

       verlassen wie verrufne Meeresküste

       unter dem Sternbild ihrer stillen Brüste.

       Und manchmal, als ein Kundiger der Frauen,

       erkannte er durch seine Augenbrauen

       den unbewegten, küsselosen Mund;

       und sah: ihres Gefühles grüne Rute

       neigte sich nicht herab zu seinem Grund.

       Ihn fröstelte. Er horchte wie ein Hund

       und suchte sich in seinem letzten Blute.

      Advent

      Es treibt der Wind im Winterwalde

       Die Flockenherde wie ein Hirt,

       Und manche Tanne ahnt, wie balde

       Sie fromm und lichterheilig wird,

       Und lauscht hinaus. Den weißen Wegen

       Streckt sie die Zweige hin - bereit,

       Und wehrt dem Wind und wächst entgegen

       Der einen Nacht der Herrlichkeit.

      Alkestis

      Da plötzlich war der Bote unter ihnen,

       hineingeworfen in das Überkochen

       des Hochzeitsmahles wie ein neuer Zusatz.

       Sie fühlten nicht, die Trinkenden, des Gottes

       heimlichen Eintritt, welcher seine Gottheit

       so an sich hielt wie einen nassen Mantel

       und ihrer einer schien, der oder jener,

       wie er so durchging. Aber plötzlich sah

       mitten im Sprechen einer von den Gästen

       den jungen Hausherrn oben an dem Tische

       wie in die Höh gerissen, nicht mehr liegend,

       und überall und mit dem ganzen Wesen

       ein Fremdes spiegelnd, das ihn furchtbar ansprach.

       Und gleich darauf, als klärte sich die Mischung,

       war Stille; nur mit einem Satz am Boden

       von trübem Lärm und einem Niederschlag

       fallenden Lallens, schon verdorben riechend

       nach dumpfem umgestandenen Gelächter.

       Und da erkannten sie den schlanken Gott,

       und wie er dastand, innerlich voll Sendung

       und unerbittlich, – wußten sie es beinah.

       Und doch, als es gesagt war, war es mehr

       als alles Wissen, gar nicht zu begreifen.

       Admet muß sterben. Wann? In dieser Stunde.

       Der aber brach die Schale seines Schreckens

       in Stücken ab und streckte seine Hände

       heraus aus ihr, um mit dem Gott zu handeln.

       Um Jahre, um ein einzig Jahr noch Jugend,

       um Monate, um Wochen, um paar Tage,

       ach, Tage nicht, um Nächte, nur um Eine,

       um Eine Nacht, um diese nur: um die.

       Der Gott verneinte, und da schrie er auf

       und schrie's hinaus und hielt es nicht und schrie

       wie seine Mutter aufschrie beim Gebären.

       Und die trat zu ihm, eine alte Frau,

       und auch der Vater kam, der alte Vater,

       und beide standen, alt, veraltet, ratlos,

       beim Schreienden, der plötzlich, wie noch nie

       so nah, sie ansah, abbrach, schluckte, sagte:

       Vater,

       liegt dir denn viel daran an diesem Rest,

       an diesem Satz, der dich beim Schlingen hindert?

       Geh, gieß ihn weg. Und du, du alte Frau,

       Matrone,

       was tust du denn noch hier: du hast geboren.

       Und beide hielt er sie wie Opfertiere

       in Einem Griff. Auf einmal ließ er los

       und stieß die Alten fort, voll Einfall, strahlend

       und atemholend, rufend: Kreon, Kreon!

       Und nichts als das; und nichts als diesen Namen.

       Aber in seinem Antlitz stand das Andere,

       das er nicht sagte, namenlos erwartend,

       wie ers dem jungen Freunde, dem Geliebten,

       erglühend hinhielt übern wirren Tisch.

       Die Alten (stand da), siehst du, sind kein Loskauf,

       sie sind verbraucht und schlecht und beinah wertlos,

       du aber, du, in deiner ganzen Schönheit –

       Da aber sah er seinen Freund nicht mehr.

       Er blieb zurück, und das, was kam, war sie,

       ein wenig kleiner fast als er sie kannte

       und leicht und traurig in dem bleichen Brautkleid.

       Die andern alle sind nur ihre Gasse,

       durch die sie kommt und kommt –: (gleich wird sie da sein

       in seinen Armen, die sich schmerzhaft auftun).

       Doch wie er wartet, spricht sie; nicht zu ihm.

       Sie spricht zum Gotte, und der Gott vernimmt sie,

       und alle hörens gleichsam erst im Gotte:

       Ersatz kann keiner für ihn sein. Ich bins.

       Ich bin Ersatz. Denn keiner ist zu Ende

       wie ich es bin. Was bleibt mir denn von dem

       was ich hier war? Das ists ja, daß ich sterbe.

       Hat sie dirs nicht gesagt, da sie dirs auftrug,

       daß jenes Lager, das da drinnen wartet,

       zur Unterwelt gehört? Ich nahm ja Abschied.

       Abschied über Abschied.

       Kein Sterbender nimmt mehr davon. Ich ging ja,

       damit das Alles, unter Dem begraben

       der jetzt mein Gatte ist, zergeht, sich auflöst –.

       So führ mich hin: ich sterbe ja für ihn.

       Und wie der Wind auf hoher See, der umspringt,

       so trat der Gott fast wie zu einer Toten

       und war auf einmal weit von ihrem Gatten,

       dem er, versteckt in einem kleinen Zeichen,

       die hundert Leben dieser Erde zuwarf.

       Der stürzte taumelnd zu den beiden hin

       und griff nach ihnen wie im Traum. Sie gingen

       schon auf den Eingang zu, in dem die Frauen

       verweint sich drängten. Aber einmal sah

       er noch des Mädchens Antlitz, das sich wandte

       mit einem Lächeln, hell wie eine Hoffnung,

       die beinah ein Versprechen war: erwachsen

       zurückzukommen


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