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Lotti, die Uhrmacherin. Marie von Ebner-EschenbachЧитать онлайн книгу.

Lotti, die Uhrmacherin - Marie von Ebner-Eschenbach


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war hochgerötet, eine mühsam unterdrückte Erregung gab sich in ihrem ganzen Wesen kund.

      Was ist ihr denn? dachte Gottfried. – Ahnt sie, was er ihr zu sagen hat, und versetzt sie das in eine Befangenheit, die aussieht wie Bestürzung? Wär's doch so! dann nimmt sie wenigstens die Sache ernst, und er braucht nicht zu fürchten, mit einem Scherze heimgeschickt zu werden, das Ärgste, was ihm geschehen könnte, dem alten Menschen. Ihre sichtbare Unruhe befreit ihn von dieser Sorge und zugleich von aller Ängstlichkeit. Er atmet auf und spricht mit einem gewissen unbeholfenen Humor, dabei aber höchst bedeutsam und nachdrücklich: »Es wäre schade, wenn an dem Schilde etwas geändert werden müßte; es ist sehr hübsch ausgefallen ... Macht sich wirklich gut, auf glänzend schwarzem Grund, das G. & L. Feßler ... G. und L .... Gottfried und Lotti ...«

      Ihre Stirn glühte, ihre Wangen brannten, sie beugte sich tiefer über ihre Arbeit und wiederholte mechanisch und ausdruckslos: »Gottfried und Lotti?«

      Nein! Ihre Gedanken waren nicht bei ihm. In der Weise hätte sie ebensogut fremde Namen ausgesprochen. Die Worte, die sie vernommen, waren an ihr Ohr gedrungen, die schüchterne, inständig bittende Frage, die in ihnen lag, nicht an ihr Herz ...

      Jetzt trat von allen Pausen, die während dieses Gespräches gemacht wurden, die längste ein. Still war's im Zimmer, nichts hörbar als das Ticken der vielen Uhren und endlich ein tiefer, tiefer Seufzer aus Gottfrieds Brust.

      Lotti erhob den Blick und sah trotz des feuchten Schleiers, der sich vor ihre Augen gelegt hatte, den Ausdruck leidvoller Enttäuschung in seinen Zügen.

      »Was ist dir, Gottfried?« sprach sie.

      »Du hörst mich nicht an«, entgegnete er unmutig.

      Sie nahm sich mit Gewalt zusammen: »Doch, ich habe alles gehört.«

      »Hast du? Wirklich? und – hast nichts einzuwenden?... Es ist dir recht – du weißt ...«

      »Es ist mir recht, gewiß. Aber wenn du, Lieber, auf dein Schild auch nur G. Feßler hättest schreiben lassen, für uns hätte es dennoch und immer ›Geschwister Feßler‹ bedeutet.«

      »Geschwister – so? – - ja, Geschwister«, murmelte er und zögerte, die Hand anzunehmen, die Lotti ihm reichte. Allein er ergriff sie doch und drückte sie fest und treuherzig, als Lotti sagte: »Es versteht sich ja von selbst, daß wir zwei nach wie vor treu zusammenhalten.«

      »Das Schild wird also aufgemacht«, sprach er, mit einem herzhaften Versuch, vergnügt zu scheinen. »Komm es bewundern, komm bald!«

      Er nahm seinen Hut und verließ das Zimmer.

      Lotti war wieder allein und setzte ihre einen Augenblick unterbrochene Beschäftigung emsig fort. Sie hatte an der Uhr, die Gottfried mitgebracht, alle Brücken abgeschraubt, alle Räder ausgehoben, bis auf das Minutenrad. Das haftete noch, festgehalten vom Viertelrohr. Aber auch dieses muß nun weichen, das letzte Rad liegt bei seinen Kameraden, und Lotti hat gefunden, was sie suchte, was sie zu finden gewiß war. Ihren eigenen Namenszug und das Datum des 12. Mai, mit fast unsichtbar kleiner Schrift in die Bodenplatte eingeritzt und verborgen durch die Zähne des Rohres.

      Am 12. Mai, an dem Tage, der sich heute zum fünfzehnten Male jährte, hatte sie diese Zeichen da hineingeschrieben und diese Uhr ihrem Verlobten geschenkt und dabei gesagt: »Sie kann uns gute, sie kann uns traurige Stunden anzeigen, aber keine, in der unsere Treue gewankt.«

      So vermessene Behauptungen wagt die Jugend aufzustellen, solche Schwüre schwört die kindische Liebe, die, kaum erwacht, auch schon die Kraft in sich fühlt, ewig zu leben. Torheit ohnegleichen! Ebensogut könnte die Rose schwören, daß sie niemals welken wird, denkt Lotti, und halb erloschene Erinnerungen tauchen in ihrer Seele auf. Bleiche Schatten ringen sich los aus der Nacht der Vergessenheit und gewinnen allmählich Farbe und Gestalt. Sie ziehen langsam vorüber, mächtig genug, um noch eine leise Wehmut, nicht mehr mächtig, einen Schmerz zu erwecken. Sie gleichen dem Gedanken an einen dunkeln, peinvollen Traum, aus dem der Schläfer zum Licht und zum Frieden erwacht.

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