Lady Susan. Jane AustenЧитать онлайн книгу.
Im Moment laufen die Dinge nicht gut; die Frauen der Familie haben sich gegen mich vereint. Du hast vorhergesagt, wie es kommen würde, als ich zum ersten Mal nach Langford fuhr, und Manwaring ist so ungewöhnlich liebenswert, dass ich selbst nicht ohne Befürchtungen war. Ich weiß noch, wie ich auf dem Weg zu diesem Haus zu mir selbst sagte: “Ich mag diesen Mann; gebe der Himmel, dass nichts Übles daraus entsteht!” Ich war aber entschlossen, mich zurückzuhalten und mir stets bewusst zu sein, dass ich erst seit vier Monaten Witwe bin, und mich so ruhig wie möglich zu geben. Und das tat ich auch, meine Liebe. Niemandem außer Manwaring habe ich erlaubt, mir Augen zu machen. Jedes Techtelmechtel, wie es sonst üblich ist, habe ich vermieden. Keinen der Kerle, die hier in großer Zahl verkehren, habe ich mit meiner Gunst geehrt, außer Sir James Martin, dem ich ein wenig Aufmerksamkeit schenkte, um ihn von Miss Manwaring abzubringen. Wüsste die Welt um mein Motiv, würde sie mich dafür ehren. Man hat mich eine lieblose Mutter genannt, doch es war der heilige Impuls der Mutterliebe, es war der Nutzen für meine Tochter, der mich angetrieben hat. Und wäre meine Tochter nicht der größte Einfaltspinsel auf Erden, dann wäre ich für meine Mühen belohnt worden, wie es mir zusteht.
Sir James hat bei mir tatsächlich um die Hand von Frederica angehalten, doch Frederica, die auf die Welt kam, um mich zu peinigen, zog es vor, sich heftig gegen die Verbindung zu sträuben, so dass es mir angeraten schien, den Plan vorläufig beiseite zu legen. Mehr als einmal habe ich bereut, ihn nicht selbst geheiratet zu haben, und wäre er etwas weniger verachtenswert schwach, täte ich es ganz sicher. Ich bin aber, wie ich bekennen muss, in dieser Hinsicht ziemlich romantisch und keine, die mit einem großen Vermögen allein zufrieden wäre. Das Ergebnis von all dem ist ärgerlich: Sir James ist fort, Maria hochgradig erzürnt und Mrs. Manwaring unerträglich eifersüchtig, so eifersüchtig, um es kurz zu sagen, und so erbost gegen mich, dass es nicht verwunderlich wäre, wenn sie sich, erhitzt von ihrem Temperament, bei ihrem Vormund beschweren würde, sofern ihr freistünde, sich an ihn zu wenden, doch da hält dein Gatte freundschaftlich zu mir. Die liebenswürdigste Tat seines Lebens war, dass er sie wegen ihrer Heirat verstieß. Achte deshalb unbedingt darauf, dass er seinen Widerwillen bewahrt. Wir sind jetzt in einer schlimmen Lage, in keinem Haus ging es jemals mehr drunter und drüber: Die ganze Familie liegt miteinander im Krieg, und Manwaring traut sich kaum noch, mit mir zu sprechen. Es wird Zeit, dass ich gehe. Ich habe also beschlossen, das Haus zu verlassen, und werde mit dir in London hoffentlich einen angenehmen Tag verbringen. Falls ich bei Mr. Johnson wie eh und je in Ungunst stehe, musst du zu mir in die Wigmore Street Nr. 10 kommen. Ich hoffe aber, das wird nicht der Fall sein, denn Mr. Johnson ist, bei all seinen Schwächen, ein Mann, der immer mit dem großen Wort ´Ehrenwert´ belegt wird. Und weil man allgemein weiß, wie vertraut ich mit seiner Frau umgehe, lässt ihn seine Geringschätzigkeit mir gegenüber dumm aussehen.
Auf meinem Weg zu diesem unerträglichen Ort, einem Bauerndorf, mache ich einen Halt in London, denn ich habe wirklich vor, nach Churchill zu reisen. Vergib mir, liebe Freundin, das ist meine letzte Zuflucht. Stünde mir ein anderes Haus in England offen, würde ich es vorziehen. Charles Vernon ist mir widerwärtig, und seine Frau fürchte ich. In Churchill muss ich aber bleiben, bis ich etwas Besseres in Aussicht habe. Meine Tochter begleitet mich nach London, wo ich sie unter die Aufsicht von Miss Summers in der Wigmore Street stellen werde, bis sie etwas mehr Vernunft angenommen hat. Sie wird dort gute Beziehungen knüpfen, denn die Mädchen kommen alle aus den besten Familien. Die Kosten sind immens und weit über dem, was ich jemals zu bezahlen imstande bin.
Adieu, ich sende dir eine Nachricht, sobald ich in London bin.
Für immer die deine,
S. VERNON
Brief 3
Mrs. Vernon an Lady De Courcy
Churchill.
Liebe Mutter,
es tut mir sehr leid, Ihnen mitteilen zu müssen, dass wir unser Versprechen, Weihnachten bei Ihnen zu verbringen, nicht einhalten können. Uns hält ein Umstand von dieser Freude ab, der dies kaum wettmachen kann. In einem Brief an ihren Schwager hat Lady Susan ihre Absicht erklärt, uns in allernächster Zeit besuchen zu kommen – und da ein solcher Besuch nach aller Wahrscheinlichkeit bloß einen praktischen Grund hat, ist es unmöglich, seine Dauer vorherzusagen. Ich war weder in irgendeiner Weise auf so etwas vorbereitet noch habe ich jetzt eine Erklärung für das Verhalten ihrer Ladyschaft. Langford schien für sie in jeder Beziehung so sehr der passende Platz zu sein, sowohl in Hinsicht auf den eleganten und teuren Lebensstil als auch auf ihre besondere Bindung zu Mrs. Manwaring, dass ich überhaupt nicht erwartet hätte, so rasch diese Auszeichnung zu erhalten, auch wenn ich mir wegen ihrer zunehmend freundschaftlichen Haltung zu uns seit dem Tod ihres Mannes immer vorgestellt habe, dass wir einmal verpflichtet sein würden, sie zu empfangen. Ich glaube, Mr. Vernon war bei seinem Aufenthalt in Staffordshire viel zu gütig zu ihr. Seit unsere Ehe zum ersten Mal in Aufruhr geriet, verhielt sie sich ihm gegenüber so unverzeihlich heuchlerisch und herzlos, dass keiner mit weniger Liebenswürdigkeit und Milde als er darüber hätte hinwegsehen können. Und obwohl es angemessen war, dass er ihr als Witwe seines Bruders in einer Zeit der Not finanziell beistand, komme ich nicht umhin, seine dr ängende Einladung an sie, uns in Churchilll zu besuchen, für vollkommen überflüssig zu halten. Weil er aber immer dazu neigt, nur das Beste über die Menschen zu denken, haben ihre Zurschaustellung von Trauer, ihre Reuebekundungen und ihre vagen Bekenntnisse zur Besonnenheit sein Herz erweicht und ihm Vertrauen in ihre Aufrichtigkeit eingegeben. Was mich angeht, bin ich allerdings noch nicht überzeugt, und so glaubwürdig der Brief ihrer Ladyschaft auch sein mag, ich werde mir eine Meinung erst bilden, wenn ich den Grund ihres Kommens besser verstehe. Sie können sich deshalb vorstellen, liebe Madam, mit welchen Gefühlen ich ihrer Ankunft entgegensehe. Sie wird ihre verführerische Wirkung, für die sie man sie rühmt, einsetzen, um meine uneingeschränkte Gunst zu erlangen. Ich will ihrem Einfluss aber widerstehen, sofern sie mir keine stärkeren Beweggründe liefert. Sie drückt den sehnlichsten Wunsch nach meiner Bekanntschaft aus und spricht sehr liebenswürdig über meine Kinder, doch ich bin nicht so dumm zu glauben, dass eine Frau, die ihr eigenes Kind so herzlos vernachlässigt hat, sich zu meinen Kindern hingezogen fühlt. Bevor ihre Mutter zu uns kommt, wird Miss Vernon in einer Schule in London untergebracht, worüber ich froh bin, denn für sie und für mich ist es das Beste. Für sie kann eine Trennung von ihrer Mutter nur von Vorteil sein, während ein Mädchen von sechzehn Jahren mit einer so dürftigen Erziehung hier keine angenehme Gesellschaft wäre. Wie ich weiß, wünscht Reginald seit langem die reizende Lady Susan kennenzulernen; wir erwarten in nächster Zeit seine Ankunft in unserer Runde. Ich freue mich, dass es meinem Vater weiterhin so gut geht und bin ganz in Liebe &c.,
CATH. VERNON
Brief 4
Mr. De Courcy an Mrs. Vernon
Parklands.
Meine liebe Schwester,
ich beglückwünsche dich und Mr. Vernon dazu, Englands versierteste Herzensbrecherin demnächst in eurem Haus zu empfangen. Man hat mir immer gesagt, ich solle in ihr eine hervorragende Verführerin sehen, mir kamen aber kürzlich Einzelheiten über ihr Benehmen in Langford zu Ohren, die zeigen, dass sie sich nicht mehr auf jene Art des Flirtens beschränkt, mit der die meisten Leute vorlieb nehmen, sondern dass sie nach dem delikateren Genuss strebt, eine ganze Familie ins Elend zu stürzen. Ihr Verhalten gegenüber Mr. Manwaring verursachte seiner Frau Eifersucht und Schmerz, während ihre Annäherungen an einen jungen Mann, der mit Mr. Manwarings Schwester verbunden war, ein liebenswertes Mädchen ihres Verehrers beraubt hat. Ich erfuhr das von einem Mr. Smith, der jetzt hier in der Nachbarschaft lebt (ich habe mit ihm bei Hurst & Wilford gespeist) und gerade von Langford gekommen ist, wo er zwei Wochen im gleichen Haus wie ihre Ladyschaft zubrachte. Man kann seiner Auskunft also Glauben schenken.
Was für eine Frau sie doch sein muss! Ich will sie unbedingt kennenlernen und nehme deine freundliche Einladung also gerne an, um mir eine Vorstellung von ihren Zauberkräften zu machen, die so viel vermögen – die Gunst zweier Männer zur gleichen Zeit im gleichen Haus auf sich zu ziehen, von denen es keinem freistand, sie zu verschenken – und all das ohne