Ricarda Huch: Im alten Reich – Lebensbilder Deutscher Städte – Teil 2 - Band 181 in der gelben Buchreihe bei Ruszkowski. Ricarda HuchЧитать онлайн книгу.
einen barocken Aufbau mit zierlicher Laterne. Der gediegenen Würde des 15. Jahrhunderts begegnen wir in der Gerichtslaube mit prächtig und sinnvoll bemalter Decke, mit schönen farbigen Glasfenstern und gotischen Wandschränken, in denen einst das Ratssilber verwahrt wurde: Pokale, Becher, Kannen und Schüsseln aus vergoldetem Silber, von Lüneburger Goldschmieden verfertigt und von patrizischen Familien gestiftet, ein Schatz von bedeutendem Wert, der nach einer Verordnung des Rates nicht veräußert werden durfte, wenn nicht höchste Not es erforderte. Im Dreißigjährigen Krieg trat dieser Fall ein, und es wurde ein Teil der Kostbarkeiten für 4.863 Taler verkauft. Den übriggebliebenen größeren Teil erwarb der preußische Staat im Jahr 1873 um 220.000 Taler für das Berliner Kunstgewerbemuseum. Die galvanoplastischen Nachbildungen, ein böser Ersatz, sind im Festsaal des Rathauses ausgestellt.
Dieser herrliche, um 1500 gebaute Riesensaal wäre einer mächtigen Reichsstadt würdig. Die Eingangstür, die an ein Scheunentor erinnert, ist nach innen mit einem großen doppelköpfigen Reichsadler bemalt, dessen Körper über und über mit den Wappen der Reichsstände bedeckt ist. An den Wänden befinden sich über der Täfelung die Bilder der lüneburgisch-welfischen Fürsten mit ihren Frauen, von der reichbemalten Balkendecke hängen Geweihleuchter mit holzgeschnitzten Heiligenfiguren herab. Aus dem 16. Jahrhundert stammt die große Ratsstube, die ganz und gar geschmückt ist durch wundervolle Holzschnitzereien des Meisters Albert von Soest. Sämtliche Räume des Rathauses verkörpern den großen Sinn und das sichere Selbstgefühl einer rühmlich regierenden Aristokratie und gleichwohl treuherzige Gemütlichkeit.
Den zum Teil erneuerten Brunnen vor dem Rathaus krönt eine kleine Bronzefigur der Diana aus dem 16. Jahrhundert; sie ist als Mondgöttin mit der Mondsichel dargestellt, daran erinnernd, dass der Name Lüneburg in früherer Zeit als Burg des Mondes gedeutet wurde, und dass man annahm, auf dem Kalkberge sei einst die Luna verehrt worden.
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