Milly Darrell. Мэри Элизабет БрэддонЧитать онлайн книгу.
dem Nachmittage, welcher dem zweiten Besuche des Manchester Arztes folgte, begab ich mich, wie gewöhnlich, nach meinem Zimmer, hatte aber weniger als jemals Neigung zum Schlafen. Zum erstenmal seit dem Beginn des Fiebers fühlte ich eine schreckliche Furcht, daß der Ausgang verhängnißvoll sein könnte. Ich lag, mich von einer Seite auf die andere wälzend, ruhelos da und suchte mich, über jedes Wort und jede Miene des Arztes nachdenkend, zu überreden, daß keine wirkliche Gefahr vorhanden sei.
Auf diese Weise war ich mehr als eine Stunde wach gewesen, als ich die Thüre von Milly’s Ankleidezimmer, die sich ganz nahe an der meinigen befand, leise zumachen hörte. In der Meinung, daß man meiner bedürfe, sprang ich augenblicklich auf und eilte aus den Gang hinaus. Aber anstatt. wie ich erwartet hatte, Susan Dodd zu finden, sah ich, daß mir Mrs. Darrell gegenüberstand.
Sie erschrak ein wenig, als sie mich bemerkte. Sie hatte die Hand noch auf dem Drücker der Thüre des Ankleidezimmers, mich mit dem sonderbarsten Ausdruck, den ich jemals in einem menschlichen Gesichte gesehen habe, anblickend. Furcht, Trotz, Haß — was war es?«
»Ich glaubte, Sie schliefen,« sagte sie.
»Ich habe diesen Nachmittag nicht einschlafen können.«
»Sie sind eine schlechte Wärterin, Miß Crofton, wenn Sie nicht nach Belieben schlafen können,« sagte sie. »Nach der Art, wie Sie aus dem Zimmer gestürzt sind, fürchte ich, daß Sie auch aufgeregt sind.«
»Ich hörte diese Thüre schließen und glaubte, Susan käme, um mich zu rufen.«
»Ich war innen, um zu sehen, wie es der Kranken geht — das ist Alles.«
Sie ging an mir vorüber und nach ihren eigenen Gemächern, welche auf der andern Seite des Hauses lagen. Ich fühlte, daß jetzt jeder weitere Versuch zu schlafen, nutzlos sein würde und kehrte in Millys Zimmer zurück, die, wie mir Susan sagte, sehr ruhig geschlafen hatte.
»Sie haben wahrscheinlich der Mrs. Darrell, als sie so eben hier war, um sich zu erkundigen, gesagt, daß Alles gut gehe?« fragte ich.
»Mrs. Darrell war nicht da, seit Sie sich schlafen gelegt haben, Miß» antwortete das Mädchen, über meine Frage verwundert.
»Wie, Susan, Mrs. Darrell war ja so eben erst in dem Ankleidezimmer. Ich hörte sie herauskommen und ging hinaus, um zu sehen, wer da wäre. Ist sie nicht hereingekommen, um sich nach Miß Darrell zu erkundigen?«
»Nein, Miß.«
»Dann hat sie wahrscheinlich nur hereingeblickt und gesehen, daß Miß Darrell eingeschlafen war.«
»Ich kann nicht einsehen, wie sie diese Thüre öffnen konnte, ohne daß ich es hörte. Ich weiß bestimmt, daß sie fest geschlossen war.«
Sie war geschlossen worden, als ich durch das Ankleidezimmer hinausging. So geringfügig dieser Vorfall an sich war, so erregte er doch mein Nachdenken. Ich wußte, daß Augusta Darrell ihre Stieftochter haßte und der Gedanke, daß diese geheime Feindin um das Krankenzimmer herumschlich, war mir nicht ganz gleichgültig. Auch der Ausdruck, den ich in ihrem Gesicht gesehen, machte mich nachdenklich. Daß sie mich haßte, wußte ich; aber es lag neben der Abneigung auch Furcht in ihrem Blick und ich konnte mir, keinen Grund denken, weshalb sie eine so unbedeutende Person wie ich fürchten sollte.
Der übrige Theil dieses Abends und der Nacht verging ohne ein bemerkenswerthes Ereigniß. Ich ließ die Thüre zwischen dem Schlaf- und Ankleidezimmer die ganze Nacht über weit offen, entschlossen, daß Augusta Darrell nicht ohne mein Wissen in dieses Zimmer kommen sollte; aber die Nacht verging, ohne daß wir etwas von ihr zu sehen bekamen.
Als ich früh am nächsten Morgen in den Garten ging, um Blumen für Millys Zimmer zu pflücken, traf ich Peter wieder bei der Arbeit. Er sah sehr bleich und schwach aus und war kaum im Stande, etwas Rechtes zu thun. Er kam zu mir, während ich die Spätrosen für das Bouquet abschnitt und fragte nach Milly. Als ich ihm geantwortet hatte, zögerte er ein wenig in einer sonderbaren Weise, gerade, als ob er mir etwas sagen wollte; ich war aber zu voll von meinen eigenen Gedanken und Sorgen, als daß ich ihm viel Aufmerksamkeit geschenkt hätte.
Die nächsten Tage brachten keine Veränderung in Millys Befinden und ich wurde jede Stunde ängstlicher. Ich konnte sehen, daß Mr. Hale über den Fall nicht im Klaren, daß er unruhig war, obschon er sagte, er sehe für jetzt keinen Grund, nach Manchester zu telegraphieren. Er war äußerst aufmerksam und galt für sehr geschickt und ich wußte, daß er eine wahre Zuneigung für Milly hegte, die er von Kindheit an behandelt hatte.
Angus Egerton suchte mich nunmehr täglich zweimal auf und diese kurzen Unterredungen waren mir jetzt sehr peinlich geworden. Ich fand es so schwierig, ihn mit hoffnungsvollen Worten aufzuheitern, während mein eigenes Herz täglich schwerer wurde und meine Besorgnisse, die bisher unbestimmt und schattenhaft gewesen, immer mehr eine feste Gestalt annahmen. Ich war sehr ermüdet, hielt aber entschlossen aus. Ich hatte bisher — bis zur zweiten Nacht nach jenem Zusammentreffen mit Mrs. Darrell an der Thüre des Ankleidezimmers, noch niemals eine Viertelstunde auf meiner Wache geschlafen.
In dieser Nacht wurde ich etwa eine Stunde, nachdem ich Susan entlassen hatte, von einer unüberwindlichen Schläfrigkeit ergriffen. Das Zimmer war sehr ruhig. Kein Ton mit Ausnahme des Tickens der netten kleinen Uhr auf dem Kamin ließ sich vernehmen. Milly war fest eingeschlafen und ich saß am Feuer und versuchte zu lesen, als mich meine Schläfrigkeit übermannte, meine schweren Augenlieder niederfielen und mich eine Art fieberhafter Schlummer überkam, in welchem ich das unruhige Bewußtsein hatte, daß ich wach sein sollte.
Ich hatte in dieser Weise wenig mehr als eine Stunde geschlafen, als ich plötzlich, vollkommen erwacht, emporfuhr. In der Stille des Zimmers hatte ich einen Ton, wie Klingen von Glas, vernommen und ich dachte, Milly habe sich gerührt.
Es stand ein Tisch neben ihrem Bette mit einem Glase von kühlendem Getränk und einer Flasche Wasser auf demselben. Ich vermuthete, sie müsse ihre Hand nach dem Glase ausgestreckt und dasselbe an dies Flasche angestoßen haben; aber zu meiner Ueberraschung fand ich sie noch immer in ihrer früheren Lage fest eingeschlafen. Der Ton mußte demnach von einer andern Richtung — wahrscheinlich aus dem Ankleidezimmer gekommen sein.
Ich ging in dieses Gemach. Es war aber Niemand dort. Keine Spur der geringsten Störung unter den dort befindlichen Gegenständen. Die Arzneifläschchen und Gläser standen noch ganz ebenso auf dem kleinen Tische, wie ich sie hingestellt hatte. Ich war sehr sorgsam und accurat bei Anordnung dieser Dinge und die geringste Störung darin würde mir sicherlich nicht entgangen sein. Was konnte diesen Ton hervorgerufen haben? War es ein zufälliges Klingen des Glases, durch einen Windhauch erregt eine von jenen geheimnißvollen Bewegungen lebloser Gegenstände, welche so häufig in den stillen Stunden der Nacht vorkommen und aufgeregten Personen stets mehr oder weniger gespensterhaft erscheinen? Konnte es blos zufällig sein? Oder hatte sich Mrs. Darrell leise in das Gemach und wieder hinausgeschlichen?
Weshalb sollte sie dort gewesen sein? Was konnte ihr geheimnißvolles Kommen und Gehen zu bedeuten haben? Welches konnte ihr Zweck sein, wenn sie auf diese Weise um das kranke Mädchen herumschlich? Welchen Vortheil konnte ihr Haß aus solcher unruhigen Wachsamkeit ziehen, außer — Außer was? Eine eisige Kälte durchlief mich und ich zitterte wie Laub, als ein schrecklicher Gedanke in mir aufdämmerte. Wie wenn der Haß des verzweifelten Weibes die furchtbarste Gestalt annahm? Wie wenn ihre geheime Anwesenheit in diesem Gemach Mord bedeutete?
Ich nahm das Arzneifläschchen und untersuchte es genau. In Farbe, Geruch, Geschmack schien mir die Medicin ganz dieselbe zu sein, wie zur Zeit, wo sie nach der Vorschrift des Manchester-Arztes geändert wurde. Auch die Quantität des Inhalts war ganz so, wie sie gewesen war, als ich Milly ihre letzte Dose gegeben hatte.
»O nein, nein, nein,« dachte ich bei mir, »ich müßte wahnsinnig sein, etwas so Schreckliches anzunehmen. Eine Frau mag schwach, boshaft und eifersüchtig sein, wenn sie so heftig geliebt hat, wie dieses Weib Angus Egerton geliebt zu haben scheint; aber das ist noch kein Grund, daß sie eine Mörderin sein sollte.«
Ich stand mit dem Medicinfläschchen in der Hand in der größten Verlegenheit da. Was konnte ich thun? Sollte ich die Arznei aussetzen auf die Gefahr hin,