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Die geheimnisvolle Insel. Jules VerneЧитать онлайн книгу.

Die geheimnisvolle Insel - Jules Verne


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Zenith, bei den nur dünneren Dunstschichten daselbst, die einzelnen Wolken, doch bald beleuchtete auch unter einer dunkleren Schicht ein hellerer Streifen den Horizont des Meeres. Die Wellenkämme schimmerten in falbem Lichte und ihr Schaum nahm eine weißliche Färbung an. Gleichzeitig hoben sich zur Linken, wenn auch nur grau in schwarz, die Umrisse des Uferlandes von dem Hintergrunde des Himmels ab.

      Um sechs Uhr Morgens wurde es vollkommen hell. Hoch oben jagten die Wolken mit außerordentlicher Schnelligkeit dahin. Die Wanderer befanden sich jetzt gegen sechs Meilen von den Kaminen entfernt. Sie folgten einem sehr flachen Strande, den nach dem Meere zu ein Kranz von Felsen umsäumte, welche jetzt nur mit den obersten Spitzen daraus emportauchten. Zur Linken bot die Umgebung mit einigen distelbestandenen Dünen das Bild einer wüsten sandigen Gegend. Das Ufer mit seinen seltenen Einschnitten setzte dem Oceane keine andere Schutzwehr, als eine unregelmäßige Reihe ganz kleiner Hügel entgegen. Da und dort erhoben sich einige nach Westen zu geneigte Bäume, deren Zweige vorwiegend dieselbe Richtung einhielten. Ziemlich weit rückwärts dehnte sich im Südwesten der Saum eines Waldes aus.

      Da gab Top plötzlich unverkennbare Zeichen von Aufregung. Er sprang voraus, kam zu dem Seemanne zurück und schien diesen zur Beschleunigung seiner Schritte treiben zu wollen.

      Der Hund hatte den Strand verlassen und verschwand, von seinem unvergleichlichen Instinct geleitet, zwischen den Dünen.

      Man folgte ihm. Das Land erschien vollkommen verlassen; kein athmendes Wesen belebte dasselbe.

      Die Dünenreihe bestand zunächst in breiter Ausdehnung aus einer ungeordneten Menge kleiner Erhöhungen und Hügel und bildete wirklich von Sand eine Schweiz im Kleinen, in welcher man, um sich zurecht zu finden, eines vorzüglichen Spürsinnes bedurfte.

      Nach etwa fünf Minuten gelangten der Reporter und seine zwei Begleiter nach einer Art Sandhöhle im Rücken einer Düne. Laut bellend stand Top vor derselben. Spilett, Harbert und Pencroff eilten in dieselbe hinein.

      In ihr befand sich Nab knieend neben einem auf einem Bett von Laub ausgestreckten Körper ...

      Es war der des Ingenieurs Cyrus Smith.

      --

      Achtes Capitel

      Lebend oder todt? – Nab's Bericht. – Die Fußabdrücke. – Eine unlösliche Frage. – Cyrus Smith's erste Worte. – Die Constatirung der Fußspur. – Rückkehr nach den Kaminen. – Pencroff's Entsetzen.

      Nab rührte sich nicht. Der Seemann rief ihm nur ein Wort zu. »Lebend?« fragte er.

      Nab gab keine Antwort. Gedeon Spilett und Pencroff erblaßten, Harbert faltete die Hände und blieb unbeweglich stehen. Offenbar hatte der arme Neger in seinem Schmerze weder seine Gefährten gesehen, noch den Seemann verstanden.

      Der Reporter kniete neben dem bewegungslosen Körper nieder und legte sein Ohr auf die Brust des Ingenieurs, dessen Kleidung er geöffnet hatte. Eine Minute – eine Ewigkeit! – verrann, während er die Herzschläge zu hören suchte.

      Nab erhob sich ein wenig und blickte mit irrendem Auge umher. Nie konnte die Verzweiflung das Gesicht eines Menschen tiefgreifender verändern. Erschöpft von der Anstrengung, geknickt von wildem Schmerze, war Nab völlig unkenntlich geworden. Er hielt seinen Herrn für todt.

      Nach langer, sorgfältiger Beobachtung richtete sich Gedeon Spilett wieder auf.

      »Er lebt!« sagte er.

      Jetzt bog sich auch Pencroff seinerseits über Cyrus Smith nieder; sein Ohr vernahm einige schwache Pulsschläge, und seine Lippen fühlten einen leisen Hauch, der von denen des Ingenieurs kam.

      Auf einen Wink des Reporters sprang Harbert hinaus, um Wasser aufzutreiben. In einer Entfernung von hundert Schritten entdeckte er einen klaren, offenbar durch den Regenguß der letzten Nacht geschwellten Bach, der durch den Sand plätscherte. Womit sollte er aber Wasser schöpfen, da sich ringsum in den Dünen nicht einmal eine einzige Muschel zeigte? Der junge Mensch mußte sich begnügen, sein Taschentuch in den Bach zu tauchen, und eilends lief er nach der Höhle zurück.

      Zum Glücke genügte das benetzte Tuch, da Gedeon Spilett nur die Lippen des Ingenieurs anfeuchten wollte. Die wenigen Tropfen frischen Wassers erzielten einen fast unmittelbaren Erfolg. Ein Seufzer entrang sich der Brust Cyrus Smith's und er schien sogar einige Worte sprechen zu wollen.

      »Wir retten ihn noch!« sagte der Reporter.

      Nab schöpfte bei diesen Worten wieder Hoffnung. Er entkleidete seinen Herrn, um nachzusehen, ob er vielleicht irgend eine Wunde habe. Weder Kopf, Rumpf noch Gliedmaßen zeigten eine Verletzung, nicht einmal eine Schramme, was gewiß zu verwundern war, da der Körper Cyrus Smith's doch mit aller Wahrscheinlichkeit durch die Risse hindurch geschwemmt worden war. Selbst die Hände erwiesen sich gänzlich unverletzt, und es blieb ganz unerklärlich, daß der Ingenieur keine Spuren von seinem Durchkämpfen der Klippen davon getragen haben sollte

      Später sollte sich ja dieses Dunkel lüften. Konnte Cyrus Smith wieder sprechen, so würde er schon erzählen, was mit ihm vorgegangen war. Für jetzt handelte es sich darum, ihn ins Leben zurück zu rufen, wozu man Frictionen der Haut für angezeigt hielt. Man führte diese mittels des groben Kittels des Seemanns aus. Erwärmt durch das kräftige Reiben, bewegte der Ingenieur schwach die Arme und stellten sich regelmäßigere Athembewegungen wieder her. Ohne Zwischenkunft des Reporters und seiner Begleiter wäre Cyrus Smith wohl an Erschöpfung zu Grunde gegangen.

      »Hast ihn also für todt gehalten, Deinen Herrn? fragte der Seemann den Neger.

      – Ja wohl, für todt! antwortete Nab; und hätte Top Sie nicht gefunden und hierher geführt, so hätte ich meinen Herrn begraben und wäre neben ihm gestorben.«

      Man sieht, an welch dünnem Fädchen Cyrus Smiths Leben gehangen hatte!

      Nad erzählte hierauf, was vorgegangen war. Nach seinem Weggange aus den Kaminen am Morgen des verflossenen Tages gelangte er, in der Richtung nach Norden zuschreitend, zu dem Küstengebiete, das er schon durchsucht hatte.

      Ohne eigentliche Hoffnung, wie er jetzt eingestand, forschte er am Ufer, im Sande, zwischen dem Gesteine nach Spuren, die ihn hätten leiten können. Vorzüglich faßte er dabei den etwas höher liegenden Strand in's Auge, da Ebbe und Fluth am Rande selbst jede Spur verwaschen haben mußten. Seinen Herrn lebend wieder zu finden, hatte er völlig aufgegeben. Nur zur Entdeckung eines Leichnams zog er aus, eines Leichnams, der wenigstens das Grab noch von seinen Händen finden sollte!

      Lange Zeit suchte Nab umher. Seine Mühe blieb erfolglos. Diese wüste Küste schien noch keines Menschen Fuß betreten zu haben. Die Muscheln, welche die Wellen nicht erreichen konnten und die außerhalb der Fluthgrenze den Boden zu Millionen überdeckten, erschienen unberührt. Keine einzige war zertreten. Auf einer Strecke von zweihundert Yards verrieth keine Spur ein früheres oder neuerliches Anlanden.

      Nab beschloß also, an der Küste noch einige Meilen weiter hinauf zu gehen. Möglicher Weise konnte die Strömung einen Körper ja etwas weiterhin getragen haben. Schwimmt nämlich ein Leichnam nahe einem flachen Ufer, so kommt es nur sehr selten vor, daß er nicht an's Land gespült würde. Das wußte Nab, und ein letztes Mal mußte er seinen Herrn noch wiedersehen.

      »Zwei Meilen weit lief ich an der Küste hin, durchsuchte zur Zeit der Ebbe die ganze Klippenreihe, das Küstengebiet zur Zeit der Fluth; schon verzweifelte ich, überhaupt etwas zu finden, da fielen mir gestern Nachmittag gegen fünf Uhr die Spuren von Schritten ins Auge.

      – Fußspuren? unterbrach ihn Pencroff.

      – Ja, bestätigte Nab.

      – Und diese Spur begann zwischen den Rissen selbst? fragte der Reporter.

      – Nein, entgegnete Nab, erst bei der Fluthgrenze, denn die Eindrücke zwischen dieser und den Rissen mußten wohl verwischt sein.

      – So fahre fort, Nab, sagte Gedeon Spilett.


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