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Friedrich Gerstäcker: Blau Wasser. Gerstäcker FriedrichЧитать онлайн книгу.

Friedrich Gerstäcker: Blau Wasser - Gerstäcker Friedrich


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fragte die Frau des Instrumentenmachers, ein junges, blühendes Weibchen, die eben ihr Kind beruhigt hatte, aber aus Sorge selber nicht schlafen konnte.

      „Stockpechrabenschwarze Dunkelheit, verehrte Madame Halter“, erwiderte Heidelberger achselzuckend, „man kann nicht einmal bis dahin an die Masten hinauf sehen, wo die Stücken abgebrochen sind; kein Stern am Himmel, keine Ecke Mond, kein Leuchtfeuer mehr zu sehen – blos noch Licht in der Kombüse und am Kompass –“

      „Nun, kriegen wir heiß Wasser?“ fragte der Schuster schnell.

      „Der Koch bringt's selber herunter“, lachte Heidelberger, „der trinkt auch gern einen Schluck und will die Gelegenheit nicht unbenutzt vorüberlassen. Sie sind gleich fertig mit ihren Arbeiten, und dann hat er „seine Wacht zur Koje“, wie er sagt. Es geht übrigens kein Lüftchen mehr oben, und die Segel hängen wie Lappen am Mast herunter.“

      „Das wär' bös!“ sagte Meier, jetzt zum ersten Mal wieder aus seiner Ecke aufstehend und ebenfalls an Deck kletternd.

      „Bös?“ brummte der Schuster hinter ihm drein. „Jetzt seh' einer den Holzkopf an; ärgert sich, weil es still geworden und der Sturm nicht gekommen ist, den er prophezeit hat – alter Barometermacher, der.“

      „Ach, lass ihn gehen,“ sagte aber Heidelberger, „wir wollen lieber unterdessen alles zum Grog zurechtmachen, bis der Koch mit dem Wasser kommt – er meinte, der Kapitän müsste nur erst von Deck sein, dass er nicht etwa 'was merkte. Vor dem Alten hat er einen heillosen Respekt.“

      Oben an Deck wurde es jetzt ruhig – es war wirklich so dunkel, dass sie keine weitere Arbeit vornehmen konnten. Was sich von den abgeschlagenen Spieren und dem Takelwerk bergen ließ, lag an Deck, die Segel, die jetzt angebracht werden konnten, standen, den geringsten wiederkehrenden Luftzug zu fangen, und alles Weitere musste bis zu dem dämmernden Tag verschoben werden, wo sich der erlittene Schaden dann freilich erst ordentlich übersehen ließ. Nur die eine Beruhigung hatten sie, dass sich kein Wasser im Raum fand. Der Schlag, der die Stengen über Bord jagte und das ächzende Schiff bis in seinen Kiel hinab erschütterte, hatte nicht vermocht, die Nähte zu trennen oder zu lockern, und sie durften hoffen, am nächsten Tag einen Hafen irgendwo an der englischen Küste anzulaufen um dort den erlittenen Schaden wieder auszubessern. Freilich musste das die Reise um Wochen lang verzögern.

      Wie still und unheimlich das auf dem Wrack jetzt aussah, mit den an Bord geholten gebrochenen und zersplitterten Hölzern, den zerrissenen Segeln und wirr durcheinander geschlungenen Tauen, und wie das klappte und schlug von noch locker hängenden Enden und losgegangenen Blöcken, die mit dem faulen Schlingern des Schiffes, das keinen Widerhalt im Wind mehr fand und auf den Wogen herüber und hinüber taumelte, an die Maststumpfe und großen Rahen klopften. Dick und schwer lag dabei ein dicker Nebel auf dem Wasser, dass man nicht einmal von Bord zu Bord des eigenen Schiffes sehen konnte, und was dabei das Schlimmere war: Er verdeckte auch das Licht der Leuchttürme, das Einzige, wonach der Kapitän im Stande gewesen wäre den Platz jetzt zu bestimmen, wo er sich gerade befand, und die Strömung zu erfahren, die ihn, wie er fast fürchtete, dem südlich gelegenen flachen Lande zu setzte. Hierüber mussten sie sich aber Gewissheit verschaffen, und die war auch außerdem durch das Senkblei zu bekommen.

      Mit dem kleinen Lot erreichten sie allerdings noch keinen Grund, das größere ergab jedoch eine Tiefe von fünfzig Faden, und als sie das Senkblei einige Sekunden auf dem Boden liegen ließen, fanden sie ihre Befürchtung der Strömung wegen allerdings begründet, denn das Schiff trieb über die Leine hin, nach Südosten zu. Trotzdem ließ sich für den Augenblick nichts weiter tun, denn das Wasser war zum Ankern zu tief und das Ankern selber auch für sie gefährlich. Die Brise konnte nicht mehr lange ausbleiben, dann verzog sich auch aller Wahrscheinlichkeit nach der Nebel, und ihr einziges Streben musste jetzt sein, so rasch als möglich einen Hafen zu erreichen. Das Schiff selber war dicht und unbeschädigt, und die paar Hölzer und Segel ließen sich dann bald wieder herstellen.

      Fortgang machten sie indessen fast gar nicht, höchstens vielleicht eine oder zwei englische Meilen die Stunde; nichtsdestoweniger wurde vorn am Bug die Glocke zeitweilig angeschlagen, ein mögliches Zusammenstoßen mit einem andern Schiff, dem sie kaum hätten ordentlich ausweichen können, zu vermeiden.

      Der Kapitän hatte jetzt seine Wacht zur Koje und ging nach unten. Was geschehen konnte, war geschehen, und sie durften ihre Kräfte nicht vor der Zeit aufreiben, da man allerdings nicht wissen konnte, was dem arg beschädigten Schiff noch bevorstand. Der Steuermann, der mit seiner Wache an Deck blieb, hatte aber strenge Ordre, das Senkblei von Zeit zu Zeit auswerfen zu lassen, sowie bei einer Veränderung der Witterung, oder sonst etwas Auffälligem, den Kapitän augenblicklich zu wecken und davon in Kenntnis zu setzen.

      „Na, da kommt er endlich!“ rief unten im Zwischendeck Heidelberger, als der Koch, ein eben nicht besonders reinlich aussehender Bursche, mit einem großen dampfenden Blechgefäß in der Hand, rasch die schmale Treppe, die in der Vorderluke lehnte, herabstieg, sich die Mütze dann abnahm und den Schweiß von der triefenden Stirn mit einem rotbaumwollenen Tuche abtrocknete.

      „Hurrah, der Koch soll leben!“ wollte der Schuster eben, in dem Vorgefühl bald befriedigten Durstes, ausrufen, als ihn aber das also zu ehrende Individuum selber eben nicht sanft gegen die Schulter stieß und bedeutete, „das Maul zu halten“.

      „Hol' euch doch der Henker hier mit eurem ewigen Brüllen!“ knurrte er dabei; „muss es denn immer gleich das ganze Schiff wissen, wenn man euch einmal einen Gefallen tun will? – Und dann werdet ihr überdies nicht mehr lange zu hurrahen haben – beten wär' euch besser und nützlicher.“

      Der Koch war ein mürrischer, finsterer Gesell, trotzdem aber mit einem ziemlichen Teil trockenen Humors begabt, der ihn schon bei seinen Passagieren sehr beliebt gemacht hatte. Auch kochte er nicht übel und verstand die Behandlung einer Auswanderungsküche aus dem Fundament. Nur mit der Reinlichkeit sah es nicht besonders aus, und das in tausend kleine bewegliche Falten gezogene Gesicht ließ ihn dabei immer noch schmutziger erscheinen, als er vielleicht wirklich war. Der einzige Fehler nur klebte ihm an: er trank und ließ sich auch deshalb mehr und intimer mit den Passagieren ein, als das auf der langen Reise für den Koch nützlich und den Offizieren des Schiffes angenehm ist. Die Auswanderer führten aber eine Menge spirituöser Getränke bei sich, und denen konnte er, da an Bord selber kein Branntwein verabreicht wurde, nicht widerstehen.

      „Beten? Hallo, was ist nun im Wind?“ lachte der Schneider, der ihm indessen das Wasser abgenommen hatte und einen Teil desselben in eine große Blechkanne auf die darin schon vorbereitete Mischung von Rum und Zucker goss; „weil die paar Stücken Holz und Ellen Leinwand über Bord gegangen sind?“

      „Der Klabautermann ist fort!“ flüsterte aber der Koch dem Schneider heimlich zu, und sah sich dann scheu im Kreise um, die Wirkung zu beobachten, die diese Worte auf die Umstehenden machen würden.

      „Der Klabautermann?“ rief der Schneider erstaunt und lachend, denn es war das erste Mal in seinem Leben, dass er den Namen auch nur erwähnen hörte – „wer heißt Klabautermann? Nennt Ihr einen von euern Masten so?“

      „Kennt Ihr den Klabautermann nicht?“ rief der Koch, aufs Äußerste erstaunt – „na, Gott sei Dank, weiß nicht einmal, wer der Klabautermann ist, und geht zur See; ihr Passagiere seid noch schrecklich dummes Volk.“

      „Na, Donnerwetter, woher sollen wir denn in Preußen erfahren haben, wer der Klabautermann ist?“ brummte der Schuster – „heraus mit ihm denn, was ist mit ihm los, und wo ist er hin?“

      „Fort ist er“, sagte der Koch wieder mit unterdrückter Stimme – „fort und vom Schiff, und nun ist die Geschichte aus.“

      „Aber wer ist der Klabautermann?“ rief der Lohgerber, jetzt auch ungeduldig werdend – „schwafelt der Mensch da in den Tag hinein, dass keine Seele daraus klug wird, und antwortet auf keine vernünftige Frage. Was haben wir mit dem Klabautermann zu tun?“

      „Was Ihr mit dem Klabautermann zu tun habt?“ wiederholte der Koch, „das wird euch bald klar


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