Das Lächeln der Mona Lisa. Kurt TucholskyЧитать онлайн книгу.
der Exekution, vor Rührung.
Pommerscher Frauenbrief. „… Dir nicht denken, wie wir gelacht haben! Es war zu reizend! Das Wetter war herrlich, und mit fuhren im Wagen vier Stunden nach Messenthien, wo wir alle kräftig zu Mittag aßen. Otto war auch da – er ist jetzt Oberzuchtmeister geworden und sieht in seiner neuen Uniform famos aus. Ich bin direkt stolz auf ihn, und der Dienst bekommt ihm auch sehr gut. Wir haben gleich eine Photographie von ihm gemacht, die ich Dir beiliegend …
Ärztliche Mitteilungen. … geradezu auffallende Steigerung der unter das Erzüchtigungsgesetz fallenden, meist politischen Delikte, wie Sinsheimer mitteilt, eine eigenartige Aufklärung gefunden. Ein Teil dieser Verurteilten wälzte sich nach Empfangnahme der Prügel verzückt am Boden, schrie: „Weiter! Mehr! Noch!“ und konnte nur mit Mühe daran gehindert werden, Stock, Peitschen und Züchtigungsbeamte zu umarmen. Es handelt sich um notorische Masochisten, die auf diese Weise billig ihrer Libido gefrönt haben und denen nun wahrscheinlich der Prozeß wegen rechtswidriger Aneignung von Vermögensvorteilen gemacht werden wird.
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8. März 1956. „… auf die arbeitsreiche Zeit von 25 Jahren zurückblicken. Wenn das Reichserzüchtigungsamt bis heute nur Erfolge gehabt hat, so dankt es das in erster Linie seinem treuen Stab der im Dienst erhauten Beamten, der vollen Unterstützung aller Reichsbehörden sowie dem Reichsverband der Reichserzüchtigungsbeamten. Die bewährte Strafe ist heute nicht mehr wegzudenken. Sie ist eine politische Realität; ihre Einführung beruhte auf dem freien Willen des ganzen deutschen Volkes, dessen Vollstrecker wir sind. Das Gegebene, meine Herren, ist immer vernünftig, und niederreißen ist leichter als aufbauen. In hoc signo vinces! So daß wir also heute voller Stolz ausrufen können:
Das deutsche Volk und seine Prügelstrafe - sie sind untrennbar und ohne einander nicht zu denken!
Das walte Gott!“
Briefe an einen Fuchsmajor
„Meningen hat ganz recht. Wir kommen schon von selbst in unsre Positionen, die ein für allemal für uns da sind. Wir übernehmen dazu einfach die bewährten Grundsätze, die Verwaltungsmaximen unsrer Väter. Wir wollen von gar nichts anderm wissen. Wozu –?“
… Der junge Reisleben begann jetzt zu kotzen.
Leben und Treiben der Saxo-Borussen, aus Harry Domela „Der falsche Prinz“
Im fröhlichen Herbst, als ich mit unserm Carl von Ossietzky in Würzburg bei schwerem Steinwein saß, fiel mein Blick auf eine kleine Broschüre „Briefe an einen Fuchsmajor, von einem alten Herrn“. (Verlag Franz Scheiner, Graphische Kunstanstalt, Würzburg.) Ich habe das Heftchen erstanden und muß dem anonymen Verfasser danken: außer dem „Untertan“ und den gar nicht genug zu empfehlenden Memoiren Domelas ist mir nichts bekannt, was so dicht, so klar herausgearbeitet, so sauber präpariert die studentische Erziehung der jungen Generation aufzeigt. Selbst für einen gelernten Weltbühnenleser muß ich hinzufügen, daß alle nun folgenden Zitate echt sind, und daß ich, leider, keines erfunden habe.
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Unter den Milieuromanen der letzten Jahrzehnte gibt es zwei, die besonders großen Erfolg gehabt haben, wenn ich von dem seligen Stilgebauer absehe, der butterweichen Liberalismus mit angenehm erregender Pornographie zu vereinigen gewußt hat. Das sind Walter Bloems „Krasser Fuchs“ und Poperts „Hellmuth Harringa“. Beide Bücher taugen nichts. Sie sind aber als sittengeschichtliche Dokumente nicht unbrauchbar. Bloem, ein überzeugungstreuer Mann, außer Walter Flex einer der ganz wenigen nationalen Literaten, die für ihre Idee im Kriege geradegestanden haben, gibt sanft Kritisches, das er für scharf hält. Popert, ein hamburgischer Richter, dessen sicherlich gute antialkoholische Absichten die Hamburger Arbeiter damit karikierten, daß sie in der Kneipe sagten: „Nu nehm wi noch ’n lütten Popert!“ (statt Köhm) – ist im politischen Leben eine feine Nummer und als Schriftsteller ein dicker Dilettant. Der Erfolg seines Buches basierte auf dem angenehmen Lustgefühl, das es in dem nicht inkorporierten Wandervogel wachrief, der nach solchen Schilderungen studentischen Lebens getrost sagen durfte: „Seht, wir Wilden sind doch bessere Menschen!“ Er hat mit seiner Sittenfibel so recht, daß man ihm nur wünschen möchte, er hätte es nicht: einer der nicht seltenen Fälle, in denen ein unsympathischer Anwalt eine sympathische Sache vertritt.
Die „Briefe an einen Fuchsmajor“ sind nun kein Roman, sondern eine durchaus ernstgemeinte Anweisung, junge Füchse zu brauchbaren Burschen und damit zu Mitgliedern der herrschenden Kaste zu machen. Es ist wohl das Schlimmste, das jemals gegen die deutschen Korpsstudenten geschrieben worden ist.
Daß das Heft die Mensur verteidigt und damit das Duell, braucht nicht gesagt zu werden. Nun halte ich das zwar für wenig schön, jedoch kann ich mir kluge, gebildete und anständige Männer denken, die in der Billigung dieser Einrichtung aufgezogen sind. Der „Alte Herr“ begründet seinen Standpunkt folgendermaßen:
Wo Hunderte, gar Tausende von jungen, lebensfrohen, heißblütigen Männern eng und dicht nebeneinander leben, wie auf Universitäten, da kann es nie und nimmer stets und jederzeit friedlich zugehen; wollte da jeder wegen jedes kleinen und großen Wehwehchens zum Richter laufen, so gäb’s eine Atmosphäre der Angeberei, des Denunziantentums und aller ekelhaften Nebenerscheinungen, die nicht zum Aushalten wäre. Die üblichen Verbitterungen und Feindschaften brächten letzten Endes den Knüppelkomment, das Recht des rein körperlich Stärkeren, der zahlenmäßig Mächtigeren mit sich.
Wem wäre das noch nicht in Paris, in Oxford and in deutschen Fabriken aufgefallen!
Was es wirklich mit dem Waffenstudententum auf sich hat, das sagt uns der „Alte Herr“ besser, boshafter, radikaler, als ich es jemals zu tun vermöchte. Das hier ist zum Beispiel ein Argument für, nicht gegen das Duell:
Mit verhimmelnder Begeisterung werden lange Feuilletonspalten, geduldige Broschüren und gar dickleibige Bücher gefüllt, wenn irgendein deutscher Intellektueller bei irgendeinem fernen Volksstamm, seien es Ostasiaten, Südseeinsulaner oder Buschmänner, irgendwelche Überreste alter Gebräuche, alter Traditionen entdeckt. Aber daß bei uns noch mitten im Alltagsleben eine derartige Tradition voll hoher und idealer Ziele lebendig ist –
das zeigt allerdings, aus welcher Zeit sie stammt: aus der Steinzeit. Nur sehen die Schmucknarben der Maori hübscher aus als die zerhackten Fressen der deutschen Juristen und Mediziner.
Es ist selten, daß man so tief in das Wesen dieser Kaste hineinblicken kann, wie hier. In den Korpszeitungen geben sie sich offiziell; manchmal rutscht zwar das Bekenntnis einer schönen Seele heraus, aber es ist doch sehr viel Vereinsmeierei dabei, sehr viel nationale und völkische Politik, Wut gegen die Republik, die die Krippen bedrohen könnte und es leider nicht tut – kurz: jener Unfug, mit dem sich die jungen Herren an Stelle ihres Studiums beschäftigen. Hier aber liegt der Nerv klar zutage.
Man bedenke, was diese Knaben einmal werden, und ermesse daran die Theorie von der Gruppenehre:
Wenn Herr Wilhelm Müller schlaksig mit den Händen in der Hosentasche, Zigarette im Mund, mit einer Dame spricht, interessiert das keinen, wenn aber ein Fuchs von Guestphaliae dasselbe tut, so ist für alle, die das sehen, Guestphalia eine Horde ungezogner Rüpel.
Wie da das Motiv zum anständigen Betragen in die Gruppe verlegt wird; wie das Einzelwesen verschwindet, überhaupt nicht mehr da ist; wie da eine Fahne hochgehalten wird – wie unsicher muß so ein Einzelorganismus sein! Das sind noch genau die Vorstellungen von „Ritterehre“, über die sich schon der alte, ewig junge Schopenhauer lustig gemacht hat. Noch heute liegt diese Ehre immer bei den andern.
Wenn ohne Widerspruch erzählt werden kann, daß ein Waffenstudent oder gar einige Vertreter des Korporationslebens beschimpft oder verprügelt worden sind, so bleibt damit ein Fleck auf der Ehre des einzelnen und des Bundes.
Nach diesem Aberglauben kann also die Gruppe ihre Ehre nicht nur verlieren, indem sie schimpfliche Handlungen begeht, sondern vor allem einmal durch das Handeln andrer Leute.