Anna das Mädchen aus Dalarne. Selma LagerlöfЧитать онлайн книгу.
sein.«
»Bester Schwager!« sagte Berit. »Wirst doch woll nit denk'n, sie treib' ihr'n Spaß mit dir?«
»Nee, ich glaub' nit, daß sie ihr'n Spaß mit mir treibt«, sagte er. »Aber d' Leut drunt'n im Land sind grausig lustig und g'spaßig, das weiß jeder, der dort Handel trieben hat. Und ich verwunder' mich auch gar nit drüber, daß das junge Ding sich beschwindeln läßt. Aber du und ich, Berit, wir dürf'n den Verstand nit verlier'n. Geh in d' Küch und laß dir 'nen guten Imbiß für d' Anna herrichten, und dann schick sie gleich morgen fort. In zwei Monat, aber kein Tag früher, darf sie z'rück sein.«
Mutter und Tochter standen ganz erschreckt auf und gingen nach der Tür. Aber da blieb Anna Svärd stehen und sagte zögernd: »'s Geld, was ich dir noch schuldig bin, hab ich heut mitbracht. Aber vielleicht willst's nit vorm Dezember in Empfang nehm'n?«
Da warf ihr der Oheim einen Blick zu, der ihr durch Mark und Bein ging.
»Pfui«, sagte er. »Ist 's so weit mit dir kommen, daß du 'n Jobs-Erik für'n Narren hältst? Geh nicht hin und heirat', Kind! Halt fest am Handel! Du könnt'st dabei so reich werden, daß du ganz Medstuby kaufen könnt'st!«
4
Als Mutter und Tochter von Jobs-Erik in ihre Kammer zurückgekehrt waren, wollte Anna, sie sollten jetzt zu der Mutter Ingeborg im Rishof gehen, sie sollte die nächste sein, die von dem großen Wunder Bescheid erhielt. Aber davon wollte die alte Berit nichts hören.
Allerdings lag der Rishof dicht beim Jobshof, und allerdings hatte die nachbarliche Freundschaft niemals öffentlich einen Bruch erlitten, so daß die Leute etwas davon wußten; aber sie war doch immerhin nicht so gut, wie sie hätte sein sollen.
Mutter Ingeborg war Witwe, und obgleich sie den besten Hof in Medstuby zu eigen hatte, ging es ihr doch recht sorgenvoll, weil kein Mann auf dem Hofe war und sie für alle Außenarbeit gedingte Leute haben mußte. Ihr einziges Streben und Trachten ging dahin, den Hof so lange zu halten, bis ihre Söhne erwachsen wären, denn dann würden ja alle Schwierigkeiten von selbst verschwinden. Und wer ihr zu diesem Ziele verhalf, das war in allererster Linie ihre Schwester Karin. Der ganze Ort wußte, daß sie das Geld für die Löhne und Steuern ins Haus schaffte. Aber die Ris-Karin hatte kein so großes Glück mehr beim Handel gehabt, seit Anna Svärd mit dem Ranzen auf dem Rücken umherzog. Und es war den Leuten vom Rishof wohl anzumerken gewesen, daß sie gegen die Leute des Jobshofs feindselig gesinnt waren, vor allem gegen Anna und ihre Mutter.
Als nun Mutter Svärd mit diesen Bedenken herausrückte, sagte indes die Tochter, es sei nun an der Zeit, dieser Feindschaft ein Ende zu machen, und gerade deshalb wolle sie hinüber zu Ris-Ingeborg. Die Mutter könne ja zu Hause bleiben, wenn sie keine Lust dazu habe, aber sie selbst werde jedenfalls hingehen.
Nun ja, sie setzte ihren Willen durch, und Mutter Svärd ging mit. Sie dachte, sie könne am Ende doch von Nutzen sein.
Anna Svärd war ganz bestürzt, als sie auf dem Rishof in die große Stube hineinkam. Sie war in den letzten Jahren nicht mehr auf dem Hofe gewesen, und so hatte sie vergessen, wie schön es da war. Jede Fläche an der Wand, die nicht von den Schränken oder der hohen Standuhr verdeckt wurde, war mit biblischen Malereien geschmückt. Mitten auf der Leinwand sah sie Joseph, der in einer vierspännigen Kutsche mit Kutscher und Diener seinem Vater Jakob entgegengefahren kam, und über dem breiten Fenster zeigte sich eine kleine Jungfrau Maria, die sich vor dem in goldstrotzender Uniform und einem Dreispitz auf dem Kopfe dicht vor ihr stehenden Engel des Herrn verneigte. Anna Svärd nahm sowohl das erste wie das andere Bild für eine gute Vorbedeutung. Es war ihr lieb, wenn sie an solche Menschen erinnert wurde, denen durch Gottes Wundermacht aus ihrer Niedrigkeit herausgeholfen worden war.
Mutter Ingeborg auf dem Rishof war eine schöne und friedliebende Frau. Sie gehörte zu denen, die es verstehen, alles schön um sich herum zu gestalten. Fast immer war sie mit einer zierlichen Handarbeit beschäftigt. Jetzt eben saß sie am Tisch und hatte einen Fausthandschuh, den sie mit kleinen Blättern benähte, über die Hand gezogen.
Es lag vielleicht etwas Zurückhaltung in ihrem Benehmen, aber von dem abgesehen, empfing sie die alte Berit und deren Tochter ganz wie sonst. Sie ging ihnen entgegen, gab ihnen die Hand und forderte sie auf, sich auf der Bank unter dem Fenster niederzulassen. Dann setzte sie sich wieder an den Tisch und nahm ihre Arbeit von neuem auf.
Zuerst herrschte eine Weile vollkommenes Schweigen, und Anna dachte, nun überlegte Ingeborg wohl, ob die beiden Gäste erwarteten, zum Kaffee eingeladen zu werden. Aber das kam ihr gewiß gar nicht gelegen. Sollte sie die zum Kaffee einladen, die ihrer Schwester den Verdienst wegnahmen?
Nachdem eine passende Zeit verstrichen war, begann Anna das Gespräch, indem sie erzählte, sie sei auf dem Heimwege mit Karin zusammengetroffen, und so habe sie gemeint, sie wolle im Rishof hereinschauen, um Grüße von Karin zu bestellen und zu berichten, daß diese frisch und gesund sei.
»'s mir sehr recht, daß sie g'sund ist«, sagte Ingeborg, »'s Wichtigst' von allem ist G'sundheit.«
»Ja, die ist für alle notwendig«, beeilte sich Mutter Svärd zu bekräftigen; »ganz besonders für den, der auf der Landstraß' 'rumstreifen muß.«
»Da hast du recht, Berit«, stimmte Ingeborg zu.
Danach trat eine Pause in dem Gespräch ein, und Anna dachte, nun frage sich Ingeborg wieder, ob sie den beiden Gästen Kaffee anbieten müsse. Aber dazu konnte sie sich nicht überwinden. Sie war ja nur mit einem Gruß von der Schwester gekommen. Zum Kaffeeanbieten gehört mehr.
Darauf sagte Anna Svärd, sie wäre nicht so mitten am Nachmittag gekommen und hätte Ingeborg in der Arbeit gestört, wenn sie nicht noch etwas anderes als nur einen Gruß zu bringen hätte. Als sie sich trafen, sei Karin von Norden her gekommen mit ihrem Ranzen noch ganz voller Waren, während sie, Anna, von Süden her schon alle ihre Waren verkauft gehabt habe. Deshalb habe sie Karin ihren ganzen Vorrat abgekauft, und als sie sich trennten, sei Karin eiligst nach Karlstadt aufgebrochen, um sich neuen Vorrat zu kaufen, ehe sie sich nach den Jahrmärkten begab.
Die beiden Schwestern, Karin und Ingeborg, hatten das gemeinsam, daß sie blaurot im Gesicht wurden, wenn sie erregt waren. Und jetzt hörte Ingeborg zu mit einem Gesicht so rot wie ein blühender Heidehügel. Sonst aber merkte man ihr nicht an, ob sie von der Nachricht besonders ergriffen war. Nur mit ein paar Worten sagte sie, es sei ja gut, daß Karin Anna getroffen und ihre Waren an sie habe verkaufen können,
»'n größeres Glück war's aber doch woll für Anna, daß sie sich auf 'm Heimweg wieder Vorrat kaufen konnt'«, warf Mutter Svärd ein.
Es fiel nicht leicht, das Gespräch in Gang zu erhalten. Wieder trat Schweigen ein, und Anna Svärd dachte in ihrem Herzen, nun überlegte Ingeborg, ob sie den Gästen nicht doch Kaffee anbieten müßte. Aber sie hatte keine rechte Lust dazu. Das Mädchen vom Jobshof war ja doch nur gekommen, um damit zu prahlen, daß sie der Alten vom Rishof hatte aushelfen können. Nein, sie konnte sich nicht entschließen, dieses Mädchens wegen den Kaffeekessel aufzusetzen.
Doch nun erklärte Anna, daß sie nicht nur deswegen auf den Rishof herübergekommen sei. Denn seht, bei dem Kaufe hatte sie etwas dazubekommen, das nicht ihr gehörte. Die beiden Händlerinnen hatten nicht so genau nachgesehen, sondern einfach alles, was in Karins Ranzen war, herausgenommen und es in Annas hineingesteckt. Aber am nächsten Tag, als Anna ihre Waren in einem Bauernhaus ausbreitete, siehe, da steckte ein Fünftalerschein in einem seidenen Tüchlein.
Zugleich griff Anna in die Tasche und zog den Fünftalerschein heraus. Sie strich ihn glatt und legte ihn auf den Tisch vor Ingeborg hin. Da wurde die Frau vom Rishof noch röter im Gesicht als vorher.
»Aber 's ist doch fast nit möglich, daß d' Schwester so nachlässig mit 'm Geld umgeht?« sagte sie. »Sie läßt doch gar nie 'nen Fünftalerschein offen im Ranzen lieg'n. Es g'hört ihr vielleicht gar nit.«
»Ja, 's wäre möglich«, erwiderte Anna. »Der Fünftalerschein hat vielleicht schon vorher in dem seid'nen Tuch g'legen. Ich glaub' fast auch, daß sie gar