Friedrich Gerstecker: Reise in die Südsee. Friedrich GersteckerЧитать онлайн книгу.
Bord schlugen, und die matten Funken des Seewassers, während sich die Flut zu beiden Seiten durch die Speigaten ihren Weg wieder ins Freie suchte, mit dem Stampfen der armen „JANE“ bald nach vorn und bald wieder zurück schossen. Der Himmel sah dabei so bös aus wie nur möglich, und das rasche Jagen der Wolken war selbst hier, ohne den geringsten Anhalt eines festen Gegenstandes, denn die Masten tanzten mit ihren Spitzen gar toll und wild an dem grauen Firmament herum, deutlich erkennbar.
Zwei Matrosen hatten Wache an Deck, und der eine hielt die Leine des über Bord gelassenen Senkbleis in der Hand, daran zu fühlen ob das Schiff noch, wie eine kleine Weile vorher, treibe, weshalb noch etwa fünfzehn Faden mehr Kette ausgelassen waren. Wir durften, wie mir die Leute sagten, nicht mehr nachgeben, da sich der Boden hier schon hob, wir hatten etwa einen halben Fuß verloren, und mit der jetzt unruhig werdenden See konnte uns ein einziger Stoß, richtig auf den harten Sand geführt, in Stücken und auseinander schlagen.
Ich fragte den Matrosen, was er von unserer Lage denke, er wollte aber nicht recht mit der Sprache heraus, und meinte nur: Wenn der Anker hielte und die Kette nicht bräche, und der Wind nicht gar zu stark an zu wehen finge, und der Tag nicht zu lange ausbliebe, möchte es noch alles gut gehen; viel zu viele „Wenn's“, jedoch für nur einigermaßen gute Aussichten, und ich starrte schweigend mit einer Art trotzigen Unmuts hinaus über die schwarze kochende See und die weißen jagenden Brandungswellen, die, wie es schien, dicht hinter unserem Fahrzeug begannen, und in die ich hätte meine Mütze hineinwerfen können. – Ich tat's aber nicht.
Noch während ich neben dem Manne stand und meine Hand selber mit an die Leine legte, zu fühlen, ob sie noch fest zwischen den Fingern liege, tat es plötzlich an der Kette einen scharfen Schlag, und wie Jemand, der ein böses Gewissen hat, wo er zwei leise mitsammen sprechen sieht, fürchtet, dass er der Gegenstand der Unterhaltung sei, so schien es auch, dass wir sämtlich an Deck ebenfalls glaubten, das eben gehörte Geräusch ginge uns selbander augenblicklich ans Leben. Wir vermuteten nämlich in dem Moment nichts anderes, als die Kette sei gesprungen, obgleich bei einem solchen Zufall gewöhnlich nicht allein ein solcher Schlag, sondern gewöhnlich auch noch das Zurückschnellen des abgebrochenen Endes erfolgen soll. – In solchem Augenblick ist man aber selten aufgelegt zu langem Nachdenken – mit drei Sätzen, waren wir vorn, fanden aber hier, sehr zu unserer Genugtuung, dass die Kette keineswegs gesprungen, sondern wahrscheinlich nur ein Glied in andere Lage gerückt sei, und dadurch den klingenden verdächtigen Laut verursacht hatte. Der Anker hielt noch fest und gut, und überhaupt waren, hier sehr zu unserem Glück, Anker wie Kette von fast unverhältnismäßiger Schwere für die Größe des Schiffes.
„Diesmal geht's noch“, sagte der Matrose, und kehrte wieder zu dem Senkblei zurück; „wenn der Wind aber nicht sehr bedeutend nachlässt, so weiß ich, dass wir den Anker morgen nicht wieder heraufkriegen.“ „Das lass' dir aber gesagt sein“, wandte er sich, dann an den jüngsten Matrosen der mit ihm die Wache hatte, „wenn du je vor Anker liegst bei faulem Wetter, und hörst jeden Laut, dann spring' jedes Mal nach vorn – ich hab's einmal erlebt, und möcht's nicht wieder durchmachen.“
Für diesmal ging es auch wirklich, aber immer toller tobte und heulte der Wind, immer höher und höher schwoll die See, und recht tüchtige Wellen warf sie uns schon vorn über Deck, als ob sie es gar nicht erwarten könne, an Bord zu kommen, und dann so recht nach Herzenslust in dem armen Fahrzeug und mit ihm herumzuarbeiten. Die See ist darin wie ein kleines ungezogenes Kind, was sie einmal wirklich zum Spielen bekommt, das muss sie auch gleich inwendig besehen; erbarmungslos reißt sie dem armen Spielzeug das Bisschen Außenstaat, so bunt und prächtig es auch angemalt und gekleidet sein mag, vom Leibe, und hat sie ihren Willen gehabt, – dann wirft sie den nutzlosen Plunder in die Ecke und verlangt mehr.
Der Leser kann sich ungefähr denken, wie gestimmt ich mich in der Nacht wieder auf mein Lager warf – noch volle sechs Stunden bis Tageslicht, und draußen rissen die Wellen mit jeder Bewegung des Schiffes an den Eisengliedern, deren Stärke allein uns noch von der Brandung und dem sicheren Verderben abhielt. In dieser Nacht war ich auch fest überzeugt, dass wir auf den Strand laufen würden, und steckte nur das Wenige was ich an Gold hatte, zu mir, für den günstigsten Fall, dass wir mit dem Leben davon kamen, gesichert zu sein, und ein paar Dollars in Händen zu haben.
An Schlaf war natürlich nicht zu denken, und erst gegen Morgen fiel ich, durch übermäßige Ermüdung, in eine Art Halbschlummer, aus dem ich aber bald darauf wieder durch Geräusch an Deck geweckt wurde.
Es war endlich Tag geworden und das Wetter hatte sich wenigstens in etwas gemäßigt, wenn die Wellen auch noch keineswegs beruhigt waren. Der Kapitän sagte mir, bis zwei Uhr hätte ein förmlicher fliegender Sturm geweht, und nur zwei Stunden länger, und selbst beide Ketten würden dann der Gewalt der einmal aufgerüttelten Wasser nicht mehr haben widerstehen können, um zwei Uhr schien aber das Wetter plötzlich nachzulassen, und während beinah Windstille eintrat, legte sich die See. Erst gegen Morgen erhob sich der Wind etwas wieder, und wenn wir ihn auch gerade in die Zähne hatten – denn er blies genau aus der Richtung her, wohin wir wollten, mussten wir doch machen, dass wir unsern Anker herauf kriegten und hier fort kamen. Die nächste Nacht hätte uns am Ende nicht so günstig sein können. Über dem konnten wir jetzt am hellen Tage jede Gefahr leicht übersehen, und im aller ungünstigsten Fall, wenn es wirklich wieder angefangen hätte zu wehen, waren wir, erst einmal unter Segel, leicht im Stande in die Bai zurückzulaufen, und dort günstigeres Wetter abzuwarten.
Volle drei Stunden hatten wir aber zu arbeiten, und arbeiten im strengsten Sinn des Worts, bis wir den schweren Anker endlich aus der Tiefe herausbrachten; die See ging dabei noch immer hohl, besonders hier so nahe an der Küste, unter der wir förmlich dicht lagen, und im Anfang glaubten wir auch gar nicht, dass wir ihn heraufbringen würden, wo dann weiter gar nichts übrig geblieben wäre, als den nächsten Schäkel der Kette auszuschlagen und den Anker mit einer Boje darin zurück zu lassen. Aber es ging, und nur mit der Vorsicht, die Segel schon zu setzen ehe wir förmlich flott waren, denn wir hatten mit der Küste gar nichts mehr zu vergeben, zeigte das Lot bald an, dass wir vorwärts gingen. Die Raaen wurden jetzt angebrasst, die leichteren Segel ebenfalls gelöst, und unter dem fröhlichen Singen der Matrosen ausgezogen, und der Anker war kaum geborgen, als wir auch schon, mit allen Segeln geschwellt, dicht an der Küste, nördlich von der Einfahrt, hinaufliefen, bis wir ihr so nahe kamen, dass wir wieder wenden mussten.
So kreuzten wir nach und nach von den Gefahr drohenden Felsen ab, und als sich gegen Abend der Wind auch noch etwas besserte, konnten wir das Land weit genug zurücklassen, selbst von einer wieder einsetzenden mehrstündigen Windstille nichts weiter befürchten zu dürfen.
In der Nacht passierten wir, mit wieder erwachender Brise, die Farallonen, eine inselartige Felsengruppe, der Bai von San Francisco gegenüber liegend.
Den 24. November morgens Windstille, um 2 Uhr Nachmittags aber eine frische günstige Brise. Wir steuerten mit gutem Südwest-Kurs von der Küste ab, und hinter uns in nebliger Ferne, und kaum noch erkennbar, lagen die steilen Küstengebirge Kaliforniens.
Mit den vorbeschriebenen Fatalitäten der einen Nacht schienen wir aber auch alle Unannehmlichkeiten für die ganze Reise, bis nach den Inseln, überstanden zu haben.
Sonntag den 24. bis 2 Uhr Nachmittags fast Windstille, und wunderschönes Wetter. Nachmittags begann eine schwache uns günstige Brise zu wehen, die gegen Abend zu einem vortrefflich günstigen Wind anwuchs. Zu windwärts eine Brig in Sicht, mit gleichem Kurs. Die Nacht noch liefen wir 10 und 11 Knoten.
Montag den 25. weite offene See, kein Land, kein Schiff mehr in Sicht – vortrefflicher Wind, und unser gutes Fahrzeug hält sich ausgezeichnet – ade California . . . .
Der gute Wind hielt nun freilich noch nicht an; in der Nähe der kalifornischen Küste wechselt er viel zu schnell, dafür mussten wir sogar nach einer Windstille am 28., den 29. gegen den Wind kreuzen; am 30. aber, etwa unter 134° westlicher Länge von Greenwich, und 30° nördlicher Breite trafen wir die Nord-Nord-West-Passate, die uns nun mit ununterbrochenem Wehen unserem Ziel entgegentrieben.
Doch es wird Zeit, dass ich mich auch ein wenig mit dem Schiff und der Mannschaft beschäftige, die allerdings beide interessant genug waren, eine kurze Beschreibung zu verdienen.