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Hell und Dunkel. Eine Gemsjagd in Tyrol.. Gerstäcker FriedrichЧитать онлайн книгу.

Hell und Dunkel. Eine Gemsjagd in Tyrol. - Gerstäcker Friedrich


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sein ganzes Vermögen und Grundeigenthum, was sich meist auf dies alte Kloster und die dazu gehörigen Ländereien beschränkte, seiner einzigen Erbin, einer Stiefschwester und alten Jungfer, hinterließ, die ihm bis dahin, mit Hülfe ihrer fast eben so alten Dienstmagd, die Wirthschaft geführt hatte.

      Diese verpachtete bald darauf das Gut an einen Fremden, einen Protestanten, der die Felder und sonstigen Wirthschaftsgebäude in vortrefflichen Stand brachte, sich aber dafür den Henker um die neu eingerichtete Kapelle kümmerte, und lieber zwei volle englische Meilen zu der dort errichteten protestantischen Kirche ritt, als daß er sich der kleinen Gemeinde in der alten Klosterkapelle angeschlossen hätte.

      Die Dienstleute, fast lauter Katholiken, die mit dem früheren Besitzer gekommen oder sich später, aus protestantischen Umgebungen, hierher gezogen hatten, schüttelten darüber freilich mit dem Kopf und meinten, der alte Herr müsse sich im Grabe umdrehen, wenn er sähe, wie all' seine Mühe und Arbeit nun so vergebens gewesen wäre und protestantische - und man könnte eben so gut sagen heidnische - Hände auf seinem Grund und Boden wirthschafteten. Die Schwester aber war ein viel zu vernünftiges Frauenzimmer, sich an solche Reden und Ideen zu kehren. Sie wußte recht gut, daß sie leben mußte, und da sie natürlich nicht selber mehr Landwirthschaft treiben und Felder bebauen konnte, so verstand es sich von selbst, daß sie einen Pächter dazu nahm. Ob der nun später, wenn er einmal starb, in den Himmel und Abraham's Schooß, oder an einen Ort kam, dessen eine gute Christin nur mit innerem Schauder gedenken konnte, ging sie auf der Welt nichts an. Sobald der Mann nur, so lange er ihr Gut bewirthschaftete, seinen Zins ordentlich bezahlte, hätte er ihretwegen einen Wegweiser /113/ statt eines Crucifix anbeten können. Das konnte ihr gleichgültig sein.

      Ich erwähne dies aber nur hier deshalb, um eben zu rechtfertigen, daß sie von den noch streng katholischen Untersassen des kleinen Gebiets mit nichts weniger als günstigen Augen betrachtet wurde. Diese schüttelten auch sehr häufig die Köpfe und meinten, das könne nun und nimmermehr zu einem guten Ende führen.

      „Das Fräulein", wie sie übrigens allgemein von der Nachbarschaft zum Unterschied von anderen Fräulein genannt wurde, die gewöhnlich noch ihren Geschlechtsnamen dabei gesetzt bekamen, bewohnte mit ihrer alten Dorothea die Zimmer des früheren Abtes, die danach von einigen Officieren der Rundköpfe7 benutzt, später, nachdem sie anständig hergerichtet worden, von ihrem Bruder in Besitz genommen, und dadurch die noch am besten erhaltenen Gemacher des ganzen Hauses waren.

      Gleich an diese stieß das alte Refectorium des Klosters, und dieses hatte ihr Bruder wollen mit mehreren Abtheilungen durchschneiden und dadurch in kleinere Gemächer, die zu verschiedenen Zwecken benutzt werden konnten, verwandeln lassen. Hierbei aber vom unerbittlichen Tod überrascht, war Alles in dem großen Saale, wie es die Arbeiter eben verlassen, stehen und liegen geblieben, und es sah fast unheimlich aus, wenn man, aus dem Wohnzimmer tretend, die Thür öffnete und dann in den weiten, alten, grau düstern Saal hineinschaute, wo die Mauersteine neben den noch halb vergoldeten und mit Zierrathen geschmückten, halb von profanen Händen abgekratzten und beklecksten Wänden aufgeschichtet oder unordentlich umhergestreut lagen; wo hier ein Balken über einem Heiligenbild, dem die Rundköpfe das früher glorienumstrahlte Angesicht schwarz übermalt hatten, in der Ecke lehnte, dort eine Leiter aus der Kreuzigung Christi an der Hinterwand ordentlich herausgefallen schien, während die Bilder selbst, beschmutzt und mit groben Pinselstrichen überschmiert, gar traurig und betrübt nur hier und da noch einen Arm oder ein Bein vorstreckten.

      Der alte Herr hatte diese Kleinigkeiten eben gelassen, /114/ weil er einen Totalumbau des ganzen Saales beabsichtigte, und dann wären die Wände ja doch von Neuem wieder mit Kalk beworfen und übermalt worden.

      Dies Alles beschloß „das Fräulein" abändern zu lassen, und zwar nicht allein des Saales und des dadurch verlorenen Raumes wegen, - lieber Gott, sie brauchte mit ihrer alten Magd sehr wenig Platz, und hätte den recht gut entbehren können, ohne sich auch nur im Mindesten einzuschränken, - aber es war schon ein häßliches, ich möchte fast sagen, unheimliches Gefühl, wenn sie in ihrem Zimmer, das dicht daran stieß, saß und sich nur durch die schwere eichene Thür von dem wüsten Bauplatz mit seinen entweihten und geschändeten Bildern und dunkeln Ecken und Schutthaufen getrennt wußte. Und Abends hätte sie manchmal darauf schwören wollen - wenn sie das überhaupt je gethan -, daß sie Schritte und Geflüster in dem Saal gehört habe. Dorothea war leider halb taub und konnte nicht gut zum Zeugen aufgerufen werden; aber selbst die Köchin, ein junges leichtfertiges Ding zwar, und sonst gerade in keiner großen Achtung bei ihrer Herrin, wurde, als man sie später danach fragte, ganz verlegen und versicherte dem Fräulein, sie wolle es nur gestehen, sie hätte etwas ganz Aehnliches in dem alten Saale auch schon gehört, und sie möchte ihm nicht, mit seinen verunstalteten und mißhandelten Heiligenbildern, Abends nach Dunkelwerden zu nahe kommen - nicht um alles Geld in Yorkshire.

      Arbeiter mußten deshalb her, um den Theil des Saales, der ihrer Zimmerthür zunächst lag, aufzuräumen und eine Mauer quer durch die obere Abtheilung zu führen. Hierdurch wurde nicht allein die weite Räumlichkeit gebrochen, sondern auch noch eine prächtige und luftige Speisekammer gewonnen, die nur noch einer Decke bedurfte, um benutzt werden zu können und das Wohnzimmer des Fräuleins von ihrer früheren unheimlichen Nachbarschaft vollkommen abzuschneiden.

      Diese Decke, die aus etwa zehn Fuß von der Erde eingemauerten Balken bestand, und nur einzig und allein noch mit Planken übernagelt zu werden brauchte, hatte ein unten /115/ im Ort wohnender Zimmermann, ein Irländer, zu vollenden übernommen, und mit einigem Fleiß würde er auch im Stande gewesen sein, in nur wenig Tagen seinen Accord zu erfüllen. Patrick O'Flannagan hatte aber, obgleich sonst eine seelensgute Haut, einen einzigen Fehler, der aber manche seiner guten Eigenschaften wieder nicht allein verdunkelte, sondern total in den Schatten drängte. - Er trank nämlich, und wenn ich sage trinken, so meine ich nicht etwa unschuldiges Quellwasser, sondern ächten irischen Whisky, schon aus Nationalgefühl, und von diesem solche Quantitäten, daß man es recht gut trinken nennen konnte.

      Die Beendigung der Speisekammer verzögerte sich deshalb von Tag zu Tag, und obgleich das Fräulein Patrick O'Flannagan immer drängte sie zu beendigen, oder ihr wenigstens einen Tag zu sagen, an dem er sie fest und bestimmt beendigt haben würde, - denn wenn Patrick erst einmal sein Wort gegeben hatte, konnte man Häuser darauf bauen, wie viel mehr denn Speisekammern - wich Patrick dem doch immer so geschickt aus, wie es wirklich nur ein Irländer unter solchen Umständen im Stande ist. Er versprach allerdings, sie „in den nächsten Tagen" fertig zu machen, hing aber so viele Wenn und Aber und Bedingungen von „mit des Herrn Gnade das Leben behalten" und „gesund bleiben" etc. an, daß man schon von vornherein wissen konnte, der liebe Gott würde gar nicht im Stande sein, all' die Bedingungen, die Patrick stellte, zu erfüllen, und der Erfolg lehrte auch, daß es gewöhnlich so herauskam.

      Nun muß ich den Leser aber vorher noch mit Patrick's Privatverhältnissen etwas näher, und sei es nur durch wenige Worte, bekannt machen.

      Patrick O'Flannagan wohnte am äußersten Ende des kleinen Ortes, wohl zweihundert Schritt von den letzten Häusern entfernt, auf einem kleinen Stück „Bog" oder Sumpf, das er sich zum Andenken an seine traute „Smaragden-Insel", wie ja das alte grüne Irland von seinen poetischen Söhnen genannt wird, ganz besonders ausgesucht und von dem früheren Eigenthümer des Grundstücks, der viel auf ihn hielt, noch kurz vor dessen Tode erb- und eigenthümlich bekommen /116/ hatte. Dort hauste er ganz allein mit seiner alten Mutter und einem jüngeren Bruder, und mied nicht allein die übrigen Dorfbewohner, sondern wurde auch von ihnen gemieden, denn Patrick gehörte zu jener Partei der irischen Nation, die sich dem Protestantismus zugewandt und die wunderliche Idee gefaßt hatte, daß sie auch ohne die Gebete ihrer bisherigen Patres einen Eingang in den Himmel finden könnten.

      Es thut mir aber leid, hier gleich bemerken zu müssen, daß sich Patrick in der That eben so wenig um den Protestantismus bekümmerte, wie er sich früher um den Katholicismus bekümmert hatte. - Alles, woran ihm hier auf Erden gelegen schien, war, seinen eigenen Leichnam, so viel das nur irgend in seinen Kräften stand, zu pflegen und sich so lange als möglich „im Leben zu erhalten". Da er nun, wie er häufig äußerte, „mit sehr wenig Arbeit auskommen konnte", hütete er sich wohl, seine Kräfte übermäßig anzustrengen, und waren Kartoffeln und Whisky genug im Haus, dann hätte ich den Christenmenschen


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