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Hell und Dunkel. Eine Gemsjagd in Tyrol.. Gerstäcker FriedrichЧитать онлайн книгу.

Hell und Dunkel. Eine Gemsjagd in Tyrol. - Gerstäcker Friedrich


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Hausgenossen und müssen gute Nachbarschaft halten. Und nun, Kinder, werft Euch in Euren Staat, denn die Frau Muhmen werden im Handumdrehen da sein, um den neu eingetroffenen Vetter in Beschlag zu nehmen."

      „Die Frau Muhmen?" rief Franz erschreckt.

      „Nun, die Commerzienräthin Brummer und die Steuerräthin Fischbach. - Ich will Dir nur wünschen, daß Du die Beiden erst glücklich überstanden hast. Die Frau Commerzienräthin wird wohl gleich damit anfangen, Dir ihre Subscriptionsliste auf den neuen Missionsverein vorzulegen - eine Actiengesellschaft mit Anwartschaft auf den Himmel, zahlbar mit Actien zu zwei und ein halb und fünf Thaler, /24/ um schwarze oder chinesische oder birmanesische Seelen zu retten."

      „Gott steh uns bei!" rief Franz erschreckt; „dort mache ich keine Visite."

      „Das hast Du auch nicht nöthig," lachte der Onkel, „die kommt zu Dir und bringt Dir eine permanente Einladung zu ihren Kaffeegesellschaften mit. Also, lieber Herr Doctor, morgen Abend sieben Uhr - pünktlich."

      „Ich weiß wahrlich nicht, womit ich diese Güte verdient habe."

      „Ein halber Verwandter sind Sie nun doch geworden," sagte Franz, „und als Hausgenosse gehören Sie nach havanesischen Gesetzen ohnedies zur Familie. Sie wollen jetzt Ihr Quartier aufsuchen?"

      „Meine neuen Wirthsleute werden mich wahrscheinlich schon längst erwarten," lächelte der junge Mann, „wenn auch freilich nicht mit einem so lieben Willkommen. Also auf Wiedersehen, und nehmen Sie nochmals meinen herzlichsten Dank dafür, daß Sie dem Fremden, der auf so wunderliche Art bei Ihnen eingeführt wurde, den Irrthum nicht haben entgelten lassen. Ich werde Ihnen Ihre Gründlichkeit nie vergessen." Die Männer schüttelten sich die Hand, der falsche Vetter neigte sich ehrfurchtsvoll gegen die Damen, die ihn immer noch mit einem schüchternen Erröthen entließen, und der Regierungsrath führte dann den Neffen in das für ihn bestimmte Zimmer, damit er es sich dort erst bequem mache, während er dem Onkel in kurzen Umrissen erstlich von seiner Reise und dann von seinen jetzigen Plänen und Verhältnissen erzählen mußte.

      IV.

      Des Regierungsraths Warnung war indeß keineswegs übertrieben gewesen, und der junge Havanese kaum im Stand, die an dem Tage auf ihn einstürmenden Besuche abzuwehren. /25/

      Wie ein Lauffeuer hatte sich das Gerücht seiner Rückkehr unter all' seinen früheren Bekannten verbreitet, und besonders schien der weibliche Theil derselben ganz über alle Maßen neugierig, den Mann zu sehen, der sich jetzt neun volle Jahre bei den „Cigarren-Indianern" herumgetrieben hatte. Einige derselben kamen auch wirklich in der felsenfesten Ueberzeugung, einen dunkelbraunen, über und über tätowirten, halbwilden Menschen zu finden, und sahen sich grausam enttäuscht, als sich der Havanese auch in gar nichts von den übrigen europäischen jungen Leuten seines Alters unterschied, als vielleicht in der um einen Schatten dunkleren Hautfarbe seines Gesichts. Von Tätowirung war keine Spur an ihm zu sehen. Franz Kettenbrock fühlte sich aber in diesem Treiben nicht behaglich und parirte auf das Geschickteste drei verschiedene Einladungen zu drei verschiedenen Kaffeegesellschaften - hatte er ja doch auch in den ersten Tagen die Ausrede, sich ganz seinem Onkel widmen zu wollen.

      Auf den nächsten Tag fiel aber der Ball, und da seine Cousinen außerordentlich beschäftigt waren, die nöthigen Anordnungen dazu zu treffen, ja der Regierungsrath selber alle Hände voll zu thun hatte, und dabei so viel kochen und braten ließ, daß er mit seinem Neffen im Wirthshause essen mußte, so ging dieser für den Nachmittag allen weiteren Begegnungen am besten dadurch aus dem Wege, daß er aus dem Thor dem nächsten Dorfe zuwanderte, um dort den Nachmittag Kaffee zu trinken, und dann noch ein paar Stunden die benachbarte freundliche und heimische Gegend zu durchstreifen. Hochauf athmete er, als er, vom lichten warmen Sonnenschein beglänzt, die lieben Hügel und Thäler, den blitzenden. Strom wieder erschaute, und an der nächsten Höhe angekommen, warf er sich in's Gras und blickte mit leuchtenden Augen auf das wunderliebliche Schauspiel, das sich vor ihm ausbreitete.

      Wie hatte er sich auf diesen Augenblick gefreut! wie oft sich in Gedanken schon die bunten Matten, die dunkeln Wälder ausgemalt, die jetzt in Wirklichkeit wieder vor ihm lagen! Jedes Dorf kannte er auch noch beim Namen, und wußte wie er dort und da gespielt, an Sonn- und Feiertagen /26/ mit den Spielkameraden in die Berge gegangen, und leider auch an dem und jenem Ort die Obstbäume sorgloser Nachbarn geplündert hatte. Oh welch' eine liebe Zeit war das gewesen, und auch wieder, welch' trübe schwere Jahre lagen dazwischen! Sein Vater war erst gestorben, dann seine Mutter, und wie ihm die Heimath mehr und mehr verödete, wenn auch der Onkel den Knaben wie sein eigen Kind erzog, wachte die Sehnsucht in ihm auf nach jenem fernen, geheimnißvollen Land: Amerika. Zum Kaufmann von Jugend auf erzogen, trat er dort mit seinem achtzehnten Jahre selbstständig in ein Geschäft und vermehrte, mündig geworden, durch glückliche Speculationen sein Vermögen bald sehr bedeutend. Aber die Heimath konnte ihm das schöne fremde Land doch nicht ersehen; hierher trieb es ihn mit unwiderstehlicher Kraft zurück, und wenn er auch gerade nicht die Absicht hatte, sein Leben in Deutschland zu beschließen, wollte er doch sein Vaterland wenigstens noch einmal wiedersehen - die Gräber seiner Eltern besuchen. Dies hatte er auch schon mit Tagesanbruch gethan, sich an dem theuren Platz recht herzlich ausgeweint, und war dadurch recht weich, recht wehmüthig gestimmt worden.

      Um so greller und unangenehmer berührte ihn dafür dies Drängen und Treiben der gesellschaftlichen Welt, die ihn aus den Armen seiner Familie heraus mit aller Gewalt in ihre Kreise ziehen wollte. Wie schal und nichtig kam ihm das Alles vor, und wie hatte er sich besonders über die Frau Steuerräthin geärgert, die seinethalben heute ein kleines Diner unter ganz intimen Freundinnen nur einfach zu dem Zweck arrangirt hatte, den „Havanesen" noch warm vom Schiffe fort an ihrem Tische zu sehen und sich seine Abenteuer aus erster Hand erzählen zu lassen. Vom Grabe der Eltern in die langweilige Gesellschaft - sein ganzes Herz empörte sich gegen den Gedanken, und wie er sich der Einladung selber geschickt zu entziehen gewußt hatte, so hätte er auch lieber dem Onkel den ganzen Ball heute noch ausgeredet, wenn es nur nicht zu spät dazu gewesen wäre.

      Unter solchen Gefühlen schweifte sein Auge jetzt über die freundliche, sonnenbeschienene Landschaft hin, als seine Auf/27/merksamkeit auf seine unmittelbare Nähe, und zwar durch einen eigenen Zwischenfall geleitet wurde.

      Etwa fünfzehn Schritt unterhalb von da, wo er auf dem Rasen lag, lief ein schmaler Fußpfad nach dem nächsten Dorf vorbei, und eine alte Frau, mit einem anscheinend schweren Korb auf dem Rücken, war dort in die Kniee gesunken und konnte, ohne Hülfe, nicht wieder auf. Dicht hinter ihr her kam ein ältlicher, breitschultriger Herr, anständig angezogen und eine Brille tragend, denselben Pfad. Die alte Frau hatte die Schritte gehört, und den Kopf nach ihm umwendend, sagte sie:

      „Ach, liebes Herrchen, wären Sie wohl so gütig mir ein kleines Bischen heben zu helfen? Ich bin ausgerutscht und kann nicht wieder in die Höh' kommen; der Korb ist gar zu schwer."

      Der breitschultrige Herr war bei ihr stehen geblieben, aber - er hatte lichte Glacehandschuhe über die dicken Finger gezogen und mochte sich die wahrscheinlich nicht schmutzig machen.

      „Ladet nicht mehr auf, wie Ihr tragen könnt," brummte er deshalb finster vor sich hin, rückte sich die Brille, bog eben genug aus, die Frau nicht zu berühren, und - ging vorbei.

      „Ach Du mein liebes Herrgottchen," klagte die arme Frau, „was giebt's doch für hartherzige Menschen in der Welt!" Sie brauchte jedoch nicht mehr zu sagen, denn Franz, über das Betragen des Burschen auf's Aeußerste entrüstet, war schon unten bei ihr, half ihr mit ihrem Korb wieder in die Höh' und sagte freundlich:

      „Seid nicht böse, Mütterchen, unser Herrgott hat allerlei Kostgänger, und gute und böse, arme und reiche Menschen gemacht; von solchen, wie der da vorn, giebt's aber, dem Himmel sei Dank, nicht viel. - Doch Ihr tragt schwer, habt Ihr noch weit damit zu gehen?"

      „Nein, mein gutes Herrchen - nur bis zu den nächsten Häusern drüben. Sonst hab' ich schon mehr getragen - wenn man aber erst einmal die Fünfundsechzig hinter sich hat, da wollen die Beine doch nicht mehr so recht fort. /28/ Aber, wie Gott will, und wenn's Zeit ist, wird er mich schon rufen."

      „Adieu, Alte," sagte Franz und drückte ihr dabei etwas in die Hand.

      „Oh


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