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Das Paradies der Damen: mehrbuch-Weltliteratur. Emile ZolaЧитать онлайн книгу.

Das Paradies der Damen: mehrbuch-Weltliteratur - Emile Zola


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seine ganze Existenz riskierte, weil das gesamte Kapital sozusagen auf eine Karte gesetzt war. Doch er fragte gar nicht nach Geld, er besaß ein geradezu fanatisches Zutrauen zu seiner Kundschaft. Sein Ehrgeiz strebte viel höher. Er schlug dem Baron eine Zusammenarbeit vor: die Immobilienbank sollte den Riesenpalast stellen, von dem er träumte, während er für sein Teil seinen Unternehmungsgeist und die bereits vorhandene geschäftliche Grundlage dazugeben wollte.

      »Was gedenken Sie denn anzufangen mit Ihren Grundstücken und Ihren Häusern?« fragte er in eindringlichem Ton. »Sie haben doch zweifellos einen Plan? Aber ich bin sicher, daß er nicht so viel wert ist wie der meine. Überlegen Sie doch nur! Wir errichten auf den Grundstücken ein Kaufhaus, wir legen die alten Bauten nieder oder lassen sie stehen, je nachdem, wie es für uns günstiger ist, und eröffnen das riesigste Warenhaus von Paris, einen Basar, der Millionen einbringen soll! – Ach, wenn ich es doch ohne Sie fertigbrächte! Aber Sie haben jetzt die ganze Sache in Händen. Wir müssen uns einigen, es wäre Selbstmord, wenn wir es nicht täten.«

      »Wie stürmisch Sie sind, lieber Herr Mouret!« sagte der Baron lediglich. »Welch eine Phantasie!«

      Er schüttelte den Kopf und lächelte, noch immer unentschieden, ob er Vertrauen für Vertrauen geben sollte. Der Plan der Immobilienbank bestand darin, in der Rue du Dix-Décembre ein Konkurrenzunternehmen zum Grand-Hotel zu errichten, einen Prachtbau, der in seiner zentralen Lage alle Fremden anziehen mußte. Da übrigens das Hotel nur die Randgrundstücke einnehmen sollte, hätte der Baron den Gedanken Mourets trotzdem aufgreifen und wegen der übrigen Häuser, die immerhin noch eine weite Fläche ausmachten, mit ihm verhandeln können. Allein er hatte sich bereits mit zwei anderen Freunden Henriettes eingelassen und war es nun müde, fortwährend den gefälligen Beschützer zu spielen. Überdies war er trotz seines eigenen Tätigkeitsdrangs von dem kaufmännischen Unternehmungsgeist Mourets mehr verblüfft als verlockt. War dieses Riesenkaufhaus nicht ein phantastisches, unkluges Projekt? Lief man nicht dem sicheren Bankrott in die Arme, wenn man den Modewarenhandel so über alle Grenzen hinaus ausdehnen wollte?

      »Der Gedanke ist verführerisch«, sagte er, »allein er entspringt einem poetischen Gemüt. Wo wollen Sie die Kundschaft hernehmen, um einen solchen Riesenbau zu füllen?«

      Mouret betrachtete ihn einen Augenblick stillschweigend, wie betroffen von seiner Ablehnung. War es möglich? Ein Mann von so ausgeprägtem Geschäftssinn, ein Mann, der das Geld in den verborgensten Tiefen witterte! Mit einer beredten Geste wies er nach den Damen im anstoßenden Salon und rief aus:

      »Die Kundschaft? Da ist sie!«

      Baron Hartmann betrachtete, Mourets Handbewegung folgend, durch die weit offenstehende Tür die Damen und lauschte mit einem Ohr ihren Gesprächen, während der junge Mann in dem Verlangen, ihn doch noch zu überzeugen, immer beredter wurde. Ein richtig geleitetes Geschäft stehe und falle mit einem fortgesetzten raschen Umschlag des Kapitals, das so häufig wie möglich im Jahr in Waren umgesetzt werden müsse.

      »Das ist das ganze Geheimnis, Herr Baron. Es ist sehr einfach, aber man muß darauf kommen. Wir brauchen gar kein riesiges Kapital; unsere einzige Aufgabe ist die: so rasch wie möglich die eingekauften Waren wieder abzustoßen, um sie durch andere zu ersetzen, wodurch sich das Kapital stets von neuem verzinst. Auf diese Weise können wir uns mit einem bescheidenen Gewinn begnügen. Da unsere allgemeinen Unkosten die enorme Summe von sechzehn Prozent ausmachen und wir auf die Artikel nicht mehr als zwanzig Prozent aufschlagen, haben wir nur vier Prozent Gewinn; und doch muß das Millionen einbringen, wenn nur der Warenbestand fortwährend erneuert wird ... Sie begreifen jetzt, nicht wahr? Die Sache ist doch klar.«

      Der Baron schüttelte noch immer den Kopf; er, der in der Finanzwelt als kühner Geschäftsmann bekannt war, blieb in dieser Sache zweifelnd und eigensinnig.

      »Ich verstehe schon«, sagte er. »Sie verkaufen billig, um viel zu verkaufen, und Sie verkaufen viel, um billig zu verkaufen ... Aber verkaufen müssen Sie, und ich komme auf meine erste Frage zurück: wem werden Sie verkaufen? Wie wollen Sie einen so riesigen Umsatz aufrechterhalten?«

      Mouret setzte zu einer Erklärung an, doch ein plötzliches Stimmengewirr aus dem Salon unterbrach ihn. Die Damen waren in eine lebhafte Auseinandersetzung geraten: abermals ging es um Spitzen, ihre Qualität und ihre Preise. Endlich wurden sie wieder leiser, die Stimmen gingen allmählich in ein Geflüster über.

      »Glauben Sie mir«, sagte Mouret, als er wieder zu Wort kam, »man kann alles verkaufen, was man will, wenn man nur zu verkaufen versteht! Das ist eben unsere Kunst.«

      Mit seinem südlichen Temperament setzte er dem Baron das Wesen des modernen Verkaufs auseinander. Da war vor allem die überwältigende Macht, die von einem riesigen, an einem Punkt konzentrierten Warenangebot ausging; niemals durfte es an etwas fehlen, jeder gewünschte Artikel mußte stets zur Stelle sein, die Kundin wurde von Tisch zu Tisch gezogen, kaufte hier einen Stoff, dort die Zutaten und wieder an einem ändern Tisch einen Mantel, sie kleidete sich ein, stieß abermals auf etwas Unvorhergesehenes und gab dem Wunsch nach allerlei überflüssigen, aber hübschen Dingen nach. Dann pries er die Einrichtung, die Waren für jedermann ersichtlich auszuzeichnen. Heutzutage spiele sich der Konkurrenzkampf sozusagen unter den Augen des Publikums ab, ein Spaziergang vor den Auslagen könne das künftige Preisniveau bestimmen. Man begnüge sich mit einem geringen Gewinn, Betrügereien gebe es nicht mehr; die Zeiten seien vorbei, da man sich an einem Artikel bereichert habe, indem man ihn um das Doppelte seines Werts verkaufte. Flotter Umsatz, ein angemessener Verdienst an allen Waren, geschickt veranstaltete Sonderverkäufe: darin lag das Geheimnis des Erfolgs. War das keine verblüffende Neuerung? Sie hatte den ganzen Markt auf den Kopf gestellt, ganz Paris umgewandelt und entsprach doch der Natur der Frau.

      »Ich habe die Frau in meiner Gewalt – um den Rest brauche ich mich nicht zu kümmern!« sagte er in einem offenen Geständnis. Dieser Ausruf schien Baron Hartmann wankend zu machen. Sein Lächeln war nicht mehr spöttisch; er betrachtete den jungen Mann, der ihn durch seine Zuversicht allmählich gewann.

      »Still!« sagte er leise in väterlichem Ton, »man könnte Sie hören.«

      Doch die Damen sprachen jetzt alle auf einmal und waren dermaßen hingerissen von ihrem Thema, daß sie nicht einmal einander mehr zuhörten.

      Flüsternd, als wollte er ihm eines jener Geständnisse machen, wie sie unter Männern zuweilen vorkommen, führte Mouret seine Erklärungen zu Ende. Alles lief auf die Ausbeutung der Frauen hinaus. Die Warenhäuser machten sich die Frauen durch ihre gegenseitige Konkurrenz streitig, verwirrten sie durch ihre Auslagen, lockten sie in die Falle ihrer Gelegenheitskäufe. Sie weckten neue Wünsche in den Frauen, sie bildeten eine ungeheure Versuchung, der jede zum Opfer fiel, ob sie auch anfangs als gute Hausfrau nur billig einzukaufen gedachte: sie wurde unfehlbar durch ihre Koketterie fortgerissen und zum Schluß betört. Wenn in diesen Warenhäusern die Frau als die Königin dastand, angebetet und umschmeichelt in ihren Schwächen, umgeben von aller Zuvorkommenheit, so herrschte sie doch nur als eine Königin der Liebe, deren Untertanen mit ihr ein Spiel treiben und die jede ihrer Launen mit einem Tropfen ihres Blutes bezahlt. Und unter Mourets liebenswürdigem Wesen verbarg sich die Mißachtung des Mannes der Frau gegenüber, die die Dummheit begangen hat, sich ihm hinzugeben.

      »Wer die Frauen in der Hand hat«, sagte er leise, mit einem überlegenen Lächeln zu Baron Hartmann, »der kann die ganze Welt verkaufen.«

      Jetzt begriff der Baron. Er zwinkerte verständnisinnig mit den Augen und betrachtete Mouret allmählich mit Bewunderung. Unbewußt gebrauchte er denselben Ausdruck wie Bourdoncle, ein Wort, das seine langjährige Erfahrung ihm eingab:

      »Sie werden sich an Ihnen rächen.«

      Doch Mouret zuckte in vernichtender Mißachtung die Achseln. Alle gehörten sie ja ihm, meinte er, und er lieferte sich keiner aus. Wenn er sein Vermögen und sein Vergnügen aus ihnen herausgeholt hatte, würde er sie sämtlich abschütteln und denen überlassen, die dann noch auf ihre Rechnung kommen könnten.

      »Wie ist es, verehrter Baron«, fragte er zum Schluß, »wollen Sie mit mir gehen? Erscheint Ihnen das Grundstücksgeschäft so durchführbar?«

      Obgleich halb besiegt, wollte sich der Baron noch


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