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Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Philosophie der Geschichte - Georg Wilhelm Friedrich Hegel


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des Menschen in ihrer konkreten Gestaltung aufgefasst wird und zu seinem organischen Leben Gehirn, Herz und dergleichen als wesentlich gehörig angegeben werden, so kann etwa eine traurige Missgeburt vorgezeigt werden, welche eine menschliche Gestalt im allgemeinen oder Teile derselben in sich hat, auch in einem menschlichen Leibe erzeugt worden, darin gelebt und aus ihm geboren geatmet habe, in der sich aber kein Gehirn und kein Herz befinde. Gebraucht man eine solche Instanz gegen die allgemeine Beschaffenheit des Menschen, bei dessen Namen und dessen oberflächlicher Bestimmung man etwa stehen bleibt, so zeigt sich, dass ein wirklicher, konkreter Mensch freilich etwas anderes ist: Ein solcher muss Gehirn im Kopfe und Herz in der Brust haben.

       Auf ähnliche Weise wird verfahren, wenn richtig gesagt wird, dass Genie, Talent, moralische Tugenden und Empfindungen, Frömmigkeit unter allen Zonen, Verfassungen und politischen Zuständen stattfinden können, wovon es an beliebiger Menge von Beispielen nicht fehlen kann. Wenn mit solcher Äußerung der Unterschied in denselben als unwichtig oder als unwesentlich verworfen werden soll, so bleibt die Reflexion bei abstrakten Kategorien stehen und tut auf den bestimmten Inhalt Verzicht, für welchen in solchen Kategorien allerdings kein Prinzip vorhanden ist. Der Standpunkt der Bildung, der sich in solchen formellen Gesichtspunkten bewegt, gewährt ein unermessliches Feld für scharfsinnige Fragen, gelehrte Ansichten und auffallende Vergleichungen, tiefscheinende Reflexionen und Deklamationen, die umso glänzender werden können, je mehr ihnen das Unbestimmte zu Gebote steht, und umso mehr immer erneuert und abgeändert werden können, je weniger in ihren Bemühungen große Resultate zu gewinnen sind und es zu etwas Festem und Vernünftigem kommen kann. In diesem Sinne können die bekannten indischen Epopöen mit den homerischen verglichen und etwa, weil die Größe der Phantasie das sei, wodurch sich das dichterische Genie beweist, über sie gestellt werden, wie man sich durch die Ähnlichkeit einzelner phantastischer Züge der Attribute der Göttergestalten für berechtigt gehalten hat, Figuren der griechischen Mythologie in indischen zu erkennen. In ähnlichem Sinne ist chinesische Philosophie, insofern sie das Eine zugrunde legt, für dasselbe ausgegeben worden, was später als eleatische Philosophie und als spinozistisches System erschienen sei; weil sie sich auch in abstrakten Zahlen und Linien ausdrückt, hat man Pythagoräisches und Christliches in ihr gesehen. Beispiele von Tapferkeit, ausharrendem Mute, Züge des Edelmuts, der Selbstverleugnung und Selbstaufopferung, die sich unter den wildesten wie unter den schwachmütigsten Nationen finden, werden für hinreichend angesehen, um dafür zu halten, dass in denselben ebenso sehr und leicht auch mehr Sittlichkeit und Moralität sich finde als in den gebildetsten christlichen Staaten usf. Man hat in dieser Rücksicht die Frage des Zweifels aufgeworfen, ob die Menschen im Fortschreiten der Geschichte und der Bildung aller Art besser geworden seien, ob ihre Moralität zugenommen habe, indem diese nur auf der subjektiven Absicht und Einsicht beruhe, auf dem, was der Handelnde für Recht oder für Verbrechen, für gut und böse ansehe, nicht auf einem solchen, das an und für sich oder in einer besonderen, für wahrhaft geltenden Religion für recht und gut oder für Verbrechen und böse angesehen werde.

       Wir können hier überhoben sein, den Formalismus und Irrtum solcher Betrachtungsweise zu beleuchten und die wahrhaften Grundsätze der Moralität oder vielmehr der Sittlichkeit gegen die falsche Moralität festzusetzen. Denn die Weltgeschichte bewegt sich auf einem höheren Boden, als der ist, auf dem die Moralität ihre eigentliche Stätte hat, welche die Privatgesinnung, das Gewissen der Individuen, ihr eigentümlicher Wille und ihre Handlungsweise ist; diese haben ihren Wert, Imputation, Lohn oder Bestrafung für sich. Was der an und für sich seiende Endzweck des Geistes fordert und vollbringt, was die Vorsehung tut, liegt über den Verpflichtungen und der Imputationsfähigkeit und Zumutung, welche auf die Individualität in Rücksicht ihrer Sittlichkeit fällt. Die, welche demjenigen, was der Fortschritt der Idee des Geistes notwendig macht, in sittlicher Bestimmung und damit edler Gesinnung widerstanden haben, stehen in moralischem Werte höher als diejenigen, deren Verbrechen in einer höheren Ordnung zu Mitteln verkehrt worden sind, den Willen dieser Ordnung ins Werk zu setzen. Aber bei Umwälzungen dieser Art stehen überhaupt beide Parteien nur innerhalb desselben Kreises des Verderbens, und es ist damit nur ein formelles, vom lebendigen Geist und von Gott verlassenes Recht, was die sich für berechtigt haltenden Auftretenden verteidigen. Die Taten der großen Menschen, welche Individuen der Weltgeschichte sind, erscheinen so nicht nur in ihrer inneren bewusstlosen Bedeutung gerechtfertigt, sondern auch auf dem weltlichen Standpunkte. Aber von diesem aus müssen gegen welthistorische Taten und deren Vollbringen sich nicht moralische Ansprüche erheben, denen sie nicht angehören. Die Litanei von Privattugenden der Bescheidenheit, Demut, Menschenliebe und Mildtätigkeit muss nicht gegen sie erhoben werden. Die Weltgeschichte könnte überhaupt dem Kreise, worein Moralität und der so oft schon besprochene Unterschied zwischen Moral und Politik fällt, ganz sich entheben, nicht nur so, dass sie sich der Urteile enthielte, – ihre Prinzipien aber und die notwendige Beziehung der Handlungen auf dieselben sind schon für sich selbst das Urteil, – sondern indem sie die Individuen ganz aus dem Spiele und unerwähnt ließe, denn was sie zu berichten hat, sind die Taten des Geistes der Völker; die individuellen Gestaltungen, welche derselbe auf dem äußerlichen Boden der Wirklichkeit angezogen, könnten der eigentlichen Geschichtsschreibung überlassen bleiben.

       Derselbe Formalismus treibt sich mit den Unbestimmheiten von Genie, Poesie, auch Philosophie herum und findet diese auf gleiche Weise allenthalben. Es sind dieses Produkte der denkenden Reflexion, und in solchen Allgemeinheiten, welche wesentliche Unterschiede herausheben und bezeichnen, sich mit Fertigkeit bewegen, ohne in die wahre Tiefe des Inhalts hinabzusteigen, ist Bildung überhaupt; sie ist etwas Formelles, insofern sie nur darauf geht, den Inhalt, sei er welcher er wolle, in Bestandteile zu zergliedern und dieselben in ihren Denkbestimmungen und Denkgestaltungen zu fassen; es ist nicht freie Allgemeinheit, welche für sich zum Gegenstand des Bewusstseins zu machen erforderlich ist. Solches Bewusstsein über das Denken selbst und seine von einem Stoffe isolierten Formen ist die Philosophie, die freilich die Bedingung ihrer Existenz in der Bildung hat; diese aber ist das, den vorhandenen Inhalt mit der Form der Allgemeinheit zugleich zu bekleiden, so dass ihr Besitz beides ungetrennt enthält, und so sehr ungetrennt, dass sie solchen Inhalt, der durch die Analyse einer Vorstellung in eine Menge von Vorstellungen zu einem unberechenbaren Reichtum erweitert wird, für bloß empirischen Inhalt nimmt, an dem das Denken keinen Teil habe. Es ist aber ebenso wohl Tat des Denkens, und zwar des Verstandes, einen Gegenstand, der in sich ein konkreter, reicher Inhalt ist, zu einer einfachen Vorstellung (wie Erde, Mensch, oder Alexander und Cäsar) zu machen und mit einem Worte zu bezeichnen, als dieselbe aufzulösen, die darin enthaltenen Bestimmungen ebenso in der Vorstellung zu isolieren und ihnen besondere Namen zu geben. In Beziehung aber auf die Ansicht, von der die Veranlassung zu dem eben Gesagten ausging, wird so viel erhellen, dass, sowie die Reflexion die Allgemeinheiten von Genie, Talent, Kunst, Wissenschaft hervorbringt, die formelle Bildung auf jeder Stufe der geistigen Gestaltungen nicht nur gedeihen und zu einer hohen Blüte gelangen kann, sondern auch muss, indem solche Stufe sich zu einem Staate ausbildet und in dieser Grundlage der Zivilisation zu der Verstandesreflexion und wie zu Gesetzen so für alles zu Formen der Allgemeinheit fortgeht. Im Staatsleben als solchem liegt die Notwendigkeit der formellen Bildung und damit der Entstehung der Wissenschaften sowie einer gebildeten Poesie und Kunst überhaupt. Die unter dem Namen der bildenden Künste begriffenen Künste erfordern ohnehin schon von der technischen Seite das zivilisierte Zusammenleben der Menschen. Die Dichtkunst, die die äußerlichen Bedürfnisse und Mittel weniger nötig hat und das Element unmittelbaren Daseins, die Stimme, zu ihrem Material hat, tritt in hoher Kühnheit und mit gebildetem Ausdruck schon in Zuständen eines nicht zu einem rechtlichen Leben vereinten Volkes hervor, da, wie früher bemerkt worden, die Sprache für sich jenseits der Zivilisation eine hohe Verstandesbildung erreicht.

       Auch die Philosophie muss in dem Staatsleben zum Vorschein kommen, indem das, wodurch ein Inhalt Sache der Bildung wird, wie soeben angeführt wurde, die dem Denken ungehörige Form ist und der Philosophie, welche nur das Bewusstsein dieser Form selbst, das Denken des Denkens ist, hiermit das eigentümliche Material für ihr Gebäude schon in der allgemeinen Bildung zubereitet wird. Wenn in der Entwicklung des Staates selbst Perioden eintreten müssen, durch welche der Geist edlerer Naturen zur Flucht aus der Gegenwart in die idealen Regionen getrieben wird, um in denselben die Versöhnung mit sich zu finden, welche er in der entzweiten Wirklichkeit nicht mehr genießen kann, indem der reflektierende Verstand alles Heilige und Tiefe, das auf unbefangene Weise in


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