Alfred Lichtwark: Eine Sommerfahrt auf der Yacht "HAMBURG". Alfred LichtwarkЧитать онлайн книгу.
Beginn Sommerfahrt auf der Yacht „HAMBURG“ in Altona
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Vom Bahnhof in Altona sollte es mit dem Frühzug nach Kiel gehen, wo die „HAMBURG“ bereit lag. Als ich am frühen Morgen von der Uhlenhorst über Eimsbüttel nach Altona fuhr, kam es mir vor, als sähe ich eine unbekannte Stadt.
(Altona gehört erst seit 1937 zu Hamburg, vorher gehörte es zum preußischen Schleswig-Holstein, früher zu Dänemark)
Rot = Alt-Hamburg – violett = Altona
Straßen, die ich seit Jahren nicht betreten, hatten ein verändertes Gesicht, ich musste mich besinnen, wo ich wäre. Nie hatte ich so lebhaft empfunden, dass in unseren Tagen Altona eine ganz neue Stadt geworden ist. Wir Hamburger pflegen uns wenig um die Nachbarin zu kümmern. Häufig genug kreuzen wir freilich die Straßen und Plätze, die zwischen uns und den Gärten an der Elbe liegen. Aber es kommt kaum vor, dass wir Altonas wegen nach Altona fahren. Es würde sich lohnen, denn die stille Stadt hat im letzten Jahrzehnt eine der größten Umwälzungen durchgemacht, die im Leben einer Stadt vorkommen können: sie hat ihren Mittelpunkt verschoben.
Früher konnte man aus dem Stadtplan von Altona ohne Mühe seine Geschichte ablesen. Zwei uralte Landstraßen, das ließ sich auf einen Blick erkennen, hatten lange bestanden, ehe die Stadt war. Eine wenig entwickelte, die süd-nördlich vom Elbstrand ins Land führte, eine stark benutzte von Osten nach Westen verlaufend, die Fortsetzung der Hauptstraße Hamburgs (Steinstraße, Burstah, Steinweg), die sicher als alte Handelsstraße sehr viel älter war als sogar Hamburg. Wo sich in Altona die beiden Straßenzüge kreuzen, wurde der Markt mit dem Rathaus angelegt. Dass er auf gegebener Grundlage ruht und nicht, wie bei den Stadtgründungen des 12. und 13. Jahrhunderts nach Willkür abgesteckt wurde, beweist seine Gestalt. Sie ist nicht regelmäßig rechteckig wie in Lübeck, Wismar, Dresden und Breslau (um nur einige charakteristische Beispiele zu nennen), sondern dreieckig. An dem einen Schenkel bewegt sich der kleine Verkehr, am anderen (der Königstraße) der große, die stille Seite füllt, wie sich’s gehört, das Rathaus, ein sehr reizvolles Gebäude, das mit starkem Gefühl für das Angemessene dem Platz angepasst da liegt. Es gibt in dem ganzen Städtekomplex Hamburg-Altona vielleicht nur ein Gebäude, das sich so glücklich seiner Hauptzufahrt vorlegt, das ist die Petrikirche als Abschluss der Bergstraße, wie man sie vom Jungfernstieg sieht. Dies war der alte Stadtkern. Ihm hatte sich, seit dem Ende des achtzehnten Jahrhunderts neubebaut der Mittelpunkt des vornehmen Lebens, die Palmaille zugesellt, ohne irgendwie auf ihn bezogen zu sein. Sie war, wie der Name sagt, ein Sportplatz, angelegt für eine Art Schlagball.
Wer heute den Stadtplan von Altona studiert, findet ihn gründlich verändert, obwohl das Alte stehen geblieben ist. Das heutige Rathaus liegt an einem riesenhaften Schmuckplatz außerhalb der alten Stadt und gegenüber dem Bahnhof — wenn auch in erheblicher Entfernung. Da nun Ottensen eingemeindet worden, liegt das neue Rathaus, das aus Sempers altem Bahnhofsgebäude umgebaut ist, doch wieder im Mittelpunkt der neuen Stadt. Staat und Stadt und opfermütige Bürger haben einander in die Hände gearbeitet, um dieses mächtige neue Stadtbild zu schaffen, wo die Verlegung des Bahnhofs den Raum gewährte, den andere Städte günstigsten Falles durch Niederlegung der Festungswälle gewinnen. Der Begriff Altona hat einen neuen Inhalt bekommen. Nach der Eingemeindung der schönen Ortschaften am hohen Elbufer ist eine der herrlichsten Städte Deutschlands entstanden. Tatsächlich ist freilich nichts verändert, nur dass der große Komplex ohne inneren Zusammenhang ein Bewusstsein erhalten hat. Es glimmt freilich erst eben, es hat den Körper noch nicht bis in jede Fiber durchströmt, dazu braucht es ein Menschenalter. Aber es äußert sich schon in neuen Taten, deren Altona früher nicht fähig gewesen wäre. Schmuckplätze werden angelegt, Parks an der Elbe gehen in den Besitz der Stadt über und werden öffentliche Anlagen, aus Stiftungen werden Monumentalbrunnen errichtet, und am neuen Zentrum der Stadt erhebt sich zwischen Bahnhof und Rathaus als ein Ausdruck des neuen Lebensgefühls und Selbstbewusstseins das Museum der Stadt. Seine Bedeutung kann im Augenblick kaum überschätzt werden. Es würde schwer sein, eine Stadt zu nennen, für die ihr Museum so sehr Notwendigkeit ist.
Mit seinen hundertfünfzig tausend Einwohnern entbehrt Altona jedes aktiven geistigen Zentrums. Es hat Militär- und Verwaltungsbehörden aller Art, aber es hat nicht, wie Kiel, die Universität und die Marineakademie. Die Nachbarschaft Hamburgs — das selber nicht überreich gesegnet ist — hat bisher dazu beigetragen, selbständige Regungen am Aufkommen oder an der Entwicklung zu hindern. Vor der Umwälzung, die durch die Verlegung des Bahnhofs ermöglicht wurde, hatte es ein kleines Museum, das außerhalb der Stadt so gut wie unbekannt war und auch von der Einwohnerschaft wenig besucht wurde. Als es hieß, die Stadt baue einen großen Museumspalast, durfte man sich fragen, was kann sie hineinstellen? Wir haben doch überall in Deutschland Museumspaläste genug, deren Inhalt sich zur Behausung wie die Maus zum Berge verhält. Ausgefallene Schätze an seltenen Naturalien, an kunstgewerblichen Altertümern und Gemälden besitzt das Museum auch heute nicht, und doch ist es eins der anziehendsten und reichsten modernen Museen geworden. Seine Kraft liegt in der Beschränkung, es hat nicht gewollt, was unerreichbar war, und hat sich dafür ein besonderes Ziel gesetzt und erreicht. Es ist als Lehranstalt ausgebildet, und sein Stoff ist die Heimat. Wer die Räume betritt, lernt durch die Anschauung die Tierwelt der Heimat in bunten und anziehenden Lebensbildern und in großen Zügen die kulturelle Entwicklung des Menschenlebens der Scholle kennen, und als Sondergebiet ist dabei ein höchst lehrreiches Fischereimuseum entwickelt. Aus der Armut konnte auf diesem Wege ein Reichtum werden, der nicht nur Altona zugutekommt, sondern auch für Hamburg nicht gleichgültig ist. Tausende strömen im Lauf des Jahres auch von uns aus hin und finden in dem Heimatmuseum Altonas eine willkommene Ergänzung unserer Sammlungen, die sich naturgemäß nicht dieselben Ziele aufstellen konnten. Wie der Platz vor dem Rathaus für Altona das räumliche Zentrum bedeutet, so ist jetzt das Museum sein geistiges. Unendliche Anregungen gehen allein von dem Schaumuseum aus, Vorträge aller Art und die Organisation des künstlerischen Lebens sind weitere Aufgaben, die die Museumsleitung sich gestellt hat. Es lässt sich voraus sehen, dass dieses Museum in Altona ein neues Geschlecht heranbilden wird, das sein Lebensverständnis und seine Lebensfreude dem Museum dankt, das bereit sein wird, die Anstalt nach Kräften zu fördern und auszubauen. Die nächste Generation, deren Augen vom Museum erzogen sind, wird auch in Altona Kunstwerke im Besitz der Stadt genieße wollen und wird die Mittel für ihre Erwerbung aufbringen. Wir werden von Hamburg aus mit freundnachbarlicher Teilnahme verfolgen, was in Altona geschieht, um der Barbarei der heutigen Menschheit, die nur noch gut leben will, zu steuern. Alles Gute, was dort geschieht, kommt mittelbar oder unmittelbar auch uns zugute, sei es auch nur als Beispiel und Anregung. Wie es gekommen ist, dass Altona so große Schritte vorwärts getan hat, wissen wir in Hamburg recht gut. Einige wenige Männer waren es, wir kennen ihre Namen, die das Geschick der Stadt mit tiefer Einsicht und kräftiger Hand in neue Bahnen gelenkt haben.
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Das Schiff
Das Schiff http://www.lexikus.de/bibliothek/Eine-Sommerfahrt-auf-der-Yacht-Hamburg/Die-Yacht?ref=vor
An der Landungstreppe vorm Kieler Bahnhof erwarteten uns ein Boot und eine Dampfbarkasse, das Boot für Gepäck, die Barkasse für uns. Die Barkasse schoss wie ein lebendiges Wesen über die Fläche und warf breite Massen Schaum auf die Seiten. Auf ein kurzes Gewitter, das die Wellen ausgelöscht hatte, war eine unbegreifliche Windstille gefolgt. Wie auf dem ruhigen Spiegel der Alster sahen wir die „HAMBURG“ in der Ferne vor der Seebadeanstalt liegen, zierlich, fast niedlich. Sollte sie wirklich Platz für mehr als dreißig Menschen enthalten?
Auf der Fahrt wurde die Barkasse besehen. Wir saßen hinten auf bequemen Bänken, die rund um den ausgesparten Raum liefen. Zehn Menschen