Der Sturm auf die Mühle. Emile ZolaЧитать онлайн книгу.
beständig lächelte, so that sie dies doch nur den andern zu Gefallen; denn im Grunde war sie ernst.
Natürlich machte ihr die ganze Umgegend den Hof, mehr noch wegen ihres Geldes als wegen ihrer Anmut. Schließlich aber hatte sie selbst eine Wahl getroffen, über welche allgemeine Entrüstung herrschte. Jenseits der Morelle nämlich lebte ein schmucker Bursche Namens Dominique Penquer. Er stammte nicht aus Rocreuse, sondern war vor zehn Jahren aus Belgien gekommen, um hier einen Oheim zu beerben, welcher dicht am Rande des Waldes von Gagny gerade gegenüber der Mühle ein kleines Gut besaß. Er komme nur, meinte er, um dieses Gut zu verkaufen und dann wieder in seine Heimat zurückzukehren. Indeß die Gegend schien ihm außerordentlich zu gefallen, denn er dachte gar nicht wieder ans Fortgehen. Man sah ihn sein Stückchen Land bebauen und einige Hülsenfrüchte ernten, von denen er lebte. Seine Lieblingsbeschäftigungen waren Fischerei und Jagd, und mehrere Male hätten ihn beinahe die Flurwächter ergriffen und verklagt. » Dieses freie Leben, bei dem sich die Bauern die Hilfsquellen nicht erklären konnten, hatte ihn schließlich in ein übles Renommee gebracht, sodaß man ihn ganz unverhohlen für einen Wilddieb erklärte. Eins allerdings ließ sich nicht leugnen, seine Faulheit; denn oft fand man ihn behaglich im Grünen schlummern zu Stunden, wo er hätte arbeiten sollen. Das Häuschen, welches er am Waldrande bewohnte, machte auch nicht den Eindruck, als könne es einen ehrenwerten Burschen beherbergen. Er hätte gleich mit den Wölfen der Ruinen von Gagny handeln können, ohne daß die alten Weiber davon überrascht gewesen wären. Dennoch wagten die jungen Mädchen zu weilen, ihn in Schutz zu nehmen, denn dieser unheimliche Gast war ein prächtiger Bursche, schlank und groß wie eine Pappel; seine Haut war weiß und zart, sein Bart und sein blondes Haar schimmerten im Sonnenschein wie reines Gold. Eines schönen Morgens hatte nun Françoise dem Vater Merlier gegenüber rundweg erklärt: sie liebe Dominique und werde nie einen andern Burschen heiraten als ihn.
Man kann sich wohl denken, welch ein harter Schlag dies für Vater Merlier war. Seiner Gewohnheit gemäß: sagte er kein Wort, sein Gesicht zeigte denselben nachdenklichen Zug wie ehedem, nur leuchtete jene innere Heiterkeit nicht mehr aus seinen Augen. Eine ganze Woche lang schmollten beide mit einander, und auch Françoise war völlig ernst geworden Was den Vater Merlier am meisten beunruhigte, war der Gedanke, daß jener unheimliche Wildschütz seine Tochter möglicherweise behext haben könne. Noch nie hatte sich Dominique in der Mühle sehen lassen. Deshalb beobachtete ihn jetzt der Müller und bemerkte ihn eines schönen Tages, wie er jenseits der Morelle im Grase lag und sich stellte als ob er schliefe. Françoise konnte ihn von ihrem Zimmer aus sehen. Nun war die Sache klar: die beiden mußten einander liebgewonnen haben, indem sie sich über das Mühlenrad hinweg zärtliche Blicke zuwarfen. Unterdessen verstrichen weitere acht Tage, und Françoise wurde mit jedem Tage ernster. Vater Merlier sagte noch immer nichts, bis er eines Abends selbst Dominique mitbrachte. Françoise eben mit dem Decken des Tisches beschäftigt, schien darüber gar nicht er staunt zu sein und begnügte sich damit, ein Kouvert mehr aufzutragen; nur die Grübchen in ihren Wangen waren von diesem Augenblick an wieder sichtbar und das alte Lächeln spielte wieder um ihre Lippen. Am Morgen dieses Tages hatte Vater Merlier Dominique in seinem Häuschen am Waldrand einen Besuch abgestattet, und hier war zwischen beiden Männern drei Stunden lang bei verschlossenen Thüren unterhandelt worden. Was sie einander gesagt haben, hat nie ein Mensch erfahren. Nur soviel ist gewiß, daß Vater Merlier beim Hinausgehen, Dominique bereits wie seinen eigenen Sohn behandelte. Ohne Zweifel hatte der Greis in diesem Faullenzer, welcher sich ins Gras legte, um sich bei den Mädchen beliebt zu machen, einen Burschen gefunden wie er ihn suchte.
Ganz Rocreuse war in Aufregung, und die Klatschbasen vor den Thüren sprachen ganz unverblümt von der Thorheit des Vater Merlier, welcher solch einen Taugenichts in sein Haus einführte. Er aber ließ sie reden. Vielleicht hatte er sich dabei an seine eigene Heirat erinnert. Auch er besaß keinen Heller, als er Madeleine mit ihrer Mühle heiratete, und war dennoch glücklich mit ihr gewesen. Übrigens bereitete Dominique diesen Klatschereien bald ein Ende, indem er sich plötzlich so thätig zeigte, daß alle Welt über ihn erstaunte. Eben jetzt war der Mühlbursche zur Fahne getreten, und Dominique wollte durchaus nicht, daß ein andrer in Dienst genommen werde. Er trug die Getreidesäcke, fuhr den Müllerwagen, ärgerte sich mit dem alten Mühlenrad herum, so oft dieses sich, so zu sagen, bitten ließ, wenn es sich einmal umdrehen sollte; und dies alles that er mit solchem Eifer, daß man ihm mit Vergnügen zusah. Vater Merlier, stolz darauf, diesen Burschen gewählt zu haben, zeigte wieder seine verstohlene Heiterkeit. Was für Mut doch die Liebe den jungen Leuten einflößt!
Bei allem diesem Geschäftstreiben empfanden Françoise und Dominique eine glühende Verehrung für einander, und obwohl sie nicht von ihrer Liebe miteinander sprechen, konnte man dieselbe doch aus ihren verliebten Blicken und dem glücklichen Lächeln lesen. Bis jetzt hatte Vater Merlier noch kein Wort von der Heirat erwähnt und die beiden, den Entschluß des Greises geduldig erwartend, beobachteten dieses Schweigen mit tiefer Achtung. Endlich, gegen Mitte Juli, hatte er eines Tages drei Tische im Hofe unter der großen Ulme aufstellen lassen und lud seine Freunde in Rocrense ein, bei ihm zu Abend zu speisen. Als der Hof sich gefüllt hatte und jedermann sein Glas in der Hand hielt, erhob Vater Merlier das seinige mit den Worten:
»Ich will mir hierdurch die Ehre nehmen, Ihnen anzukündigen, daß Françoise am St. Ludwigstage jenen Burschen da heiraten wird.«
Stürmisch klangen die Gläser an einander, und allgemeines Gelächter erscholl. Aber Vater Merlier fügte mit lauter Stimme hinzu:
»Dominique, umarme deine Verlobte! Das gehört sich.«
So küßten und umarmten sich denn die beiden, errötend bei dem Lachen der Umstehenden. Es war ein wirkliches Jubelfest, und man zechte ein ganzes Fäßchen aus. Als schließlich nur noch die vertrautesten Freunde zugegen waren, entspann sich eine ruhige Unterhaltung. Die Nacht war hereingebrochen, eine reine sternenhelle Nacht, und Dominique saß neben Françoise schweigend auf einer Bank. Ein alter Bauer sprach von dem Kriege, welchen der Kaiser den Preußen erklärt hatte. Alle jungen Burschen hatten schon das Dorf verlassen, und noch am Abend vor her waren Truppen durchmarschiert. Alles hatte den Anschein, als werde es zu einem harten Treffen kommen.
»Bah!« sagte Vater Merlier mit dem Egoismus eines glücklichen Menschen; »Dominique ist Ausländer, da braucht er nichts zu fürchten . . . Und wenn die Preußen kämen so würde er hier sein, und sein Weib verteidigen.«
Der Gedanke, daß die Preußen kommen könnten, schien ein guter Witz zu sein. Man werde ihnen, ging das Gerede, einfach eine tüchtige Tracht Prügel verabreichen, und damit sei die Sache schnell abgethan.
»Ich habe sie schon gesehen, ich habe sie schon gesehen,« wiederholte mit dumpfer Stimme das alte Bäuerlein.
Einige Augenblicke herrschte Schweigen, und dann stieß man nochmals an. Françoise und Dominique hatten von alledem nichts gehört; leise drückten sie einander, ohne daß es jemand sehen konnte, die Hand, und dies erschien ihnen so wohlthuend, daß sie traumbefangen sitzen blieben, ihre Blicke in die Nacht vertiefend.
Welch eine milde prächtige Nacht! Die Häuserreihen des Dorfes lagen in sanftem Schlummer entlang der bleich beschienenen Straße, und nur dann und wann hörte man aus der Ferne das Krähen eines zu früh erwachten Hahnes. Aus den benachbarten Büschen hervor wehte ein leises Lüftchen schmeichelnd über die Dächer. Die Wiesen unter ihrem schattigen Laubdach gewannen ein geheimnisvolles majestätisches Ansehen, während alle die Quellen, alle die im Schatten hervorwallenden Wasseradern der ungestörte frische Lebensodem der schlummernden Landschaft zu sein schienen. Zuweilen schien das alte Mühlenrad während seines Schlummers zu träumen, wie die alten Wachthunde, welche im Schlafe bellen; es knarrte und schien ein Selbstgespräch zu halten, eingewiegt durch die Fluten der Morelle, deren Fall wie eine endlose Orgelmusik ertönte. Wohl nie hat ein sanfterer Frieden in einer glücklicheren Natur geherrscht.
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