TARZAN, DER UNBESIEGBARE. Edgar Rice BurroughsЧитать онлайн книгу.
zu betreten. Diese Dinge interessierten den Affenmenschen allerdings nur wenig. Die Streitereien und ein Krach dieser Leute unter sich gingen ihn nichts an. Er wollte nur herausfinden, warum sie hier waren und was sie in seinem Lande zu suchen hatten. Um das herauszubekommen, hatte er zwei Pläne entworfen. Zunächst wollte er das Lager und seine Bewohner beobachten, bis sich aus ihrem Verhalten der Zweck ihres Hierseins erraten ließ. Die andere Möglichkeit bestand darin, den Anführer der Expedition ausfindig zu machen und dann das Lager zu betreten, um von ihm direkt Auskunft zu verlangen. Von dieser zweiten Möglichkeit wollte Tarzan jedoch nur Gebrauch machen, nachdem er sich zunächst durch eigene Beobachtungen einen kleinen Vorteil verschafft hatte. Er wusste nicht, was in jenem Zelt vor sich ging. Er kümmerte sich auch nicht weiter darum.
Mehrere Sekunden lang schaute Zora Drinov aufmerksam zu dem Mann hinauf.
»Du musst der amerikanische Kamerad sein«, stellte sie schließlich fest.
»Ich bin Wayne Colt«, erwiderte er. »Aus der Tatsache, dass du erraten hast, wer ich bin, darf ich wohl entnehmen, dass ich mich im Lager des Kameraden Zveri befinde.«
Sie nickte. »Du bist gerade im richtigen Augenblick aufgetaucht, Kamerad«, sagte sie.
»Dem Himmel sei Dank dafür«, meinte er.
»Es gibt keinen Himmel«, erinnerte sie ihn.
Colt errötete. »Wir werden die Schatten der Herkunft und der Gewohnheit nicht los«, erklärte er.
Zora Drinov lächelte. »Das ist freilich wahr«, sagte sie, »aber es ist unsere Sache, mit einer großen Anzahl solcher Gewohnheiten aufzuräumen. Nicht nur in unserem Interesse, sondern um die Welt zu bessern.«
Seit die Frau zu sich gekommen war, hatte Colt mehrfach abschätzende Blicke über sie hingleiten lassen. Ihm war nicht bekannt gewesen, dass er in Zveris Lager eine weiße Frau antreffen würde. Und selbst wenn er das gewusst hätte, wäre ihm nie in den Sinn gekommen, eine Frau wie diese zu erwarten. Vielleicht hätte er sich vorgestellt, eine halb vermännlichte Agitatorin vorzufinden, der man wohl Zutrauen konnte, sich mit einer wilden Bande von Männern in das Herz Afrikas zu wagen; eine raue und ungepflegte Frau von mittlerem Alter und bäuerlichem Aussehen. Zora Drinov jedoch, die von ihrem herrlichen, welligen Haar bis zu den schmalen Fesseln alles andere darstellte als eine stämmige Bauernmagd, ganz abgesehen davon, dass sie keineswegs ungepflegt wirkte, bot einen Anblick, den man hier nicht erwartet hätte. Sie wirkte sauber und frisch. Außerdem war sie jung und hübsch. »Kamerad Zveri ist zurzeit nicht im Lager?«, fragte Colt.
»Nein, er hat sich auf eine kurze Expeditionsfahrt begeben«, erläuterte Zora.
»Also gibt es hier niemanden, der uns miteinander bekannt machen würde? lächelte der Amerikaner.«
»Oh, Verzeihung«, sagte sie. «Ich bin Zora Drinov.«
»Ich hatte eine so erfreuliche Überraschung keineswegs erwartet«, sagte Colt. »Ich glaubte, hier nur uninteressante Männer wie mich selbst vorzufinden. Wer war übrigens der Kerl, den ich hinausgefeuert habe?«
»Das war Raghunath Jafar, ein Hindu«, meinte die Frau.
»Gehört er etwa zu unserer Gruppe?«, fragte Colt.
»Ja, erwiderte sie. »Aber nicht mehr lange – Peter Zveri wird dafür sorgen, dass er seinen Lohn erhält.«
»Das heißt?«
»Ich will damit sagen, dass Peter ihn töten wird.«
Colt zuckte mit den Schultern. »Das hat er wirklich verdient«, stellte er fest. »Vielleicht hätte ich es gleich selbst tun sollen.«
»Nein«, sagte die Frau, »wir wollen es Peter überlassen. Hat man dich ganz allein ohne Schutz im Lager zurückgelassen?«, wunderte sich Colt.
»Nein, Peter ließ meinen Diener und zehn Askaris hier. Jafar hat es irgendwie fertigbekommen, sie alle aus dem Lager zu entfernen.«
»Von nun an befindest du dich in Sicherheit«, sagte Colt. »Ich werde mich um dich kümmern, bis Kamerad Zveri zurückkehrt. Vielleicht darf ich jetzt zunächst dafür sorgen, dass mein eigenes Lager aufgeschlagen wird. Inzwischen schicke ich zwei meiner Askaris, die vor deinem Zelt Wache halten sollen.«
»Das ist sehr freundlich von dir«, sagte sie. »Ich halte es aber jetzt nicht mehr für notwendig.«
»Ich werde es trotzdem tun«, sagte er. »Auch ich würde mich dann sicherer fühlen.«
»Sobald das Lager aufgeschlagen ist, möchte ich dich zum Essen einladen«, sagte sie. »Oh, ich habe ganz vergessen, dass Jafar meinen Diener fortgeschickt hat, fuhr sie fort. »Nun habe ich niemanden, der für mich kocht.«
»Dann nimmst du vielleicht eine Einladung an, mit mir zu essen«, sagte der Mann. »Mein Diener ist ein ziemlich guter Koch.«
»Mit Vergnügen, Kamerad Colt«, stimmte sie zu.
Der Amerikaner verließ das Zelt. Zora Drinov lag noch eine Weile mit halbgeschlossenen Augen auf dem Feldbett. Wie anders war dieser Mann. Sie hatte einen ganz anderen Typ erwartet. Wenn sie sich sein Gesicht und seinen Augenausdruck vorstellte, fiel es ihr schwer, in ihm einen Verräter zu sehen, der seine Leute und sein Land hinterging.
Colt hatte Zoras Zelt verlassen und ging zu seinen Leuten hinüber, um die notwendigen Anordnungen zu treffen. Raghunath Jafar beobachtete ihn aus dem Inneren seines Zeltes. Ein bösartiges Stirnrunzeln verzerrte die Züge des Hindu. In seinen Augen lag Hass. Von seinem Beobachtungsposten aus sah Tarzan, dass der junge Amerikaner seinen Leuten Anweisungen erteilte. Die Persönlichkeit dieses jungen Fremden machte auf. Tarzan einen günstigen Eindruck. Er gefiel ihm so gut wie ihm ein Fremder nur gefallen konnte. Tief in seinem Inneren fühlte der Affenmensch jedoch noch immer den Argwohn des wilden Tieres gegenüber allen Fremden und vor allem gegenüber fremden Weißen. Während er den Mann beobachtete, entging ihm nichts, was in der Umgebung geschah. Deshalb sah er auch sogleich, wie Raghunath Jafar mit einem Gewehr in der Hand aus seinem Zelt auftauchte. Nur Tarzan und der kleine Nkima bemerkten diesen Vorgang. Und Tarzan erriet sogleich, dass der Inder etwas Böses vorhatte.
Raghunath Jafar verließ auf kürzestem Wege das Lager und verschwand im Dschungel. Leise von Ast zu Ast schwingend verfolgte ihn Tarzan. Jafar schlug einen Halbkreis um das Lager, wobei er sich hinter den Dschungelbüschen verbarg. Schließlich blieb er stehen. Von seinem Platz aus war das ganze Lager gut zu übersehen. Er selbst jedoch war hinter dichtem Blattwerk verborgen.
Colt bewachte die Schwarzen, die sein Gepäck auspackten und das Zelt aufstellten. Seine Leute beeilten sich, die ihnen durch den Vormann zugewiesenen Arbeiten auszuführen. Alle waren müde und sprachen miteinander kaum ein Wort. Die Arbeit ging in ungewöhnlicher Stille vor sich, die man sonst nicht kennt, wenn Neger in größerer Anzahl zusammen sind. Diese seltsame Stille wurde plötzlich von einem erstickten Schrei und dem Knall einer Büchse zerrissen. Die beiden Geräusche folgten einander so rasch, dass man kaum entscheiden konnte, ob der Schrei oder der Knall zuerst hörbar wurde. Eine Kugel zischte an Colts Kopf vorbei und riss einem Neger, der nahe bei ihm stand, ein Stück des Ohrläppchens fort. Die friedliche Tätigkeit im Lager wurde von einem wilden Durcheinander abgelöst. Zunächst wusste man nicht, aus welcher Richtung der Schuss und der Schrei gekommen waren. Colt sah schließlich das kleine Rauchwölkchen des Abschusses, das sich dicht am Rande des Lagers aus den Büschen erhob.
»Dort drüben ist es«, sagte er und lief auf den Punkt zu.
Der Vormann der Askari hielt ihn auf. »Geh nicht dorthin, Bwana«, rief er. »Vielleicht hat sich ein Feind verborgen. Wir wollen unsere Gewehre in den Dschungel abfeuern.«
»Nein«, bestimmte Colt, »wir wollen zuerst nachforschen, mit wem wir es zu tun haben. Du nimmst einige deiner Männer und schlägst einen Bogen nach rechts. Ich komme mit dem Rest der Gruppe von der linken Seite. Wir arbeiten uns langsam von zwei Seiten durch den Dschungel vor, bis wir einander treffen.«
»Jawohl, Bwana«, willigte der Vormann ein. Er rief seine Leute zusammen und erteilte die notwendigen Befehle. Kein Geräusch im Busch verkündete, dass ein verborgener Feind etwa zu fliehen