TANAR VON PELLUCIDAR. Edgar Rice BurroughsЧитать онлайн книгу.
torkelnd, sich an die Reling klammernd, kam Bohar der Blutige an Tanar vorbei, der sich mit einem Arm an eine Stütze klammerte und mit dem anderen Stellara festhielt, die ohne das schnelle Eingreifen des Sariers auf das Deck geschleudert worden wäre.
Das Gesicht von Bohar war eine aschfahle Maske, von der sich die rote Wunde seiner hässlichen Narbe in erschreckendem Kontrast abhob. Er schaute zu Tanar und Stellara, aber er ging an ihnen vorbei und murmelte vor sich hin.
Hinter ihnen war der Cid, der Befehle brüllte, die niemand hören konnte. Bohar machte sich auf den Weg zu ihm. Über dem Sturm hörte Tanar den Blutigen, der seinen Anführer anschrie.
»Rettet mich! Rettet mich!«, schrie er. »Die Boote – lasst die Boote runter! Das Schiff ist verloren.«
Es war selbst für einen Landbewohner offensichtlich, dass kein kleines Boot in einer solchen See bestehen konnte, selbst wenn eines hätte herabgelassen werden können. Der Cid beachtete seinen Leutnant nicht, sondern blieb, wo er war, und brüllte Befehle.
Eine mächtige Welle erhob sich plötzlich über den Bug; hing dort für einen Augenblick und brach dann auf das untere Deck – Tonnen von erdrückender, erbarmungsloser, gefühlloser See – donnerte auf die zusammengekauerten, schreienden Seeleute. Nichts als der hohe Bug und das hohe Achterschiff ragten aus den wütenden Wellen heraus – einen kurzen Moment lang ächzte das große Schiff und zitterte, kämpfte um sein Leben.
»Es ist das Ende!«, schrie Stellara.
Bohar schrie wie eine dumme Bestie im Angesicht des Todes. Der Cid kniete auf dem Deck, das Gesicht in seinen Armen vergraben. Tanar stand da und sah zu, fasziniert von der furchterregenden Macht der Elemente. Er sah, wie der Mensch wegen einer Windböe zu mickriger Bedeutungslosigkeit schrumpfte, und sein Gesicht verzog sich zu einem langsamen Lächeln.
Die Welle zog sich zurück und das Schiff taumelte ächzend nach oben. Das Lächeln verließ Tanars Lippen, als seine Augen auf das Unterdeck blickten. Es war jetzt fast leer. Ein paar durchnässte Gestalten lagen zusammengekauert in den Speigatten; ein Dutzend Männer, die sich hier und da festklammerten, gaben ein Lebenszeichen von sich. Die anderen, alle außer denen, die sich unter Deck in Sicherheit gebracht hatten, waren verschwunden.
Das Mädchen klammerte sich fest an den Mann. »Ich hätte nicht gedacht, dass wir das überleben würden«, sagte sie.
»Ich auch nicht«, sagte Tanar.
»Aber du hattest keine Angst«, sagte sie. »Du scheinst der Einzige zu sein, der keine Angst hatte.«
»Was hat Bohars Schreien genützt?«, fragte er. »Hat es ihn gerettet?«
»Du hattest also Angst, aber du hast sie versteckt?«
Er zuckte mit den Schultern. »Vielleicht«, sagte er. »Ich weiß nicht, was du mit Angst meinst. Ich wollte nicht sterben, wenn du darauf hinaus willst.«
»Da kommt noch eine!«, rief Stellara schaudernd und drückte sich näher an ihn.
Tanars Arm schlang sich um die schlanke Gestalt des Mädchens. Es war eine unbewusste Geste des Beschützerinstinkts des Mannes.
»Hab keine Angst«, sagte er.
»Ich habe keine – jetzt nicht mehr«, antwortete sie.
In dem Augenblick, als die mächtige Welle das Schiff verschlang, schlug der wütende Orkan plötzlich mit neuer Wut zu – und die Masten, deren Segel schon auf ein Minimum gerefft waren, gerade noch genug, um den Bug des Schiffes gegen den Sturm zu halten, zerbarsten wie trockene Knochen und krachten in einem Gewirr von Tauwerk auf Deck. Die Gallionsfigur des Schiffes brach weg und das Schiff wirbelte im Sog des großen Meeres umher – ein hoffnungsloses Wrack.
Über das Heulen des Windes erhob sich Bohars Geschrei. »Die Boote! Die Boote!«, wiederholte er wie ein dressierter Papagei, der vor Angst verrückt geworden ist.
Als wäre er für den Moment gesättigt und von seinen eigenen Anstrengungen erschöpft, legte sich der Sturm, der Wind erstarb, aber das aufgepeitschte Wasser stieg und fiel, und zog das große Schiff mit sich. Am Fusse jedes wässrigen Tals schien es, als würde es von der graugrünen Klippe verschlungen werden, die über ihm zusammenstürzte, die unausweichliche Zerstörung mit sich bringend.
Bohar, immer noch schreiend, kletterte auf das Unterdeck. Er fand Männer im Freien, die wie durch ein Wunder noch lebten, und andere, die unter Deck in Angst und Schrecken erstarrt waren. Durch Flüche und Schläge und mit seiner geladenen Pistole drohend, brachte er die vor Angst zitternde Meute, ein Boot bereit zu machen.
Es waren zwanzig von ihnen, und ihre Götter oder Teufel müssen mit ihnen treu gewesen sein, denn sie ließen ein Boot hinunter und entkamen dem taumelnden Wrack sicher und ohne einen Mann zu verlieren.
Der Cid hatte Bohars Vorhaben beobachtet, und versuchte, die scheinbar selbstmörderische Tat zu verhindern, indem er ihm vom Oberdeck her Befehle zubrüllte, aber sie hatten keine Wirkung, worauf der Cid auf das Unterdeck hinabstieg, um seinen Befehlen Nachdruck zu verleihen, aber er war zu spät gekommen.
Nun stand er da und starrte ungläubig auf das kleine Boot, das in scheinbarer Sicherheit über das weite Meer schipperte, während das zerstörte Schiff, das unter den abgeknickten Masten langsam auseinanderbrach, dem Untergang geweiht schien.
Aus allen Ecken und Verstecken, kam der Rest der Schiffsbesatzung gekrochen, und als sie Bohars Boot und die scheinbare Sicherheit der Besatzung sahen, riefen sie nach einer Flucht mit den anderen Booten. Nachdem sich der Gedanke in ihren Köpfen festgesetzt hatte, brach eine wahnsinnige Panik aus, und die Halbstarken begannen um Plätze in den verbleibenden Booten zu kämpfen.
»Komm!«, rief Stellara. »Wir müssen uns beeilen, sonst fahren sie ohne uns.« Sie begann, sich in Richtung Niedergang zu bewegen, aber Tanar hielt sie zurück.
»Sieh sie dir an«, sagte er. »Wir sind sicherer, wenn wir uns dem Meer und dem Sturm ausliefern.«
Stellara wich vom Niedergang zurück. Sie sah Männer, die sich gegenseitig abstachen – die Hinteren murksten die Vorderen ab. Männer zerrten andere aus den Booten und töteten sie an Deck oder wurden selbst getötet. Sie sah, wie der Cid einem Matrosen in den Rücken schoss und dessen Platz im ersten Boot einnahm, das herabgelassen wurde. Sie sah Männer, die von der Reling sprangen, in dem verrückten Versuch, dieses Boot zu erreichen, und dabei ins Meer stürzten oder hineingeworfen wurden, wenn es ihnen gelang, das schaukelnde Boot zu entern.
Sie sah, wie die anderen Boote herabgelassen wurden und die Männer zwischen ihnen und der Bordwand zerquetscht wurden – sie sah, in welche Verzweiflung die Angeber und Grobiane vor lauter Angst getrieben wurden, als die verbleibenden Matrosen, die keinen Platz im letzten Boot ergattern konnten, absichtlich ins Meer sprangen und ertranken.
Tanar und Stellara standen auf dem hohen Vorschiff des sinkenden Wracks und beobachteten die verzweifelten Bemühungen der Ruderer in den überfüllten kleinen Booten. Sie sahen, wie ein Boot ein anderes rammte und beide untergingen. Sie sahen, wie die ertrinkenden Männer ums Überleben kämpften. Als der Sturm zurückkehrte, hörten sie ihre heiseren Flüche und ihre Schreie über das Tosen des Meeres und das Heulen des Windes hinweg, als fürchteten sie, so seiner Wut entkommen zu können.
»Wir sind allein«, sagte Stellara. »Sie sind alle weg.«
»Lass sie gehen«, antwortete Tanar. »Ich würde nicht mit ihnen tauschen wollen.«
»Aber es gibt keine Hoffnung für uns«, sagte das Mädchen.
»Ja, für sie gibt es keine mehr«, antwortete der Sarier, »aber wenigstens sind wir nicht in ein kleines Boot voller Halsabschneider gepfercht.«
»Du hast mehr Angst vor den Männern als vor dem Meer«, sagte sie.
»Um deinetwillen, ja«, antwortete er.
»Warum solltest du dich um mich fürchten?«, fragte sie. »Bin ich nicht auch dein Feind?«
Er blickte sie voller Überraschung an. »Das stimmt«, sagte er, »aber irgendwie hatte ich es vergessen