Reisen Band 1. Gerstäcker FriedrichЧитать онлайн книгу.
nächsten Tag wurde die Umgebung noch trauriger und trostloser - eine Wüste war es, die wir durchschnitten, eine Wüste voll Dornen- und Myrtenbüschen und weißen Sandes - kein kühler, schattiger Platz bot Thier oder Menschen Kühlung und Erfrischung. Nicht ein einziges lebendes Thier sahen wir auf der ganzen Station von über zwölf Leguas, als einmal einen Sperling und später einen Aasgeier, und der letzte strich so still und hungrig über die dürren Büsche hin, als ob er den ersteren suche und nie und nimmer finden könne. An dem Abend ward uns jedoch, in Gestalt einer Wassermelone, wenigstens eine Art Belohnung für langes, angestrengtes Reiten und die unberechenbaren Quantitäten Staub, die wir verschluckt. Nicht einmal den Trost eines ordentlichen Trunks Wassers hatten wir gehabt; denn all' das Wasser, das wir fanden, war brakisch oder salzhaltig, und an kleinen Lachen, die wir hier und da trafen, lag der Salpeter ordentlich in weißem Anflug am Boden.
Am nächsten Tag machten wir zwei Stationen, eine von dreizehn und eine von sechzehn Leguas. Sechzehn Leguas, also über zehn deutsche Meilen mit einem Pferd, und zwar in einem fast ununterbrochenen Galopp; mich wundert es nur, daß das Packthier aushielt. Am nächsten Tag sollten wir aber erfahren, daß nicht alle Packthiere solche Riesennaturen haben. Durch eine eben solche Wüste, wie am vorigen Tag, nur daß wir heut am Rand eines Flusses hinritten und uns doch wenigstens an der Aussicht auf Wasser erfreuen konnten, wollten wir eine, ebenfalls wieder zehn Leguas lange Station zurücklegen; das Packpferd aber, dessen schon von früheren Lasten wundgedrückter und mit Blut und Eiter bedeckter Rücken sich unter der neuen Ladung gleich von Anfang an gebogen, konnte diese neue Qual nicht lange ertragen. Weide giebt es hier fast gar keine oder nur höchst spärliche, sowohl für Pferde als Rinder; abgemattet sind die armen Geschöpfe schon ohnedies, selbst wenn sie gar nichts zu arbeiten brauchen. So ist es denn kein Wunder, daß die von dem Thier geforderte Anstrengung seine Kräfte überstieg, und es auf halbem Weg sich nicht etwa weigerte, weiter fort zu galoppiren - denn es that bis zum letzten Augenblick sein Möglichstes -, sondern einfach zusammenbrach. Zwar wurde ihm jetzt die Last abgenommen und auf eins der stärkeren geladen, und es selber sollte nur den Postillon tragen, aber auch das vermochte es nicht mehr, und wir sahen uns endlich genöthigt, es mit diesem selber in einer Gegend, wo es nicht einmal einen Grashalm zu seiner Stärkung pflücken konnte, zurückzulassen. Der arme Postillon hatte ebenfalls keinen Bissen Brod und nichts als seinen dünnen Poncho bei sich, die Nacht im Freien zuzubringen. Der Correo bezeigte aber weder mit ihm noch mit dem Pferd nur das mindeste Mitleiden. Das eine war ja blos ein Pferd, das andere - blos ein Peon, ein Knecht, den der Südamerikaner ebenfalls kaum höher als das Vieh selber achtet.
Am 23. Juli erreichten wir Abends ziemlich spät nach einem für die Thiere wirklich entsetzlich ermüdenden Ritt den kleinen Ort - Pescara ó rodeo Chacon - die letzte Station vor Mendoza, wo wir übernachten mußten, und noch gerade dreiundzwanzig Leguas davon entfernt. Diese Stadt zu sehen, wurde ich aber wirklich immer neugieriger gemacht, da Alles, was ich bis jetzt im Land getroffen, von Mendoza und stets von Mendoza gebracht worden war. Selbst das Brod, obgleich es die Leute an mehreren Orten mit nur geringer Mühe hätten selber bauen können, kam von dort her, und Wein, recht guten wohlschmeckenden und geistvollen Wein bekamen wir von dort zu trinken. Der Weg wurde auch etwas freundlicher, und die Pferde hielten sie in dieser Gegend in besonders dazu eingefenzten Weiden, in denen ein ungemein nahrhaftes Futter wuchs. Wir durften uns also darauf verlassen, wenigstens gut genährte, kräftige Thiere zu bekommen.
Den Abend saßen wir wieder in einem der kleinen „Gastzimmer" - vier leere Wände und eine breite Lehmbank - etwa lang genug, daß zwei Menschen darauf liegen konnten, „einsam bei der Lampe Schein". Mein alter Correo fing schon an, sich für die Nacht einzuwickeln - was ihm jedesmal etwa zehn Minuten Zeit wegnahm - als ich draußen /108/ den Ton einer Guitarre und gleich darauf eine wohltönende Männerstimme hörte, die mich veranlaßte meinen Schlaf noch etwas hinauszuschieben und erst einmal der Melodie ein wenig zu lauschen, ja endlich den Sänger selber aufzusuchen.
Im nächsten kleinen Haus saß eine ziemlich bunte Gesellschaft von Männern und Frauen traulich beisammen, denn in der Nähe des Städtchens hielten sich die Gauchos geschützt genug gegen die Einfälle der Indianer, um selbst die jungen Mädchen bei sich zu behalten. Lag doch auch die weite Wüstenstrecke zwischen hier und dem eigentlichen Terrain der Wilden, die diese schon ihrer Pferde wegen nur in Ausnahmefällen passirten. - Die Frauen hatten aber mit einem Theil der Männer nur einen Kreis zum Zuhören gebildet, und nur Einer, ein junger, kräftiger Bursch mit rabenschwarzem Haar und blitzenden Augen, das Gesicht von einem eigenen wilden Humor belebt, hielt im linken Arm die leichte Guitarre. Während aber die rechte Hand nur leis und flüchtig die etwas monotone Begleitung des argentinischen Liedes anschlug, sang er mit einer wirklich melodischen, glockenreinen Stimme ein wunderlich gestelltes Lied, das eher Recitativ als Lied zu sein schien, und manchmal, selbst die Begleitung des Instruments verschmähend, in reimlose, wilde Weisen ausbrach.
Lautes Lachen bald oder donnernde Bravos unterbrachen ihn, wie der Inhalt des Vorgetragenen die Hörer hinriß, und der junge Mann hatte kaum unter einem Beifallssturm geschlossen, als ein anderer, in einer entfernten Ecke sitzender Bursche aufsprang, ebenfalls eine Guitarre ergriff und dem ersten antwortete. Leider verstand ich nicht genug von der Sprache, um den durch den Gesang auch noch undeutlich gemachten Worten so rasch folgen zu können; das Lied begriff aber, so viel ich davon herausbekommen konnte, die Werbung eines der Ihrigen um ein junges Mädchen, das ihn nicht wollte, und wahrscheinlich waren die Persönlichkeiten sehr gut gekannt und treffend geschildert, denn das Gelächter wollte manchmal kein Ende nehmen.
Sinn für Musik hat der Südamerikaner gewiß. So ärmlich die Hütte auch sein mag, die man durch die Pampas /109/ zerstreut findet, so sehr ihr auch jede, selbst die geringste Be-quemlichkeit mangeln mag, so findet man doch fast in allen eine Guitarre, und es giebt die Art, wie sie sich derselben bedienen, dem wilden, ungeordneten Leben der Gauchos noch etwas besonders Romantisches. Ihr Spiel nämlich - wenigstens was ich davon gehört - ist nicht gerade ausgezeichnet; auf das Spiel wird aber auch nicht so viel gesehen, als auf den es begleitenden Gesang, denn der Gaucho benutzt die Guitarre größtentheils nur dazu, seinen extemporirten Gesang, mit dem er irgend eine That, eine Leidenschaft oder die Geliebte besingt, zu begleiten. Hierauf antwortet nicht selten ein Anderer und sucht das eben vorgetragene Lied zu übertreffen, oder er erwidert auch die Verse und es entsteht dann ein Wettgesang, um den sich die Zuhörer mit der gespanntesten Aufmerksamkeit schaaren. Gar häufig und meistentheils sind diese extemporirten Gesänge trivialer und keineswegs poetischer Natur; manchmal kommt es aber auch vor, daß die jungen Söhne der Steppe mit begeistertem Gefühl in die Saiten greifen, und höchst interessant soll es dann sein, ihren Worten zu lauschen.
Wir brachen an dem Morgen, um Mendoza recht früh zu erreichen, wohl zwei Stunden vor der Tagesdämmerung auf. Es war noch stockfinster, und der Weg ließ sich nur schwach und unbestimmt zwischen den hier ziemlich niederen Büschen erkennen; der Postillon aber, ein Peon aus der Ansiedlung selbst, der doch Weg und Steg hier eigentlich kennen mußte, ritt voran und sollte die Thiere im richtigen Geleise halten. Eine halbe Stunde mochte das so gut gegangen sein, plötzlich aber sah ich, wie wir nach dem Wolkenzug, den ich in Ermangelung einer besseren Beschäftigung bis dahin beobachtet, eine ganz andere Richtung nahmen und nach Norden hinauf hielten. Gleich darauf erklärte der Postillon, er habe die Straße verloren, und als wir diese endlich, rechts einbiegend, wieder fanden, nahm er ohne Weiteres den Rückwechsel an und ritt nach Osten zurück, wo wir hergekommen. Dagegen protestirte ich - aber auf das Feierlichste, denn mich verlangte nach Mendoza und in die Kordilleren, nicht wieder in die kaum verlassene Sandwüste. Die beiden Leute wollten mir /110/ aber erst nicht glauben, daß sie verkehrte Richtung hätten, bis ich abstieg, Feuer machte und ihnen nun mit dem Compaß bewies, wir hielten die Köpfe unserer Pferde gerade wieder gen Osten. Wir wandten um und folgten von da an aufmerksamer der schwachen und kaum erkennbaren Spur, bis die aufsteigende Sonne nicht allein bewies, daß ich Recht gehabt, sondern auch unsern Pfad erhellte.
Die blauen Berge der Kordilleren, wenigstens das, was ich dafür hielt, waren jetzt, da das hohe Buschwerk die Aussicht nicht mehr hemmte, deutlich sichtbar, und darüber, hoch, hoch darüber hing ein wunderlicher, schlangenartiger Wolkenstreifen, wie ich ihn noch nie vorher gesehen. Zuerst gab ich mir Mühe herauszubekommen, was das eigentlich sein könne; die Berge nahmen aber meine Aufmerksamkeit viel zu sehr in Anspruch, mich heute nach den Wolken umzusehen,