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Reisen Band 1. Gerstäcker FriedrichЧитать онлайн книгу.

Reisen Band 1 - Gerstäcker Friedrich


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Stiefelsohlen, damit sie auch an ihren Füßen den Sinnspruch der Devise Federacion ó muerte - Federacion oder Tod (das erste durch roth, das zweite durch schwarz ausgedrückt) tragen. Der Gouverneur und die gutgesinnten Bewohner der Stadt bringen diese Farben auch, soviel das irgend geht, in ihrem Hausstand an, und ich glaube fast, Gouverneur Rosas hat einen gewissen Grad von Politik dabei beachtet, seine Unterthanen solcher Art mit diesen Farben zu beklecksen. Unter einer andern Regierung, die natürlich die Farben wechseln müßte, würden sie sich mit großem Kostenaufwand aller der Artikel entledigen können, die sie tragen, und während sich der Argentiner wohl keinen Augenblick besinnt seine Regierung zu ändern, so überlegt er es sich doch vielleicht zweimal, wenn es ihn zugleich einen neuen Poncho kostet. Freilich hat das zuletzt nicht mehr ausreichen wollen, und die Republikaner der La Platastaaten haben Rosas und Poncho, für jetzt wenigstens, zugleich abgeworfen.

      Was Mendozas Lage betrifft, so kann es für Ackerbau und Weinzucht wohl kaum eine günstigere geben. Gegen die Süd- und Westwinde durch die gewaltigen Cordilleren geschützt, deren weiße Zackenkronen in prachtvoller Majestät dicht hinter ihm emporstarren, und in deren Arm hineingeschmiegt es eigentlich liegt, bietet es seinen Bewohnern an animalischer und vegetabilischer Nahrung Alles, was das Herz nur wünschen kann. Auch die Preise aller Lebensmittel sind außerordentlich billig, da der schwierige Verkehr mit den übrigen Ländern, von denen sie aus der einen Seite /120/ durch die Pampas, auf der andern durch die Cordilleren getrennt werden, die Ausfuhr natürlich sehr vertheuert und erschwert.

      Das Klima ist herrlich - im Sommer soll der Schnee der Berge die Temperatur mildern, und jetzt, wo wir uns mitten im Winter befanden, hatten wir ein Weiter, wie bei uns an einem kühlen Sommertag. Alles gedeiht hier vortrefflich, und außer dem Getreide werden hier besonders Früchte, wie Orangen, Feigen, Trauben usw., in Masse gezogen. Die Trauben sind so süß, daß die Mendoza-Rosinen an der chilenischen Küste einen Namen haben und in großen Ouantitäten über die Cordilleren geschafft werden. Der Wein aber, der aus ihnen gekeltert wird, schmeckt so gut, daß mir der Mund noch jetzt danach wässert. Ich kann ihn nur mit gutem Portwein vergleichen, obgleich er süßer als dieser ist und jung nicht so viel Feuer hat als der Portwein. Einige Jahre alt, glaub' ich aber sicher, daß er sich mit diesem in jeder Hinsicht messen könnte. Die Mendozaner trocknen eine große Menge von Trauben, indem sie dieselben oben in ihren Giebeln aushängen; sie halten sich vortrefflich, sind süß wie Zucker, und fast so saftig, als ob sie eben vom Stock genommen wären.

      Der Wein wird übrigens hier auf eigenthümliche, dem Klima aber natürlich auch entsprechende Weise gebaut, und zwar nicht wie bei uns an Stöcken, die wir nöthig haben, da wir der Traube müssen so viel Sonne zukommen lassen, wie wir ihr möglicher Weise nur gewähren können, sondern in weiten Lauben, so daß die Mendozaweingärten nur lauter überwachsene Gänge bilden, die an heißen Sonmmertagen wahrhaft paradiesische Spaziergänge bieten müssen. Die Trauben hängen dadurch sämmtlich im Schatten, reifen langsam und gewinnen dadurch natürlich nur an Zuckerstoff und Saft. Wir bezahlten für die Gallone (fünf Flaschen) vom besten Wein etwa fünf Silbergroschen nach unserem Geld. Ueberhaupt ist das Leben in Mendoza ungemein billig, und wenn ich mir für einen halben Real (etwa 2'/z Silbergroschen) Früchte: Trauben, Orangen und Feigen holen ließ, so hatte ich zwei bis drei Tage daran zu essen. /121/

      Brod, Fleisch und Gemüse stehen in demselben Verhältniß: die Miethen wie Dienstleute sind ebenfalls spottbillig, die Gegend ist dabei ein Paradies - was will also der Mensch mehr? - Wäre dies nicht ein Platz, ein Asyl für die „Europamüden", die sich irgendwo in der Welt eine stille Heimath gründen wollten? Dem europäischen Treiben wären sie hier allerdings entrückt, denn von der übrigen Welt hörten und sähen sie nichts, oder doch wenigstens so gut als nichts mehr, wie es aber mit dem argentinischen würde, müßten sie freilich riskiren, und welches Unglück hat seitdem diese schöne Stadt betroffen! Das Erdbeben von 1861 machte sie fast der Erde gleich und von 10,000 Einwohnern kamen 7000 in kaum drei Secunden um ihr Leben.

      Die Postverbindung Mendozas mit der Außenwelt besteht einzig und allein, nach dem Atlantischen wie Stillen Ocean hin, in Courieren, die regelmäßig und zu allen Jahreszeiten zwischen Buenos-Ayres und dieser Stadt - nur sehr unregelmäßig aber im Winter nach Valparaiso hinübergehen, da der Schnee der Gebirge den Uebergang nicht allein oft sehr erschwert, sondern sogar Monate lang ganz verhindert.

      Eine Annehmlichkeit Mendozas muß ich aber noch erwähnen, und das sind die warmen Bäder, die sich etwa drei Leguas von der Stadt entfernt befinden. Das Wasser ist selbst im Winter, wo der doch immer thauende Schnee aus den niederen Bergen das Uebrige in eisiger Kälte erstarren machte, etwa 16 Grad, und wird durch Quellen erzeugt, die aus der Erde mitten in der flachen Steppe hervorsprudeln. Dadurch aber haben sie auch ein eigenes, schilfbegrenztes Bett erzeugt, und werden nun von den Bewohnern des benachbarten Städtchens, besonders in Sommerszeit, gar fleißig besucht. Die Bequemlichkeiten dort sind freilich sehr geringer Art und bestehen eigentlich nur in mehreren höchst mittelmäßigen Lehmhütten. Den Horizont umgürten aber dafür im Westen die schnee- und eisbedeckten Cordilleren, und die Bäder selber liegen gar traulich und versteckt in dem darüber wogenden Grün - bedarf es da erst noch eines besondern Luxus und kostbarer, schwer zu erlangender Bequemlichkeiten, den Aufenthalt doch zu einem angenehmen zu machen? Sonst bietet /122/ Mendoza freilich, dem Fremden wie dem Einheimischen keine besonderen Vergnügungsörter, und die Leute sind hier meistens auf ihre eigenen Familien angewiesen. Wer sich darin glücklich fühlt, ist glücklich und bedarf nichts weiter – und wer nicht? – den wird auch die herrlichste Umgebung, das Lust und Freude athmende Leben nicht glücklich machen können.

      Am 9. Juli wohnte ich einem Freiheitsfest der Argentiner, das sie gewöhnlich, wie den 25. Mai, auf das Festlichste begehen, bei. Der Tag wurde übrigens auf höchst unschuldige Art und Weise gefeiert; Morgens war Parade und Abends Illumination. Hier hatte ich dann zum ersten Mal Gelegenheit, das argentinische Militär auf einer Parade und beim Exerzieren versammelt zu sehen, denn in Buenos-Ayres ist es, wie sich der Leser erinnern wird, streng untersagt, sich während dieser Zeit auf der Straße, ja nicht einmal auf den flachen Dächern der Häuser blicken zu lassen. Der Anblick war aber auch wirklich für Einen, der die europäische Disciplin nun einmal gewohnt ist, komisch.

      Die Soldaten, ein kleiner Trupp von höchstens 120 bis 150 Mann, schlenderten nach einer höchst mittelmäßigen Musik um den Hauptplatz der Stadt herum. An der Musik waren ein Dutzend Neger schuld, die ihre Instrumente auf das Gewissenloseste mißhandelten, und die Soldaten marschirten dazu so entsetzlich langsam, daß ich im Anfang glaubte, sie bewegten sich gar nicht weiter, sondern höben nur im Taxt die Füße. Im Allgemeinen waren sie ganz weiß mit rothen Mützen und Aufschlägen gekleidet, und hatten Bajonettgewehre, als sie aber – langsam, o wie langsam – näher kamen, sah ich, daß die Beinkleider keineswegs alle von der Farbe der Unschuld waren, und noch ungenirter gingen sie mit ihren Füßen. Einige hatten Schuhe, andere Stiefel, noch andere Hühneraugen, und diese trugen dann (jedenfalls der größeren Bequemlichkeit wegen) ihre Schuhe oder Stiefel zusammengebunden über dem einen Arm und gingen lieber barfuß. – Den Officieren konnte das natürlich gleichgültig sein. Das Exerciren ging allerdings dem Namen nach in Reih und Glied, doch hatten die Commandirenden genug zu thun, nur einigermaßen Ordnung zu halten, da eine ziemlich lebhafte /123/ und gewiß interessante Conversation zwischen den „Gemeinen" deren Aufmerksamkeit etwas zu sehr in Anspruch nahm.

      Die Illumination am Abend war desto brillanter, und wurde, als es schau dunkel war, erst durch die Straßen einhersprengende Cavalleristen anbefohlen. Die Reiter hielten nämlich an jedem Haus an und schrieen einige dem Fremden gewiß unverständliche Worte hinein, was Illumination bedeutete.

      Wie schon erwähnt, ist die Bauart der Häuser in Mendoza noch ganz altspanisch. Die Gebäude sind gewöhnlich in großen Vierecks aufgeführt - die Fenster alle nach dem gerämnigen und hellen Hof oder den Gärten hinaus, so daß die Straßenfront nur sehr wenig vergitterte Fenster und oft ganz kahle Mauern zeigt. - Die Fenster konnten also auch aus diesem Grund nicht illuminirt werden, und man setzte nun die Lichter - etwa sechs vor jedes Haus - vorn auf das Straßenpflaster, wo sich dann die Jugend damit amüsirte und wohl auch die Illumination selber dadurch regulirte, daß sie hier und da ein mißliebiges oder ihrer Ansicht nach verschwenderisches Licht wegnahm und auf eine mehr protegirte oder weniger beleuchtete Stelle brachte.

      Die


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