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Die Pest zu London. Daniel DefoeЧитать онлайн книгу.

Die Pest zu London - Daniel Defoe


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diesem Kirchhof begraben würden. Wenigstens verstanden sie's so. Es kam auch, wie's der Geist vorhergesagt hatte, und vielleicht sah der Mann Dinge, an die ich niemals geglaubt habe. Ich selbst konnte nichts davon entdecken, so sehr ich mich auch anstrengte.

      Man versuchte wohl das Drucken solcher Bücher, die die Leute nur in Verwirrung setzten, zu verbieten, und jene, die sie in Umlauf brachten, zu bestrafen, aber zu rechten Maßregeln kam es doch nicht, da die Regierung, soviel ich weiß, das Volk nicht weiter aufbringen wollte, das so schon am Ende seiner Vernunft war.

      Auch mit jenen Geistlichen kann ich mich nicht einverstanden erklären, die durch ihre Predigten das Gemüt ihrer Zuhörer noch mehr niederdrückten, statt es zu erheben. Manche taten es zweifellos, um den Mut der Leute zu stärken und sie zur Buße anzuhalten. Aber diesen Zweck erreichten sie doch kaum, jedenfalls nicht verglichen mit dem Schaden, den sie anrichteten.

      Ein Unfug hat immer einen anderen im Gefolge. Diese Furcht und Angst der Leute brachte sie auf tausend törichte, abgeschmackte und schlimme Dinge, wozu sie von den wirklich bösen Elementen noch ermutigt wurden. Sie rannten zu Wahrsagern, Hexenmeistern und Astrologen, um ihr Schicksal zu erfahren oder, wie man gewöhnlich es nennt, um sich ihr Schicksal sagen und sich die Nativität stellen zu lassen und zu ähnlichem Unsinn, und diese Narretei brachte in der Stadt im Augenblick einen Schwarm vorgeblicher Magier hervor, die sich der Schwarzen Kunst und weiß Gott, was sonst noch alles, rühmten und behaupteten, mit dem Teufel besser zu stehen, als es wohl wirklich der Fall war. Dieses Geschäft wurde so offen und allgemein betrieben, daß man an den Türen Anzeigen lesen konnte: Hier wohnt ein Wahrsager; hier wohnt ein Astrologe; hier wird die Nativität ausgerechnet. Der Bronzekopf Bruder Bacons, das gewöhnliche Zeichen solcher Art Leute, war fast überall in jeder Straße zu sehen, oder auch das Zeichen der Mutter Shipton oder der Kopf Merlins und mehr dergleichen.

      Mit was für sinnlosem und lächerlichem Blödsinn diese Teufelsorakel die Leute zu ihrer Befriedigung vollstopften, weiß ich zwar nicht, aber sicher ist, daß jeden Tag zahllose Menschen vor ihren Türen sich herumdrängten, und sobald sich nur einer dieser Burschen in einer Samtjacke und schwarzem Mantel, der gewöhnlichen Kleidung dieser Beschwörer, auf der Straße zeigte, folgten ihm die Leute in Scharen und stellten während des Gehens allerlei Fragen. --

      Die armen Dienstboten hatten eine recht schlechte Zeit, wie ich noch nach und nach berichten werde. Es war vorauszusehen, daß eine ungeheure Anzahl von ihnen entlassen würde, und tatsächlich war es auch so. Eine Menge von ihnen gingen zugrunde, besonders die, denen die falschen Wahrsager Hoffnungen gemacht hatten, daß sie im Dienst bleiben und von ihren Herrschaften aufs Land mitgenommen werden würden. Hätte sich nicht die öffentliche Wohltätigkeit dieser armen Geschöpfe angenommen, wie es sich auch gehört in solchen Fällen, so wären sie von der ganzen Bevölkerung in der allerschlechtesten Lage gewesen. --

      Mit solchen Dingen beschäftigte sich das gewöhnliche Volk monatelang, als die Sorgen erst anfingen und die Pest noch nicht richtig ausgebrochen war, aber ich darf auch nicht vergessen, daß der bessere Teil der Bevölkerung sich ganz anders benahm. Die Regierung ermutigte ihre Andachtsübungen, und bestimmte öffentliche Gebets-, Buß- und Fasttage, an denen die Sünden laut bekannt und die Gnade Gottes angerufen wurde, um sein schreckliches Gericht, das über unseren Köpfen hing, abzuwenden. Man kann kaum beschreiben, mit welcher Bereitwilligkeit die Leute aller Berufe diese Gelegenheit begrüßten, wie sie sich in die Kirchen und zu den Versammlungen drängten, daß man nicht bis zu den Türen der allergrößten Kirchen gelangen konnte. In mehreren Kirchen wurden morgens und abends täglich Bittgebete abgehalten, ebenso wie Gebetstage an anderen Orten, und zu allen diesen Veranstaltungen erschienen die Leute mit ungewöhnlicher Andacht. Auch einzelne Familien, selbst wenn sie nicht desselben Glaubens waren, hielten Fasttage, zu welchen nur die nächsten Verwandten zugelassen waren. Mit einem Wort: alle, die wirklich fromm und glaubenseifrig waren, gaben sich in echt christlicher Weise dem Werk der Reue und Bußfertigkeit hin, wie es einem christlichen Volke geziemte.

      Auch die Öffentlichkeit zeigte, daß sie sich an diesen Dingen beteiligen wolle, ja sogar der Hof, der in aller Lust und Freude lebte, stellte sich, als ob ihn die allgemeine Gefahr wirklich bekümmerte. Schauspiele und Possen, die, nach der Mode am französischen Hofe, eingeführt worden waren und immer beliebter wurden, durften nicht mehr gespielt werden. Die Spiel- und Tanzhäuser wie die Musikhallen, die sich ständig vermehrt hatten und bereits die Sitten des Volkes zu untergraben drohten, mußten geschlossen werden, und die Kasperl- und Marionettentheater, Seiltänzer und was dergleichen Leute mehr sind, die beim gewöhnlichen Volke beliebt sind, machten selbst zu, da niemand mehr etwas von ihnen wissen wollte. Denn die Leute hatten nun an anderes zu denken, Grausen und Sorge malten sich auf den Gesichtern selbst der Rohesten. Alle hatten den Tod vor Augen, und jedem war nun das Grab näher als Lustbarkeit und Unterhaltung.

      Das waren wohl heilsame Betrachtungen, die, wenn man es richtig verstanden hätte, das Volk auf seine Knie gezwungen hätte, um seine Sünden zu bekennen und den barmherzigen Schöpfer um Gnade anzurufen und sein Mitleid in solcher Zeit der Heimsuchung zu erflehen, wie es einst in Ninive geschah. Aber beim niederen Volke schlugen sie nun ins andere Extrem um. Zuvor schon gedankenlos und leichtfertig, griff es nun in seiner Unwissenheit, Torheit und Angst zu den sinnlosesten Mitteln. Es lief, wie schon erwähnt, um die Zukunft zu erfahren, zu Beschwörern, Hexenmeistern und sonstigen Schwindlern, die es in beständiger Furcht und Unruhe erhielten, um Geld aus ihm herauszulocken. Ebenso wild war es hinter Quacksalbern und Marktschreiern her und ließ sich von jedem alten Kräuterweib mit Pillen, Tränken und Schutzmitteln vollstopfen, daß nicht nur das Geld hinausflog, sondern auch statt des Seuchengiftes ein anderes Gift in den Körper hineinkam. So machten die, die sich vor der Pest schützen wollten, sich erst recht für die Ansteckung empfänglich. Anderseits kann man es kaum glauben oder sich vorstellen, wie die Straßenecken und Hauswände über und über mit Anschlagzetteln von Ärzten bedeckt waren, mit Anzeigen von unwissenden, quacksalbernden Burschen, die die Leute einluden, sie aufzusuchen und ihnen Schutzmittel anpriesen. Die Sprache solcher Anpreisungen war echt marktschreierisch. Z. B.: Unfehlbar vorbeugende Pillen gegen die Pest; untrügliche Schutzmittel gegen die Ansteckung; höchst vortreffliche Tränke gegen die Fäulnis der Luft; genaue Anweisung sich im Falle der Ansteckung zu verhalten; Antipestpillen; unvergleichliche noch niemals zusammengestellte Mixtur gegen die Seuche; Universalmittel gegen die Pest; das einzig echte Pestwasser; das königliche Gegenmittel gegen alle Arten der Ansteckung, und noch eine ganze Anzahl mehr, die ich nicht anführen kann, da ich sonst ein eigenes Buch schreiben müßte.

      Andere wieder klebten Anzeigen an, um sich den Leuten für Rat und Hilfe im Falle der Ansteckung zu empfehlen. Auch da gab es Titel, die sich gewaschen hatten, wie die folgenden:

      Hervorragender hochdeutscher Arzt, eben von Holland gekommen, wo er sich während des ganzen Verlaufs der großen Pest aufhielt, letztes Jahr in Amsterdam, hat Haufen von Leuten geheilt, die wahrhaftig an der Pest erkrankt waren.

      Italienerin von Stande, gerade von Neapel angelangt, besitzt ein besonderes Geheimnis, um die Ansteckung zu verhindern, das sie durch ihre tiefe Wissenschaft entdeckte, und womit sie bei der letzten Pest, an der 20 000 in einem Tage starben, wundervolle Kuren vollführte.

      Alte Dame, die mit großem Erfolg während der Londoner Seuche von 1636 ihre Kunst ausübte, gibt Rat nur an Frauen. Sprechstunde usw.

      Erfahrener Arzt, der lange das Studium der Gegenmittel gegen alle Arten von Giften und Ansteckungen betrieb, hat sich nach vierzigjähriger Praxis eine solche Geschicklichkeit erworben, daß er, mit Gottes Hilfe, jedermann vor der Ansteckung irgend welcher Seuche schützen kann. Arme werden umsonst behandelt.

      Ich führe das nur als Beispiele an, von denen ich noch ein paar Dutzend geben könnte, ohne meinen Vorrat zu erschöpfen. Doch mögen diese genügen, um einen Begriff von der Gemütsverfassung dieser Zeit zu geben. Nicht nur, daß ein Haufen von Schwindlern und Geldschneidern den armen betrogenen Leuten das Geld aus der Tasche stahl, wurden sie auch mit gräulichen und gefährlichen Mitteln vergiftet. Einige mit Quecksilber, andere mit ebenso schädlichem Zeug, das weit entfernt war, die versprochenen Wirkungen hervorzubringen und im Falle einer Ansteckung dem Körper eher schadete als nützte.

      Doch von einem Schlich eines dieser Quacksalber muß ich doch noch erzählen, mit dem er die armen


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