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Dog Soldiers. Thomas GASTЧитать онлайн книгу.

Dog Soldiers - Thomas GAST


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Ort an einem ganz gewissen Punkt meines Lebens ihren Sinn verloren, so kommt nun doch, im Alter, die Erinnerung mit aller Macht zurück.

      Alles begann mit einem Traum …!

      Prolog

      Wiser und Walz

      Wiser stieß zufällig auf die Höhle, ein knorriger, vom Ostwind geduckter Baum wies ihm den Weg. Wie er später zu Walz sagte, hatte er die Nacht zuvor von diesem Baum geträumt. Der Baum war uralt. Auf seinen dicken Stämmen war sterbende Rinde zu sehen, die wie alte ledrige Haut an ihm herunterhing. Wiser kannte diese Art Bäume, und er wusste, dass sie hauptsächlich in wärmeren Gefilden zu finden waren, unten in Arizona oder in den Geröllwüsten Mexikos. Aber hier?

      Walz, ein stämmiger Deutscher, dachte wohl ähnlich. Neugierig trat er näher. »Das ist ein Palo Verde!«, sagte er überrascht.

      »Und ich will verdammt sein, wenn ich daraus schlau werde«, erwiderte Wiser. »Übrigens, wusstest du, dass die Apachen in den Dragon Mountains Mehl aus der Rinde des Palo Verde machen?«

      Walz zog nur die Schultern hoch. »Nein, das wusste ich nicht.«

      »Doch, doch. Sie mischen es mit dem Mehl von Eichen und machen Suppe und Brot draus. Schmeckt gar nicht so übel, das Zeug.«

      Walz’ Gesichtsausdruck verhärtete sich. Er konnte Indianer nicht riechen und weiterhin konnte er es sich auch schwer vorstellen, dass Indianer so etwas Wertvolles wie Mehl oder gar Brot herstellten.

      »Ich hatte da ein Mädchen«, rechtfertigte Wiser sich ohne Grund. »Sie war Chiricahua.«

      Ein Geräusch am Fuße des Baumes ließ ihn aufhorchen. Dort sprang ein fettes Karnickel flink auf den Palo Verde zu. Als es ihn sah, immobilisierte es sich eine schier endlose Sekunde lang und hoppelte schließlich auf die Felswand zu, an welche sich der Baum angelehnt hatte. Dann war es plötzlich spurlos verschwunden.

      Wiser war sofort Feuer und Flamme. »Sag, Walz, wann hatten wir zuletzt ein saftiges Karnickel? Vor einem Jahr, vor zehn Jahren?«

      Walz dicht auf den Fersen, kroch er mit gezogenem Revolver in das Geäst, wo sich urplötzlich eine Höhle vor ihren Augen auftat. Als sie dann eine Stunde später den unterirdischen Raum fanden, in dem das Gold lag, war das Karnickel längst vergessen. Wiser tanzte vor Glück. Er fiel auf die Knie und streckte die Arme weit von sich. »Das … das ist Wahnsinn. Sieh doch, Walz, wir sind gemachte Männer!«

      Er schloss seine Augen, träumte von einer besseren Zukunft, was ein Fehler war, ein Irrtum, den er mit dem Leben bezahlen sollte, denn als er die Augen wieder öffnete, starrte er direkt in die Mündung von Walz’ Revolver.

      »Du warst immer schon ein Dummkopf, Wiser, das wollte ich dir seit Jahren schon sagen.«

      Ohne seinem langjährigen Begleiter auch nur den Hauch einer Chance zu geben, drückte er ab. Wisers Tod bedauerte er keine einzige Sekunde. Ein irres Flackern in den Augen, widmete er sich den wie Arterien verzweigten Goldadern, die so dick waren wie sein Daumen und so rein und pur, wie er es selten gesehen hatte.

      Zwei Dinge jedoch übersah Walz in seinem Rausch. Kaum nämlich war das Echo der Detonation verklungen, bewegte sich eine riesige Gestalt auf den Ausgang der Höhle zu und verließ diese lautlos wie ein Schatten, einen Geruch hinterlassend, der an eine scheußliche Pest erinnerte. Und dann übersah Walz, oder er hörte und spürte es nicht, wie die Höhle sich kaum merklich bewegte, aufächzte, so als ob das Gewicht der hunderttausenden von Tonnen des Berges auf ihr sie bald unter sich begraben würde. Ein Riss in der Felswand hinter ihm hätte auch das stärkste Gemüt in Panik versetzt, doch Walz bekam von alldem nichts mit und war zufrieden, war glücklich, denn er hatte den größten Goldfund gemacht, von dem ein Mensch nur träumen konnte. Bald wusste der gesamte Westen Amerikas davon, und Glücksritter aus allen vier Erdteilen suchten nach der Lost Dutchman Mine: Umsonst! Nur eine einzige Person, eine vom eigenen Volk verstoßene Indianerin, kannte das Versteck. Die Indianer nannten sie “Bärenfrau“.

      Frankreich 1859

      Wir lebten damals in Le Havre. Meine Mutter, Julie Fontaine, eine rassige Kreolin aus Hispaniola, starb, als ich sieben war, an Syphilis. Mutters Erbe an mich waren der schlanke Körper, eine fast feminine Sensibilität und Zartheit und die katzenhaften Bewegungen, Dinge also, aus denen ich Jahre später ausreichend Kapital zu schlagen gedachte. Mein Vater, Michael Morlock, war ein Flibustier, ein echter Seeräuber, der zeit seines Lebens zunächst seine Frau und danach sein Kind sträflich vernachlässigt hatte, nur um die Gewässer der Karibik bei Jamaika, Maracaibo und Panama unsicher zu machen. Ich hatte diesen Mann nur dreimal in meinem Leben gesehen und jedes Mal kam er mir vor wie der Satan in Person: Ein Prahlhans und ein Angeber, ständig betrunken und auf der Suche nach Streit mit den Behörden oder nach sonstigem Verdruss! Ich denke, es ist schlimm, so etwas von seinem eigenen Vater zu denken oder gar zu sagen, doch die Tatsachen konnte ich nicht wegleugnen. Eines Tages, nachdem Vater mit seinem Schiff aufgebrochen und wir monatelang ohne Nachricht von ihm waren, erreichte uns die vage Botschaft, dass man ihn im Karibischen Meer an Bord einer Schaluppe wegen Meuterei am Galgen aufgehängt hatte. Doch dies geschah zu einer Zeit, in der ich mich längst von ihm und vom Rest meiner Familie losgesagt hatte, und sein Tod war für mich von daher keine Tragödie. Jemand, den ich vage kannte, war gestorben, mehr war es nicht. Auch heute noch, wenn ich zurückdenke, ist mir der Tod dieses Mannes ziemlich gleichgültig. Meine Mutter, so hatte man mir erzählt, hatte ihn abgöttisch geliebt, während er sie in den letzten Monaten, die sie miteinander verbrachten, behandelte wie ein Stück Dreck, und das obwohl er um ihre Gefühle und um ihren Zustand gewusst haben musste. Sie war schwanger! Er hingegen hatte sich anderen Frauen gewidmet, weil ihr runder, weißer Bauch ihn angeblich abgestoßen hatte. Nach Mamas Tod nahm eine Tante mich unter ihre Fittiche und adieu, Le-Havre, denn Tante Martine wohnte in Paris. Ich wuchs in Paris in einer Epoche auf, die von zwei total unterschiedlichen Gesellschaftsschichten geprägt war. Hier die Reichen, die sich ihre Rechte und ihre Freiheit kaufen konnten und dies auch zur Genüge taten, und dort die armen Leute, für welche die Existenz nichts weiter als ein ständiger tagtäglicher Kampf ums nackte und pure Überleben war. Meine neue nette Familie zählte eindeutig zur zweiten Kategorie, und deswegen war mir Hunger kein Fremdwort. Aus der Notwendigkeit heraus, angestachelt von Tante Martine und ihrem Taugenichts von einem ständig betrunkenen Mann, lernte ich schon früh, Brieftaschen, silberne Uhren, Anstecknadeln und sogar Ringe zu mopsen. Ich war sogar richtig gut darin. Die Sachlage war einfach. Je mehr ich heimbrachte, desto öfter ließen sie mich in Frieden und umso mehr konnte ich mir den Wanst vollschlagen. Kam ich dagegen mit leeren Händen, so musste ich hungern, und ich dachte damals wirklich, die Welt bestünde nur aus langen Hungerstrecken und endlosen Überlebenskämpfen. Bis zu jenem Tag, auf den mein neunzehnter Geburtstag fiel.

      Robbles, ein renommierter Zirkusdirektor, wurde auf mich aufmerksam und nahm mich fortan unter seine Fuchtel. Er hatte ziemlich rasch erkannt, dass das Diebshandwerk bei weitem nicht meine brillanteste Gabe war. Ich hatte das Talent, ein großartiger Artist und Seiltänzer zu werden! Robbles’ Etablissement nannte sich das Théâtre du Merveilleux und es zog die Massen an wie frischer Kot grün schillernde Mistfliegen. Ein treffenderer Vergleich fällt mir nicht ein. Die Menschen kamen herbeigeströmt, weil Robbles ihnen das bot, was sie zu jener Zeit brauchten, ob arm oder reich: Träume und etwas Licht im Schatten des grauen Alltags. Die ganze Truppe war ein Kunterbunt aus Akrobaten, Tänzern, Clowns, Jongleuren und Tierbändigern, aber außerhalb der Zirkuskuppel gab es auch Schießwägen und Schaukeln und natürlich Stände mit allerlei kulinarischen Verköstigungen. Zuckerwatte, kandierte Äpfel, gebrannte Mandeln, gegrillte Makrelen, Orgelmusik und ich erspare mir den ganzen Rest. Die Zeit mit Robbles und seiner Traumfabrik war jedoch nur begrenzt, denn der gute Mann verschwand eines Tages mit den Einnahmen eines ganzen Jahres, und es gab niemanden, der sich zutraute das Ruder in die Hand zu nehmen. Überdies drohte uns allen das Zuchthaus, weil unser Freund auch vergessen hatte, die anfallenden Steuern zu zahlen, und so zerstreute sich die Truppe innerhalb recht kurzer Zeit in alle Winde, wobei jeder mitnahm, an was er Hand legen konnte. Einzig eine kleine Gruppe mit mir an ihrer Spitze blieb nach der Trennung zusammen.


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