Der Kleine Prinz. Antoine de Saint ExuperyЧитать онлайн книгу.
verfiel in einen lang andauernden Traumzustand. Dann zog er mein Schaf aus der Tasche heraus und versank in die Betrachtung seines Schatzes.
Ihr könnt euch vorstellen, wie neugierig mich die Andeutung über die „anderen Planeten“ gemacht hatte. Ich versuchte also mehr in Erfahrung zu bringen.
„Woher kommst du, junger Mann? Wo ist deine Heimat? Wohin willst du mein Schaf bringen?“
Nach einem nachdenklichen Schweigen antwortete er:
„Die Kiste, die du mir geschenkt hast, wird ihren Dienst tun: Nachts kann sie ihm als Unterbringung dienen.“
„Sicher. Und wenn du freundlich bist, werde ich dir auch einen Strick schenken, um es tagsüber festzubinden. Und einen Pflock.“
Der Vorschlag schien den kleinen Prinzen zu entrüsten:
„Festbinden? Was für eine seltsame Idee!“
„Aber wenn du es nicht festbindest, könnte es weglaufen und verloren gehen.“
Mein Freund bekam wieder einen Lachanfall:
„Aber wie stellst du es dir vor: wohin weglaufen?“
„Unwichtig. Immer geradeaus...“
Diesmal bemerkte der kleine Prinz ernsthaft:
„Es macht ja nichts. Es ist derart klein bei mir.“
Und, vielleicht mit einem Anflug von Melancholie, setzte er hinzu:
„Immer geradeaus kommt man nicht sehr weit...“
Der kleine Prinz auf seinem Asteroiden B 612
IV
Auf diese Weise hatte ich ein zweites Detail erfahren, das sehr wichtig war: und zwar, dass sein Herkunftsplanet kaum größer war als ein Haus.
Das konnte mich ja nicht gerade überraschen. Ich wusste natürlich schon, dass es, abgesehen von den großen Planeten wie Erde, Jupiter, Mars, Venus, denen man sogar einen Namen gegeben hat, weitere Hunderte gibt, von denen sehr viele so klein sind, dass man sie sogar am Teleskop nur mit viel Mühe wahrnimmt. Wenn ein Astronom einen solchen entdeckt, gibt er ihm als Namen eine Nummer. Er nennt ihn etwa „Asteroid 325“.
Ich habe triftige Gründe zu glauben, dass der Planet, von dem der kleine Prinz kam, der Asteroid B 612 ist. Dieser Asteroid wurde nur einmal am Teleskop erblickt, und zwar von einem türkischen Astronomen im Jahr 1909.
Er hatte dann auf einem internationalen Astronomenkongress eine ausführliche Beweisführung seiner Entdeckung vorgetragen. Aber wegen seines Anzugs hatte ihm keiner geglaubt. So sind die Erwachsenen.
Zum Glück für das Bekanntwerden des Asteroiden B 612 schrieb ein türkischer Diktator seinem Volk bei Todesstrafe vor, sich europäisch zu kleiden. Der Astronom, diesmal sehr elegant gekleidet, wiederholte seine Beweisführung im Jahr 1920. Und alle waren seiner Meinung.
Es ist wegen der Erwachsenen, dass ich euch diese Details über den Asteroiden B 612 erzählt habe, sogar seine Nummer habe ich euch anvertraut. Die Großen lieben Zahlen. Wenn ihr mit ihnen über einen neuen Freund redet, erkundigen sie sich nie über das Wesentliche. Sie fragen euch nie: „Wie klingt seine Stimme? Welche Spiele mag er? Sammelt er Schmetterlinge?“ Sie fragen eher: „Wie alt ist er? Wie viele Brüder hat er? Wie viel wiegt er? Wie viel verdient sein Vater?“ Nur dann glauben sie, ihn zu kennen. Wenn ihr den Großen sagt: „Ich habe ein schönes Haus mit roten Ziegelsteinen gesehen, mit Geranien an den Fenstern und Tauben auf dem Dach...“, können sie sich das Haus nicht vorstellen. Man muss ihnen sagen: „Ich habe ein Haus gesehen, das bestimmt hunderttausend Francs kostet.“ Dann schreien sie: „Oh, wie schön das ist!“
Wenn ihr ihnen sagt: „Der Beweis, dass der kleine Prinz existiert hat, ist, dass er reizend war, dass er lachte und ein Schaf haben wollte. Wenn man ein Schaf will, das ist ja der Beweis, dass man lebt“, werden sie mit den Achseln zucken und euch wie Kinder behandeln!
Aber wenn ihr ihnen sagt: „Der Planet, von dem er kam, ist der Asteroid B 612“, dann werden sie überzeugt sein und euch mit ihren Fragen in Ruhe lassen. Sie sind halt so. Man soll es ihnen nicht übel nehmen. Die Kinder müssen viel Verständnis für die Erwachsenen haben.
Sicher, wir, die wir das Leben verstehen, wir nehmen die Zahlen nicht ernst!
Diese Erzählung hätte ich viel lieber wie ein Märchen angefangen. Lieber hätte ich gesagt:
„Es war einmal ein kleiner Prinz, der auf einem Planeten wohnte, der kaum größer war als er selbst, und einen Freund dringend brauchte...“ Für die, die das Leben verstehen, hätte dies glaubwürdiger gewirkt.
Ich möchte nicht, dass man mein Buch oberflächlich liest. Beim Erzählen dieser Erinnerungen empfinde ich Kummer. Es sind nun sechs Jahre, seitdem mein Freund mit seinem Schaf von mir gegangen ist. Wenn ich versuche, ihn zu beschreiben, geschieht das, damit ich ihn nicht vergesse. Es ist traurig, einen Freund zu vergessen. Ich könnte so wie die Großen werden, die sich für nichts anderes interessieren als für Zahlen. Es ist der einzige Grund, warum ich erneut einen Farbkasten und Farbstifte gekauft habe.
Es ist hart, in meinem Alter wieder zeichnen zu wollen, wenn man nie was anderes versucht hat als eine geschlossene oder eine offene Boa, und zwar noch im Alter von sechs Jahren! Ich werde natürlich versuchen Bilder zu malen, die so wirklichkeitsnahe wie möglich sind. Sicher bin ich nicht, dass ich Erfolg habe. Das eine Bild geht so, das andere zeigt überhaupt keine Ähnlichkeit. Ich vertue mich in der Körpergröße, und der kleine Prinz wird mal zu groß, mal zu klein. Auch bei der Farbe seiner Kleidung bin ich unsicher. Ich versuche es mal so, mal so, experimentiere da herum. Und sogar einige wichtige Details werde ich eventuell falsch einschätzen. Aber ja, ihr werdet mich entschuldigen. Mein Freund hat mir nie etwas erklärt. Vielleicht glaubte er, ich sei so wie er. Ich kann aber kein Schaf durch die Bretter einer Kiste sehen. So sehr ich es bedauere! Vielleicht bin ich inzwischen ein bisschen wie die Erwachsenen. Ich konnte nicht verhindern, älter zu werden.
V
Jeden Tag erfuhr ich etwas über seinen Planeten, seinen Abflug und seine Reise. Es geschah allmählich und wie zufällig im Laufe unserer Überlegungen. Auf diese Weise erfuhr ich am dritten Tag vom Drama der Baobabs.
Auch dieses Mal war es wegen des Schafes. Der kleine Prinz fragte mich unvermittelt, wie von einem ernsten Zweifel bewegt:
„Es ist doch richtig, dass die Schafe Sträucher fressen?“
„Ja. Es ist richtig.“
„Ach, da bin ich ja froh!“
Ich verstand nicht, warum es wichtig war, dass Schafe Sträucher fressen. Aber der kleine Prinz fügte hinzu:
„Also fressen sie auch Baobabs?“
Ich machte den kleinen Prinzen darauf aufmerksam, dass die Baobabs keine Sträucher sind, sondern Bäume, so groß wie eine Kirche; er könne sogar eine Elefantenherde mitnehmen, sie würde mit einem einzigen Baobab nicht fertig.
Die Vorstellung der Elefantenherde brachte den kleinen Prinzen zum Lachen:
„Man müsste sie aufeinander stapeln...“
Aber er bemerkte klug:
„Bevor