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Im Vorhof zur Hölle. Beatrix FalkensteinЧитать онлайн книгу.

Im Vorhof zur Hölle - Beatrix Falkenstein


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das hier ist wohl wichtiger als irgendwelche Termine im Geschäft, oder? Wann soll ich mich wo melden?“

      „Sie gehen direkt hinten durch in die Brustklinik, da melden Sie sich an. Alles Weitere sehen wir dann.“

      Sie gab mir die Hand und ich war allein; ein drittes Mal im Vorhof zur Hölle.

      Ich war wie betäubt und ging mechanisch durch das Klinikgelände zum Parkhaus, setzte mich in mein Auto und starrte vor mich hin. Was war denn gerade über mich hinweggerollt? Ich konnte meine Gedanken nicht greifen, alles ging so schnell und ich verstand gar nicht, was da los war. Langsam fuhr ich los, musste ja wieder zurück ins Geschäft, in meine Klinik. Während der Fahrt klingelte mein Handy: Na, ist alles okay? stand in Deiner SMS. Scheiße, was sollte ich denn jetzt antworten? Ich wusste es doch selber nicht.

      Ich schrieb zurück: Bin unterwegs, melde mich gleich!

      Nach 15 Minuten hielt ich es nicht mehr aus und fuhr an den Straßenrand. Dann rief ich Dich an. Kaum hörte ich Deine Stimme, fing ich an zu weinen.

      „Ich hab etwas in meiner Brust und morgen wollen sie da reinstechen und etwas zur Untersuchung schicken.“

      „Was? Was ist denn das? Wieso ist da was, ich verstehe nicht!“

      Ich versuchte Dir in Ruhe zu erklären, was passiert war und was jetzt gemacht werden sollte.

      „Mach Dir keine Sorgen. Du hast Dich doch immer gesund ernährt und rauchst auch schon solange nicht mehr.“

      Ich hörte pure Verzweiflung aus Deinen Worten und das nicht sein kann, was nicht sein darf. Ich dachte vermutlich das Gleiche wie Du und sagte: „Ich habe Angst zu sterben!“

      „Ich weiß, aber Dir wird nichts passieren, bestimmt nicht.“

      Ich fuhr ins Büro, in die Klinik. Meine Kollegin, die denselben Befund vor 13 Jahren gehabt hat, hatte Urlaub; mein anderer Kollege war da. Ich konnte es nicht für mich behalten und erklärte ihm: „Ich habe vielleicht Krebs und muss morgen zur Biopsie. Sie müssen die Sitzung morgen ohne mich machen.“

      Er schaute mich mit großen Augen an.

      „Ach, da wird bestimmt nichts sein, ganz bestimmt nicht, werden Sie sehen.“

      Er konnte die Nachricht nicht wirklich verdauen, das merkte ich ihm an. Aber da konnte ich ihm nicht helfen, ich hatte jetzt erst mal genug mit mir zu tun.

      Ich wusste nicht mehr, wie mir geschah. Was war passiert? Vorgestern war meine Welt doch noch in Ordnung. Ich wurde den Klumpen im Bauch nicht mehr los und während des Tages wurde mir klar, dass er wohl nie wieder ganz weggehen würde. Dabei hatte ich nur Angst vor der Untersuchung gehabt, nicht vor dem Ergebnis.

      Als Du nach Hause kamst, hast Du mich mit Tränen in den Augen in den Arm genommen. Wir haben nur da gestanden, gemeinsam geweint und haben jeden Bezug zu Zeit und Raum verloren.

      Ich konnte nur noch denken: Ich will nicht sterben. Ich habe Angst.

      Wir haben dann viel geredet über die Möglichkeiten, die wir noch nicht kannten und irgendwann wurde mir klar: ich lasse mir einfach beide Brüste abnehmen, dann ist der Krebs weg und ich bin wieder gesund. Du nickst und sagst: „Die Dinger sind egal. Wenn es das Richtige ist, dann weg damit.“

      Immer wenn Du mich ansiehst, steigen Dir die Tränen in die Augen und ich muss mitweinen. Ich fühle mich so scheiße und kann an dem Zustand einfach durch gar nichts etwas ändern. Der Klumpen klemmt mir alles ab, wie ein Monster, das tief in mir an mir herumnagt. Aber ich glaube, dir geht es noch schlechter, weil Du mir nicht helfen kannst.

      Der Termin zur Stanze fand am nächsten Tag statt. Viel geweint habe ich vorher und zwischendrin. Ich hatte Angst, fühlte mich aber gleichzeitig gut aufgehoben. Ein fataler Fehler, wie ich heute weiß.

      Vor der Stanze gab es erneut einen Ultraschall von der Pionierin der Senologie und dann auch das vernichtende Urteil.

      „Dass das bösartig ist, sehe ich auf den ersten Blick. Hat meine Kollegin denn gestern nichts gesagt?“

      Nein, hatte sie nicht. Endlich sah ich dann auch selbst die Bilder.

      Wow, das dicke, weiß Ding steckt in meiner Brust? 2,4 cm groß, 2 Zipfel, sehr dichte Struktur und nicht tastbar?

      Nein, man konnte es tatsächlich nicht fühlen. Selbst der Profi suchte und fand nichts und resignierte beim Abtasten. Das Bild war so krass in meiner Wahrnehmung, dass ich alles hinnahm, was man mir dann sagte.

      Die Stanze war nicht schön. Aushaltbar, aber wirklich nicht schön. Es tat merkwürdig weh, so irgendwie tief innen. Dann bekam ich einen Druckverband und konnte mich wieder anziehen. Die ganze Zeit konnte ich meine Tränen nicht halten. Ich weinte und weinte und fing mich gar nicht mehr.

      Die Professorin hatte mir viel zu sagen. Was gut wäre, was weniger, was ich jetzt tun sollte und was die nächsten Schritte wären. Wenn ich denn wollte! Wollte ich und hatte ich überhaupt eine Wahl?

      „Am nächsten Tag, Freitag, rufen wir Sie an, ob die Histologie meinen Befund bestätigt. Am Montag gehen Sie dann zum Staging in die Nuklearmedizin für ein Knochenszintigramm, zum Ultraschall der Leber und zum Röntgen der Lunge. Das heißt, wir überprüfen die anderen wichtigen Stellen auf Metastasen. Wenn die Histologie steht und ich alles im Tumorboard besprochen habe, sehen wir weiter. Wir nehmen wir Sie dann stationär auf und operieren brusterhaltend. Vorher müssen Sie noch zum Sentinel – Markierung der Lymphknoten – und zur Anästhesie.“

      Sie wendet sich an die Schwester.

      „Bitte kümmere Dich um die Termine fürs Staging Und morgen rufst Du Frau Falkenstein an und gibst ihr die Histologie durch.“

      „Ja, wenn der Befund dann auch schon im PC ist!“

      „Nein, Du rufst bitte die Pathologie an und erfragst den Befund, okay?“

      Zu mir gewandt sagte sie: „Das Warten ist oft das Schlimmste, wissen Sie?“

      In meinem Kopf begann sich alles zu drehen. Begriffe wie Staging, Sentinel und Psychoonkologie liefen ein Wettrennen in meinem Kopf. Ich ging und versuchte alles zu sortieren. Aber eigentlich konnte ich nur noch weinen. Immer wieder. Ich wollte nicht sterben; noch nicht! Ich war doch so glücklich mit Dir und unserem Leben. Der Klumpen in meinem Bauch war so groß und drückte. Ich war mir sicher, dass er nie wieder weggehen würde.

      Dann hörte ich immer wieder in meinem Kopf dieses Lied „Hallelujah“. Es machte mich so unendlich traurig und ich sah Dich immer wieder an meinem Grab stehen und weinen. Immer wieder dieses Lied. Kloß und Tränen. Und dieses Lied. Und Du in Tränen aufgelöst.

      Plötzlich fiept mein Handy: Na, hast Du es hinter Dir?

      Da warst Du. Ja, ich habe es hinter mir und es ist Krebs. Kann man das so schreiben? Eher nicht. Lieber anrufen.

      Ich fühlte, wie Du am anderen Ende des Telefons zusammensackst und auch Deine Welt nun ruckartig zum Stehen gekommen war.

      „Ich will nicht sterben“, flüsterte ich unter Tränen. Ich fühlte, wie Du Dich zusammen gerissen hast und Deinen Körper unter Spannung setztest.

      „Das wirst du auch nicht, glaube mir.“

      Dein Halt tat so gut, dass ich fast unbeschwert alles berichten konnte. Was gemacht wurde, was weiter passiert, wie es mir geht und wann ich heute nach Hause komme.

      Mir ging ein einziger Gedanke immer wieder durch den Kopf: Ich will es niemandem sagen. Ich will mit niemandem darüber sprechen. Ich will kein Mitleid, keine Ratschläge und keine blöden Sprüche!

      Im Büro war es nicht so schwierig. Nur der Kollege da und tief geschockt, aber „das wird sicher wieder“. Es gäbe ja Hoffnung, dass die Histologie am nächsten Tag etwas anderes sagt. Ich glaubte nicht an das Wunder, aber ihm tat es gut.

      Abends trafen wir uns, umarmten uns weinend. Immer wieder liefen Tränen. Du hattest Angst; so wie ich. Wir mussten das irgendwie verarbeiten


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