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Heidis Lehr- und Wanderjahre. Johanna SpyriЧитать онлайн книгу.

Heidis Lehr- und Wanderjahre - Johanna Spyri


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und

       Indianer, daß man froh ist, wenn man ihm nicht allein begegnet.«

       »Und wenn auch«, sagte Dete trotzig, »er ist der Großvater

       und muß für das Kind sorgen, er wird ihm wohl nichts tun, sonst

       hat er's zu verantworten, nicht ich.«

       »Ich möchte nur wissen«, sagte die Barbel forschend, »was

       der Alte auf dem Gewissen hat, daß er solche Augen macht und

       so mutterseelenallein da droben auf der Alm bleibt und sich fast

       nie blicken läßt. Man sagt allerhand von ihm; du weißt doch

       gewiß auch etwas davon, von deiner Schwester, nicht, Dete?«

       »Freilich, aber ich rede nicht; wenn er's hörte, so käme ich

       schön an!«

       Aber die Barbel hätte schon lange gern gewußt, wie es sich

       mit dem Alm-Öhi verhalte, daß er so menschenfeindlich aussehe

       und da oben ganz allein wohne und die Leute immer so mit

       halben Worten von ihm redeten, als fürchteten sie sich, gegen ihn

       zu sein, und wollten doch nicht für ihn sein. Auch wußte die

       Barbel gar nicht, warum der Alte von allen Leuten im Dörfli der

       Alm-Öhi genannt wurde, er konnte doch nicht der wirkliche

       Oheim von den sämtlichen Bewohnern sein; da aber alle ihn so

       nannten, tat sie es auch und nannte den Alten nie anders als Öhi,

       nannten, tat sie es auch und nannte den Alten nie anders als Öhi,

       was die Aussprache der Gegend für Oheim ist. Die Barbel hatte

       sich erst vor kurzer Zeit nach dem Dörfli hinauf verheiratet,

       vorher hatte sie unten im Prättigau gewohnt, und so war sie noch

       nicht so ganz bekannt mit allen Erlebnissen und besonderen

       Persönlichkeiten aller Zeiten vom Dörfli und der Umgegend. Die

       Dete, ihre gute Bekannte, war dagegen vom Dörfli gebürtig und

       hatte da gelebt mit ihrer Mutter bis vor einem Jahr; da war diese

       gestorben, und die Dete war nach dem Bade Ragaz

       hinübergezogen, wo sie im großen Hotel als Zimmermädchen

       einen guten Verdienst fand. Sie war auch an diesem Morgen mit

       dem Kinde von Ragaz hergekommen; bis Maienfeld hatte sie auf

       einem Heuwagen fahren können, auf dem ein Bekannter von ihr

       heimfuhr und sie und das Kind mitnahm. – Die Barbel wollte also

       diesmal die gute Gelegenheit, etwas zu vernehmen, nicht

       unbenutzt vorbeigehen lassen; sie faßte vertraulich die Dete am

       Arm und sagte: »Von dir kann man doch vernehmen, was wahr

       ist und was die Leute darüber hinaus sagen; du weißt, denk' ich,

       die ganze Geschichte. Sag mir jetzt ein wenig, was mit dem Alten

       ist und ob der immer so gefürchtet und ein solcher

       Menschenhasser war.«

       »Ob er immer so war, kann ich, denk' ich, nicht präzis

       wissen, ich bin jetzt sechsundzwanzig und er sicher siebzig Jahr'

       alt; so hab' ich ihn nicht gesehen, wie er jung war, das wirst du

       nicht erwarten. Wenn ich aber wüßte, daß es nachher nicht im

       ganzen Prättigau herumkäme, so könnte ich dir schon allerhand

       erzählen von ihm; meine Mutter war aus dem Domleschg und er

       auch.«

       auch.«

       »A bah, Dete, was meinst denn?« gab die Barbel ein wenig

       beleidigt zurück; »es geht nicht so streng mit dem Schwatzen im

       Prättigau, und dann kann ich schon etwas für mich behalten,

       wenn es sein muß. Erzähl mir's jetzt, es muß dich nicht gereuen.«

       »Ja nu, so will ich, aber halt Wort!« mahnte die Dete. Erst

       sah sie sich aber um, ob das Kind nicht zu nah sei und alles

       anhöre, was sie sagen wollte; aber das Kind war gar nicht zu

       sehen, es mußte schon seit einiger Zeit den beiden Begleiterinnen

       nicht mehr gefolgt sein, diese hatten es aber im Eifer der

       Unterhaltung nicht bemerkt. Dete stand still und schaute sich

       überall um. Der Fußweg machte einige Krümmungen, doch

       konnte man ihn fast bis zum Dörfli hinunter übersehen, es war

       aber niemand darauf sichtbar.

       »Jetzt seh' ich's«, erklärte die Barbel; »siehst du dort?« und

       sie wies mit dem Zeigefinger weit ab vom Bergpfad. »Es klettert

       die Abhänge hinauf mit dem Geißenpeter und seinen Geißen.

       Warum der heut' so spät hinauffährt mit seinen Tieren? Es ist

       aber gerad' recht, er kann nun zu dem Kinde sehen, und du

       kannst mir um so besser erzählen.«

       »Mit dem Nach-ihm-sehen muß sich der Peter nicht

       anstrengen«, bemerkte die Dete; »es ist nicht dumm für seine fünf

       Jahre, es tut seine Augen auf und sieht, was vorgeht, das hab' ich

       schon bemerkt an ihm, und es wird ihm einmal zugut' kommen,

       denn der Alte hat gar nichts mehr als seine zwei Geißen und die

       Almhütte.«

       »Hat er denn einmal mehr gehabt?« fragte die Barbel.

       »Hat er denn einmal mehr gehabt?« fragte die Barbel.

       »Der? Ja, das denk' ich, daß er einmal mehr gehabt hat«,

       entgegnete eifrig die Dete; »eins der schönsten Bauerngüter im

       Domleschg hat er gehabt. Er war der ältere Sohn und hatte nur

       noch einen Bruder, der war still und ordentlich. Aber der Ältere

       wollte nichts tun, als den Herrn spielen und im Lande

       herumfahren und mit bösem Volk zu tun haben, das niemand

       kannte. Den ganzen Hof hat er verspielt und verzecht, und wie es

       herauskam, da sind sein Vater und seine Mutter hintereinander

       gestorben vor lauter Gram, und der Bruder, der nun auch am

       Bettelstab war, ist vor Verdruß in die Welt hinaus, es weiß kein

       Mensch wohin, und der Öhi selber, als er nichts mehr hatte als

       einen bösen Namen, ist auch verschwunden. Erst wußte niemand

       wohin, dann vernahm man, er sei unter das Militär gegangen

       nach Neapel, und dann hörte man nichts mehr von ihm zwölf

       oder fünfzehn Jahre lang. Dann auf einmal erschien er wieder im

       Domleschg mit einem halberwachsenen Buben und wollte diesen

       in der Verwandtschaft unterzubringen suchen. Aber es schlossen

       sich alle Türen vor ihm, und keiner wollte mehr etwas von ihm

       wissen. Das erbitterte ihn sehr; er sagte: ins Domleschg setze er

       keinen Fuß mehr, und dann kam er hierher ins Dörfli und lebte

       da mit dem Buben. Die Frau muß


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