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Mein Lieber Sohn und Kamerad. Eberhard SchielЧитать онлайн книгу.

Mein Lieber Sohn und Kamerad - Eberhard Schiel


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Schiel

      VON WILLI PUCHERT (36)

      Lazarett Bochum 5, 26.11. 1914

      Lieber Otto!

      Deinen lieben Brief vom 19. habe ich erhalten. Besten Dank dafür, auch für die mir gesandten Zeitungen. Wie ist es eigentlich, sind dort noch keine Verlustlisten von unserem Regiment bekanntgegeben? Ich habe nun schon 3 Karten an meine Kompagnie geschrieben, aber noch keine Antwort erhalten. In der einen, mir zugesandten, Zeitung las ich, daß Wilh. Schuldt von meiner Komp. an dem Tag meiner Verwundung gefallen sei. Es war dies der Jüngste in unserer Komp. Ist Walter Steinfatt in ein Feldlazarett gekommen oder bei der Truppe geblieben? Das Gebäude, in dem wir zusammen lagen, ist 8 Tage lang das Ziel feindlicher Granaten gewesen. Das ganze Gehöft wurde von dem Feind beschossen. Die Scheune benutzte die 7. Kompagnie, wir die Stallungen. In den Wohnräumen hatte sich der Bataillonsstab einquartiert. Die Küche wurde von der 3. oder 4. Komp. benutzt. Eines Morgens waren wir eben von unserm 3. Zug aus dem Graben, der ca. 30 m hinter dem Gehöft lag, abgelöst. Wir machten es uns im Stall bequem. Da schlug eine Granate durch die offene Scheunendiele in unsern Stall ein. Kaum 2 m von mir entfernt schlägt sie durch die Wand. Nun habe ich gesehen, wie eigenartig oft die Schüsse kommen. Die beiden Soldaten, die dicht an der Wand lagen, kamen ganz leicht davon, nämlich der eine unverwundet, der andere mit einer harmlosen Beinverletzung. Dagegen mußten die Nächsten dran glauben. Durch diesen Schuß hatten wir 3 Tote und 4 Schwerverletzte, von denen einer kurz darauf gestorben ist. Am Tage vorher schlug eine Granate neben uns in den Unterstand ein, jedoch hatte das Dach des Unterstandes die Wirkung gut aufgehoben. Wir hatten nur einen Leichtverwundeten. Im Schützengraben hatten wir uns es ganz wohnlich eingerichtet. Wir fühlten uns im Graben sicherer wie in den Gebäuden. Ja, mein Garn geht wohl zu weit, ich werde Dir es mündlich weiter erzählen. Mit dem Wegkommen von hier wird es wohl vorläufig nichts. Sei so gut und schicke mir mein Tagebuch. Ich habe jetzt schöne Zeit, meine Erlebnisse niederzuschreiben. Grüße bitte Herrn Diete und alle Vereinsbrüder. Herzliche Grüße an Deine Eltern und Geschwister.

      Gottbefohlen

      Dein Willy

      Einliegend 2 Abzüge, habe ich hier gemacht. Sie sind beide nicht besonders, immer trübe Luft.

      VON WILLI PUCHERT (37)

      Lazarett Bochum 5, 7. Dezember 1914

      Lieber Otto!

      Heute möchte ich Dir wieder ein paar Zeilen schreiben. Deine div. Sachen habe ich alle erhalten. Von Herrn Diete erhielt ich ein Programm zum Stiftungsfest. Auch die Zeitung mit dem Artikel. Es war wohl eine kleinere Feier, aber dennoch weniger schön und wirkungsvoll wird sie wohl nicht gewesen sein. Ich wäre zu gern dabei gewesen. Aber ich muß stille sein, muß lernen, zu verzichten. Gestern hatten wir hier im Lazarett eine kleine Feier. Hier ist es nämlich Sitte, daß am 6. Dezember der Nikolaus kommt. Es ist dasselbe, als wenn bei uns der Knecht Ruprecht am heiiligen Abend kommt. Ein kleines Mädchen, als Waldmann verkleidet, trug ein schönes Weihnachtsgedicht vor. Danach kam der Nikolaus. Mit einer mächtigen Rute. Nun gabs Aepfel, Nüsse, Kuchen. Manch einer, auch ich, erhielt mächtige Hiebe, weil wir angeblich nicht immer artig gewesen wären. Nach einer kleinen Rede, in welcher er uns ermahnte, recht feste die Feinde zu verhauen, verschwand der Nikolaus. Mit dem Liede "O Du fröhliche, O Du selige" klang die nette Feier aus. Es ist manchmal rührend, was die Leute alles für die Verwundeten tun. Vielleicht werde ich zu Weihnachten entlassen. Ich glaube es aber nicht so recht. Hoffen wir das Beste. Grüße bitte Deine Eltern und Geschwister, Herrn Diete, welchem ich bestens für die Zeitungen danke, sowie alle Vereinsbrüder herzlichst. Sei auch herzlichst gegrüßt von Deinem Willy. Hast Du den Artikel in der Zeitung gelesen. Da haben die Franzosen einen Zettel mit einem Stein beschwert in unseren Schützengraben geworfen. Darauf stand: "Heute Feinde, in einigen Tagen Freunde, im Kriege gegen England! " Daraufhin warfen die Deutschen ein Päckchen Zigaretten rüber. Auch wurde nicht mehr gegenseitig geschossen.

      AN ALFRED MEISSNER (38)

      Stralsund, 10.12.1914

      Lieber Alfred!

      Endlich komme ich dazu, Dir für Deine Karte zu danken. Entschuldige bitte, wenn ich nicht bei Deiner Abreise auf dem Bahnhof war, aber es ging nicht. Da mein Direktor sich am Dienstag stellen mußte, sind am Montag die ganzen Arbeiten erledigt worden. Aus diesem Grunde konnte ich auch meinen Bahnhofsdienst nicht machen. Da ich in der Mittagszeit einen Vertreter suchen mußte, konnte ich leider nicht mehr in Deine Wohnung kommen, hätte Dich, da Du ja spazieren gingst, vielleicht gar nicht angetroffen. Am Dienstag fing ich an in der Stadt zu arbeiten. Weil die Petroleumnot schon ziemlich groß ist, haben wir sehr viel zu tun und wir verfügen über nicht genügend Leute. So kam denn ein Schlosser von der Gasanstalt zur Stadt, der mich als Helfer erhielt. Nun gibt`s die 8-stündige Arbeitszeit nicht mehr. Nun arbeitet man wieder 10 Stunden. Ja, am Sonntag arbeitete ich auch von 7 bis 1 Uhr. Also auch noch mal 6 Std. Nun habe ich also weniger freie Zeit und deshalb mußt Du entschuldigen, wenn ich erst heute schreibe. Willi Puchert liegt noch immer in Bochum. Daß Du nach seinem Befinden fragst und ihm gute Ratschläge gibst, habe ich Willi mitgeteilt. Warum schreibst Du nicht an ihn. Mir scheint es so, als ob Du seine Freundschaft suchtest. Also, wenn dem so ist, so schreib nur an: W. Puchert, Lazarett, Bochum 5. Den Brief muß ich erst noch erhalten und lesen .Heute erhielt ich eine Nachricht, auch W. Neels ist verwundet, und zwar am Arm, in den Kämpfen um Lods. Ein anderes Mal berichtet mehr

      Dein allzeit getreuer Otto

      Am Dienstag früh 1/2 4 Uhr war ich schon auf dem Bahnhof, es kamen 60 schwerverwundete Deutsche.

      VON ALFRED MEISSNER (39)

      Krekow, 24.12. 1914

      Mein lieber Otto!

      So ist`s denn heilig Abend geworden. Und ich kann nicht daheim sein. Wir haben hier Nüsse, Äpfel, Stollen u. Pfeffernüsse gekriegt. Ein Baum war auch aufgestellt und der Oberleutnant hielt eine kurze Ansprache. Doch was ist das schon gegen die Weihnacht daheim, wo man den Zauber dieser Stunde echt empfindet, wo man singt und Mutter betet. Ich gehe am liebsten hinaus in den Eckerburgener Wald in die schweigende Winterlandschaft. Hein hat mir "Menschen ohne Heimat" geschickt. Ein köstliches Buch, auch wie erschütternd, wenn man den ganzen Gedanken "heimatlose Menschen" erfaßt, die da in den Städten wohnen. (in den Mietskasernen) Heimatverwurzeltes, bodenständiges Volk brauchen wir. Doch da erhebt sich mir wieder die Frage: Wo ist Deine Heimat? Dort, wo du geboren bist, oder wo du dein Glück, deine Liebe gefunden hast? Noch ist mir die Antwort der Frage nicht vollständig klar. Aber heilig gelobt habe ich mir`s, mein Volk soll eine Heimat haben und ich will sie bauen helfen

      .Lieber Otto! Ich bin Dir noch sehr dankbar, daß Du mir die Bilder von Christel gezeigt hast. Ich weiß, sie leuchtet mir wie ein Stern in der Nacht, in Kampf und Arbeit. Ich glaube an sie, und was das für mich heißt, magst du daran ermessen, daß ich an Dich erst geglaubt habe, nach dem wir uns getrennt hatten. Täglich schaue ich ihr Bild an und - warte. Glaube mir, es ist köstlich zu warten, zu warten auf ein Glück und zu wissen um die Liebe eines Mädchens. Still, ohne es ihr zu sagen. Darum, lieber Junge, sei nicht traurig, daß Dora nicht die Deine ist. Es ist nun mal ehernes Gesetz: Erste Liebe stirbt wie im Rauhreif die Frühlingsblume. Und meine erste Liebe ist Christel ja auch nicht. Leider war die meine viel zu früh. Sie hat mir ein Stück echter Jugend geraubt, daß ich erst wieder zu erlangen suche. - - -Es ist Weihnachtszeit, so einsam, nimm mir`s nicht übel, wenn ich so über Vieles mit Dir plaudere, was mir in dieser Stunde in den Kopf kommt. - Ich habe Dich einst gehaßt, als Du von mir gingst. Ich war so unendlich empört über Deinen gebrochenen Schwur. Ein Eid ist mir heilig, heiliger wie die heiligste Herzensregung. Ich habe gewürgt, getragen, an meinem Leid. Darum stieß ich auch Erich Rotbarth, Neels und Käding von mir. Ich wollte allein sein mir mir und Erich. Ich habe gelernt in den Wochen, doch was? Noch am Sylvestertage sagte ich mir, was ist aus dir geworden? Ein einsam-zornig kämpfender Mensch. Ich hätte Dir gern die Hand gereicht, doch eine Stimme sagte mir: "Das Schicksal führt Euch zur rechten Zeit zusammen." - Immer, wenn ich Rückschau halte, taucht Arbeit auf, große und schöne Arbeit, die Wehrloge. ..Geschwankt habe ich so manches Mal in meinem Gottesglauben. Einmal war der kriegerische, lichtgekrönte


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