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Mein Lieber Sohn und Kamerad. Eberhard SchielЧитать онлайн книгу.

Mein Lieber Sohn und Kamerad - Eberhard Schiel


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da ich mein 17. Lebensjahr noch nicht vollendet habe. Um so mehr erachte ich es als meine Pflicht, mitzuhelfen bei der Heilung der Wunden, die der Krieg bringt. Meinem Heiland möchte ich dienen durch Pflege an Kranken und Verwundeten. Als Helfer des Roten Kreuzes will ich versuchen mich nützlich zu machen. Leider kann man mich in Stralsund nicht verwenden, da die Militärärzte abwesend sind und ich einen Kursus nicht mitgemacht habe. Da Du schreibst, ihr werdet 2000 Verwundete aufnehmen, werdet ihr doch auch mehr Helfer brauchen als bisher. Ich richte nun an Dich die Bitte, mir mitzuteilen, ob ich vielleicht angenommen werde, und mit welchen Leistungen. Einer baldigen Antwort dankend entgegen sehend verbleibe ich

      Dein Neffe Otto

      VON WILHELM PUCHERT (2)

      Stettin, den 29.8.14

      Lieber Otto!

      Meine Karte vom Donnerstag hast Du wohl bekommen. Wir sind glücklich angekommen. 7 Stunden Fahrt. Und was für eine Fahrt. Wie ich Dir schon schrieb, einfach großartig. Die Begeisterung, mit der wir überall empfangen wurden, die Bewirtung auf den Bahnhöfen. Ueberall schleppten sie herbei, was nur möglich war: Kaffee, Limonade, Brot, Äpfel und solche schönen Sachen. Manches alte Mütterchen habe ich beobachtet, daß, wie sie den riesigen Militärzug sah, die Hände zusammenschlug und ihre Augen feucht wurden. Und dabei ging es erst zur Ausbildung, gar nicht mal in den Krieg. Sämtliche Strecken waren von der Landwehr besetzt, die uns manch derbes Schimpfwort auf unsere Freude nachriefen, mit dem Bemerken, daß wir besser trauern sollten. Wie wir in den Stettiner Bahnhof einfuhren, war auch schon das rote + an der Arbeit, um uns zu laben. Wir rückten abends 7 Uhr ins Massenquartier, 150 Mann. Für mich war es ja nicht direkt ungewohnt im Stroh zu schlafen, aber es ist doch manch einer darunter, der so etwas nicht konnte und deshalb stöhnte. Das Essen ist zwar nicht gut, aber es geht. Gestern morgen 7 Uhr mußten wir antreten bei der Pionierkaserne. 3/4 Stunde von unserem Quartier entfernt. Im Zuge gings durch die Straßen, aber es sind solche Kerle zwischen, daß die besser Gesinnten sich manchmal schämen müßten. Am ersten Tag haben wir gar nichts gemacht. Den ganzen Tag auf dem Platz gelegen in der brennenden Sonne. Jetzt sind wir endlich fest eingeteilt. Meine Adresse lautet: Inf. Reg. No. 209, 6. Komp., II. Armeekorps, z.Zt. Stettin. Feldpost natürlich ohne Marken. Heute haben wir schon feste geübt, unter anderem Gewehrgriffe, Marschübungen. Der Übungsplatz ist zwar ziemlich groß, liegt aber ganz ungeschützt da, so daß die Sonne, die es gestern und heute äußerst gut meinte, ungehindert ankommen kann. Auf diesem Platz übt jetzt alles. Grenadiere, Infanterie, Maschinengewehr-Kompagnie. Auf dem Platz werden auch eine ganze Menge Baracken gebaut, anscheinend zur Aufnahme von Gefangenen. Auch Verwundete sind eine ganze Menge schon hier. Diese haben es gut. Feine Verpflegung. Blumen bekommen sie die Menge. Auch von uns ist schon einer kompagnieuntauglich. Der Sohn des Klempnermeisters Schwark in der Tribseerstraße hat Krämpfe. Er wurde gestern per Krankenauto ins Lazarett befördert. Wird wohl wieder nach Stralsund kommen. Stettin ist eine feine Stadt. Große, schöne Straßen, großartige Denkmäler, Monumente, Tore und Bauten. Das Leben und Treiben ist ganz anders als in Stralsund. Heute nachmittag haben wir erst um 3/4 5 Uhr Dienst. Morgen um 10 Uhr Appell im Sonntagsanzug. Wir haben für unsere Ausbildung einen feinen Feldwebel-Leutnant, ein gemütlicher Kerl. Der weiß gar nicht, was er uns beibringen soll. Nun hoffe ich, daß Du mir bald mal Nachricht zukommen läßt, wie es Euch in Stralsund geht. Wie geht es im Verein?

      Herzliche Grüße an Dich und an Deine Eltern

      AN WILHELM PUCHERT (3)

      Stralsund, den 31. August 1914

      Lieber Willi!

      Karte und Brief habe ich erhalten und mich gefreut über das, was Du schreibst. (von einigen Ausnahmen abgesehen) Ich habe allerlei Neuigkeiten zu erzählen und weiß nicht, wo ich anfangen soll. Also, da ist unser Fritz Schlamm wieder in Stralsund. Er hat nämlich an dem Sturm auf Longwy teilgenommen. Wunderbarerweise ist er dem Tode entronnen. Er ist nämlich in einen Kugelregen geraten. Eine Kugel zertrümmerte seine Brille, die noch auf dem Schlachtfelde liegen wird. Eine Kugel pfiff übers Ohr weg. Denk Dir, ein Geschoß bahnte sich einen Weg, drang seitwärts in die Brust, zwischen Lunge und Rippen, wobei einige zersplittert wurden, und verließ dann den Körper. Er bekam einen Dusel, hat paar Tage im Lazarett gelegen und erhielt bis Donnerstag Heimaturlaub. Auch in seinem Tornister wurden noch Kugeln gefunden. Wer auf Gott vertraut, der hat auf keinen Sand gebaut. Er will alle Hebel in Bewegung setzen und in zwei bis drei Wochen wieder vorm Feind sein. Am Dienstag oder Mittwoch will er noch mal in den Verein kommen und etwas von den Kämpfen um Longwy erzählen. Alfred Siewert ist auch 42-er. Wir können stolz sein, neun Soldaten stellt unser Verein, zwei werden Sanitäter und die anderen 16-jährigen beteiligen sich bei der Kriegsjugendwehr. Ein schöner Zug weht durch unser ganzes Volk. Jeder will helfen für des Vaterlands Wohl, und das Land sollte untergehen, unterjocht von verräterischen Krämern und dem "Herrscher aller Reußen". Nein, wir werden den Frieden diktieren, die einzige Großmacht werden und germanische Sitte und Kultur verbreiten. Wenn auch manch anderer Sieg von größerer Bedeutung ist, so haben wir uns doch mehr gefreut, als die Engländer bei St. Quentin feste eins auf den Hut bekamen. 100 Kilometer sind wir von Paris entfernt, und bald sind wir drin. Von unseren 42-ern haben wir wenig gehört. Sie sollen vor Antwerpen liegen, und wenns glückt, feiern sie Sedan in Antwerpen. Oberst von Hackevitz wohnt im Königsschloß bei Brüssel, der Sommerresidenz des belgischen Königs. Etwas gedrückt wurde die Stimmung, als das Seegefecht bei Helgoland bekannt wurde, aber ehrenvoll sind die Schiffe untergegangen. Wir beklagen einen Verlust, aber noch lange keine Niederlage. Unsere Kriegsfreiwilligen werden wohl noch im Laufe dieser Woche Stralsund verlassen. Gestern war öffentliche Abschiedsfeier im Bürgergarten, war gedrängt voll. Im Hafen lagen ein Torpedoboot, drei Hilfsminen-Suchboote, frühere Handelsdampfer und viele Marine-Motorboote. Im Verein sprachen Herr Diete und Herr Pastor Pfeiffer über die Kriegslage im Osten. Herr Pastor sagte uns nur, wenn der rechte Flügel bei Ortelsburg rechtzeitig genug herumholt, dann stehen die Russen drin im Sumpf. Heute morgen werde ich geweckt: "30.000 Russen gefangen!" Ein Freudenruf ist das erste, womit ich antworte. Ich lese das Telegramm und richtig, die Russen sind in die Masurischen Sümpfe gejagt worden. Unser Generalstab wußte es, warum wir Ostpreußen für die Russen räumten.

      Mit deutschem Gruß Otto.

      Herzlichen Gruß von den Eltern und Geschwistern.

      Hab ich Dir schon mitgeteilt, daß Herr Betz in Lüttich ist? Ist Alfred Meissner bei Dir?

      VON WILLI PUCHERT (4)

      Stettin, 1.9. 1914

      Lieber Otto!

      Es drängt mich, wieder einmal einige Zeilen zu schreiben. Mein Kamerad hat ein Paket von seinen Eltern erhalten mit Stralsunder Zeitungen. Da schwelgen wir nun in Erinnerungen. 17 Torpedoboote sind in Stralsund gewesen. Was ist in Stralsund für ein Betrieb, wenn die glänzenden Siege unserer herrlichen Truppen in der Zeitung bekanntgegeben werden. Hier läuten alle Glocken. In unserem Quartier gab`s die ganzen Tage schlechtes Futter. Nun haben wir groß Halloh geschlagen. Gleich ist es besser. Heute Abend hat es eine große Ansprache gegeben. Es scheint jetzt ein besseres Leben zu werden. Es haben sich aber schon eine ganze Menge ausquartiert. Von den 150 Mann sind nur noch ca. 60 Mann da. Was macht der Verein? Herr Diete wird Dir ein Liederbuch geben. Dieses willst Du mir bitte schicken. Auch meine Vereinsnadel. Bist Du noch immer gesund? Was machen Deine Eltern und Geschwister? Vor allem Trude? Sammelst Du auch für mich Extrablätter. Erinnere Wulff noch mal, der wird Dir noch welche geben. Ich habe hier auch schon ganz viel Zeitungen zusammen: Morgen ist der Tag von Sedan. Was werden unsere Truppen für ein Sedan feiern, draußen im Feld. Hoffen wir für unsere Fahnen das Beste. Es geht ja vorwärts immer, rückwärts nimmer. Wenn Du nun schreibst, dann nummeriere bitte die Sachen. Es geht hier auf dem Geschäftszimmer ziemlich bummelig her. Ich werde es ebenso machen. Berichte mir im nächsten Brief, wie ihr Sedan gefeiert habt. Wir haben morgen Dienst. Und morgen gibt`s den ersten Lohn. Wie weit seid ihr mit Euerm Kursus? Wir erhalten in 8 Tagen wohl schon Feldgrau. Jetzt laufen wir noch in den 42-er Uniformen. In 3-4 Wochen gehts nach Döberitz. Ist Deine Hausnummer No 31 eigentlich richtig? Bestelle bitte die besten Grüße an Deine Eltern, Geschwister und alle Vereinsbrüder! Vor allem an Gerhard, Schütt, Ulrich. Grüße an Frl. Meißner und alle Bekannten.

      Mit


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