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Neu-Rosen im Paradiesgärtlein. Ulrike BlatterЧитать онлайн книгу.

Neu-Rosen im Paradiesgärtlein - Ulrike Blatter


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aber irgendwie auch wieder nicht. Es ist so, als ob es nicht mehr meines wäre, was dort beschrieben wird. Und eine Lösung finde ich schon gar nicht. Am Abend nehme ich das Buch mit ins Bett – und schlafe prompt nach zwei Seiten ein. Ich kaufe mir den Ratgeber als Hörbuch und höre es beim Bügeln. Ich bügle und das Telefon klingelt. Meine Freundin ist dran. Sie hat ein Problem. Ich tröste sie, suche gemeinsam mit ihr nach einer Lösung. Als ich auflege, ist das Hörbuch bei Kapitel vier angekommen und ich habe vom Inhalt nichts mitbekommen. Ich höre es im Auto und verpasse eine Abzweigung, ärgere mich über den Typ hinter mir, der viel zu dicht auffährt und das Hörbuch ist bei Kapitel sieben und ich habe wieder nichts mitbekommen.

      Ich nehme das Buch und gehe in den Garten. Ich setze mich auf die Terrasse und beginne zu lesen. Ich höre das Summen der Bienen im Kirschbaum und bestaune die weiße Blütenpracht. Letzte Woche waren die Blüten doch noch nicht da? Ich lege das Buch zur Seite und gehe zum Baum. Ein ganz zarter, kaum wahrnehmbarer Duft hüllt mich ein. Mein Blick wandert den Baumstamm auf und ab. Letzte Woche waren auch die Ameisen noch nicht da. Ich muss etwas tun. Gegen mein Problem? Gegen die Ameisen? Irgendwo muss doch noch die Dose mit dem Ameisengift stehen. Ich suche in der Kiste mit Gartenutensilien und beginne, ganz nebenbei, aufzuräumen. Ich sichte eine Unzahl Papiertüten mit Sämereien. Die bunten Bilder versprechen einen Sommer voller Duft und Farben: Tagetes, Sonnenblumen und Wicken – alles wartet nur noch darauf in die Erde gesteckt zu werden. In einer Tüte, deren Aufdruck verblichen ist, raschelt es verheißungsvoll. Ich leere die Samen in meine Handfläche und das Wasser läuft mir im Mund zusammen: Eigene Zucchini – das wäre doch mal wieder etwas! Gemüse, so zart und jung, wie man es im Laden niemals bekommt. Oder gar die Zucchiniblüten. Kurz angebraten in der Pfanne, mit leckerer Füllung oder solo: eine Sommer-Delikatesse. Aber eigene müssen es sein – taufrisch aus dem Garten direkt in die Küche. Dafür muss man sie aber erst einmal selber heranziehen. Ich betrachte die bleichen, flachen Kerne, die darauf warten, zum Leben erweckt zu werden. Eine einzige Zucchinipflanze ernährt eine ganze Familie, sagt ein italienisches Sprichwort. Bei meinem letzten Versuch haben die Schnecken alle zehn Setzlinge mit Stumpf und Stiel gefressen. Irgendwo hatte ich doch noch Schneckenkörner? Aber die töten nicht nur die ekligen verfressenen Nacktschnecken, sondern auch die geliebten Weinbergschnecken. Ich muss mich erkundigen, ob es nicht eine andere Methode gibt. Bierfallen sind jedenfalls keine Lösung. Die Schnecken feiern im Alkohol lediglich eine Party und fressen dann besoffen noch einmal so viel. Das weiß doch jeder Fußballfan: Bier macht Appetit! Vielleicht sollte ich neben die Bierfallen Kartoffelchips legen? Salz ist ja auch ein bewährtes Hausmittel gegen Schnecken.

      Versonnen wickle ich Schnüre auf ein abgegriffenes Holzbrettchen, sortiere Bambusstecken, an denen ich schwächliche Pflanzen hochbinden werde, suche meine Gartenhandschuhe zusammen, die ich regelmäßig neu kaufe und die der gleichen Magie unterliegen, wie Socken in der Waschmaschine: nie hat man ein zusammenpassendes Paar. Und bei Handschuhen ist es ganz schlimm: oft gibt es nur rechte – oder nur linke – oder solche, die meinem Mann passen und mir mit viel zu viel Leerlauf um die Finger schlackern. Einmal hat auch eine Wespe im Daumen eines Handschuhs überwintert. Sie war ärgerlich, als ich sie aufstörte. Sehr ärgerlich … Endlich finde ich die Dose mit dem Ameisengift und gehe zum Kirschbaum. Ich öffne den Streuer und schütte kräftig. Nichts. Das Zeug ist verklumpt. Ich sehe den Ameisen zu, die am Stamm auf und ab rennen. In wenigen Wochen werden sie florierende Blattlauskolonien angelegt haben.

      Die Ameisen wollen auch leben, denke ich und werfe die Dose in den Müll.

      Ich gehe zurück ins Haus und öffne die Fenster weit. Draußen singt eine Amsel. Ich lächle und öffne den Kühlschrank. Zeit fürs Abendbrot.

      Am nächsten Tag finde ich auf der Terrasse mein Sachbuch. Es ist ein wenig feucht vom Tau. Sachbücher bündeln Erfahrung, sammeln haufenweise Wissen und erklären mir die Welt. Sachbücher neigen ein bisschen dazu sich aufzuplustern. Sie tun so, als ob es ohne sie nicht ginge. Nicht im Alltag, nicht in der Liebe und in Krisen schon gar nicht.

      Dieses Buch ist kein Sachbuch. Dieses Buch ist entstanden aus einer Zettelsammlung. Zettel, die ich in einer Schublade gehortet habe; teils unleserlich, weil ein plötzlicher Regenguss sich durchweicht hatte oder weil sie in der Waschmaschine zusammen mit meiner Arbeitshose und meinen nie zusammenpassenden Socken gewaschen wurden. Zettel mit Erdflecken, Grasflecken, zerknittert und eng beschrieben – mit Querverweisen, Pfeilen und Ausrufezeichen. Textfragmente, die nicht ausformuliert wurden, aber beim Durchlesen trotzdem – auch nach Jahren noch – etwas in mir zum Klingen bringen. Gedanken, die entstanden sind beim, Jäten, Umtopfen, Rasenmähen. Die Texte in diesem Buch beschreiben mein ganz persönliches Gartenjahr. Dieses Buch ist kein Sachbuch. Denn Pflanzen sind keine Sachen. Tiere sind es nicht. Und Menschen erst recht nicht – dieses Buch erzählt vom Leben.

      Es beschreibt die Freude und auch die Trauer.

      Es beschreibt Kreisläufe, aber auch Einschnitte, den Stillstand und wie alles zur Ruhe kommt.

      Es beschreibt die Kraft, die weitermachen lässt.

      Es gibt einen Ort, an dem Menschen seit Jahrtausenden immer wieder versuchen, die Sprache der Seele in Bilder aus der Natur zu übersetzen: Dieser Ort ist ein Garten.

      Das Urbild einer idealen Welt ist das Paradies: der Garten Eden.

      Wenn ich ein Problem habe, gehe ich – ich weiß schon wohin: in meinen Garten.

      Mein Garten nimmt alle Probleme. Er nimmt nicht ernst, er nimmt nicht ab, er nimmt nicht leicht – er nimmt ganz einfach. Und dann lächelt er mir zu.

      Frühling

      Rosen im März

      Ein Rosenhag im März

      Ist nicht viel mehr als ein Versprechen.

      Ein wintermüder Schmetterling

      Sich in seinem Dickicht fing.

      Rücklings hing er dort.

      Zitternd.

      Blasser Staub auf vernarbtem Flügel.

      Greife ich zwischen die Dornen

      Um ihn hervorzuholen

      Ein Insekt, das all´ seine Farben verloren

      Überhaucht meine Finger

      Staub

      Wie von Rosen.

      Was ich liebe

      Fürchte ich

      Zu zerstören.

      Tanz der Apfelbäume

      Die Apfelbäume sich neigen

      Sie fassen sich an den Zweigen

      Sie beginnen sich zu bewegen

      Und Apfelblüten regnen

      Im Tanz

      Der Kreis

      schließt sich

      ganz.

      Verweile doch!

      Faust verkauft Mephisto seine Seele für den perfekten Augenblick – für diesen einen Moment, zu dem er sagen will: ‚Verweile doch, du bist so schön!‘

      Eine bekannte Luftfahrtlinie hat dieses Zitat zum Werbeslogan verballhornt: Alles für diesen Moment!

      Und der Gärtner? Auch der Gärtner verkauft seine Seele, indem er diesem einen Augenblick nachjagt – der Augen-Blick im wortwörtlichen Sinne, dieser eine Moment, in dem der Blick des Gärtners mit Wohlgefallen auf seinem Werk ruht und alles, bis ins letzte Detail ist stimmig und perfekt. Doch halt! Ein Bild, eine Skulptur, meinetwegen auch ein Streuselkuchen


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